Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?. Marlene Gabriel

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Название Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?
Автор произведения Marlene Gabriel
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738012644



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den Kronprinzen mit vielen brisanten Informationen. Doch das Verhältnis zwischen beiden Habsburgern hätte durchaus zu einer wirklichen Freundschaft führen können, waren doch beide liberal, weltoffen, volksnah, keine Antisemiten, intellektuell und hatten gegen den Hof und das Hofleben so ihre Einwände. Doch wurde ihrer beider Verhältnis sehr oft durch Konkurrenzdenken und Eifersüchteleien getrübt.

      Johann von Toscana konnte es nicht überwinden, dass eben Erzherzog Rudolf der Kronprinz und damit der zukünftige Kaiser war, während er nur an zweiter Stelle kam.

      Trotzdem sah man beide Erzherzöge des öfteren in den verschiedenen stadtbekannten Etablissements zusammen. Sie gingen auf die Jagd, Rudolf lud Johann oft zum Gedankenaustausch in die Hofburg, auch um gemeinsam gegen Erzherzog Albrecht, der besonders die jungen Erzherzöge und ihr Benehmen in der Öffentlichkeit kritisierte, vorzugehen. Wobei die beiden „Rebellen“ sehr oft den kürzeren zogen.Vom Hochadel war nur Graf Wilczek Rudolfs Freund und Förderer. Natürlich hatte er Jagdfreunde wie Prinz Philipp von Coburg (seinen Schwager) er hatte Luise, die ältere Schwester seiner Frau Stephanie geheiratet. Dann Graf Josef Hoyos, ursprünglich aus altem spanischen Adelsgeschlecht stammend, waren die Hoyos seit Jahrhunderten in österreichischen Diensten. Beide waren bei der letzten Jagd in Mayerling Rudolfs Gäste.

      Mit Prinz „Bertie“, Edward, Prince of Wales, den englischen Kronprinzen verband Rudolf eine Amüsier- und Jagdfreundschaft, wenngleich man offenbar immer wieder auf Politik zu sprechen kam. Doch Jagden, Einladungen zu fröhlichen, eher intimen Festen, auch mit Damen, Ausflüge ins Etablissement der berühmten Wiener Kupplerin Wolff, auch zu Schrammelabenden ins Jagdschloss Ort an der Donau, standen auf dem Besuchsprogramm des englischen Thronprinzen. Umgekehrt wurde Erzherzog Rudolf immer wieder nach England zu Queen Victoria nach Osborne geladen. Die Queen war entzückt von dem charmanten jungen Herren, mit hervorragenden Manieren. Auch mit Kaiser Friedrich von Preußen war der Kronprinz in Vielem einer Meinung, (er starb an Kehlkopfkrebs, ihm folgte sein Sohn Wilhelm II nach nur drei Monaten Regierungszeit seinesVaters) sehr gut. Seinen lärmenden Sohn Wilhelm, genannt Willi fand er im Umgang ganz schrecklich. Er hasste dessen zackiges militärisches Auftreten, seine von Kraftausdrücken gespickten Reden, sein theatralisches Wesen, seinen eher rüpelhaften Umgang mit Frauen, also Freunde waren die Beiden durchaus nicht. Auch Willi beurteilte den österreichischen Kronprinzen als zu weich, zu lasch, zu liberal, zu wenig militärisch, verurteilte seinen Umgang mit vielen liberalen jüdischen Journalisten, aber man demonstrierte nach außen Freundschaft.Für Rudolf brach eine Welt zusammen als nach dem Tod Friedrichs Willi 1888 zum deutschen Kaiser als Wilhelm II ausgerufen wurde. Er selber stand weiter entfernt vom Thron als je. Sein Verhältnis zum kaiserlichen Vater war getrübt, ja schlechter als je zuvor, gesundheitlich hatte er da schon sehr abgebaut. Er litt an einer venerischen Erkrankung, die damals als unheilbar galt. Seine Ehe mit Stephanie war praktisch gescheitert. Für ihn hatte das Leben wenig Perspektiven zu bieten, während sein um ein Jahr jüngerer„Zwangsverbündeter“ Wilhelm nun Kaiser war. Er immer noch Kronprinz ohne Macht und Einfluss. Er durfte Ausstellungen eröffnen, Militärparaden abnehmen, ab und an Reden halten, wenn sie unpolitisch waren, auf Empfängen und Bällen erscheinen, zur Jagd gehen, Reisen machen, die er vorher aber von Kaiser Franz Joseph absegnen lassen musste, das war es.

      Die ungewöhnlichste, „unstandes gemäße“ aber aufrichtigste Freundschaft verband Kronprinz Rudolf mit einem Bürgerlichen. Chefredakteur und Herausgeber Moritz Szeps, einem völlig assimilierten patriotischen Österreicher, jüdischen Glaubens. Szeps war zum Zeitpunkt ihrer ersten Begegnung schon Herausgeber und Chefredakteur des „Neuen Wiener Tagblatts“. 1881 wurde die Bekanntschaft durch Prof. Carl Menger vermittelt, da sich der Kronprinz beklagte, dass er praktisch von allen Informationen, was im Land wirklich geschehe, abgeschnitten sei. „Jeder einfache Zeitungsleser und Arbeiter weiß mehr als ich“, war seine stehende Redewendung. Er hatte sich ja offen als Freund der liberalen Verfassungspartei geoutet, was wiederum Regierungschef Graf Eduard Taaffe auf den Plan rief. Er schnitt dem Kronprinzen alle Informationsmöglichkeiten ab.Die erste Begegnung kam sehr geheimnisvoll in der Hofburg zustande. Nehammer, der erste und vertrauteste Kammerdiener Erzherzog Rudolfs, führte den Herrn Chefredakteur über dunkle Gänge, verborgene Treppen und Räume in das Kronprinzenappartement. Das erste Gespräch dauerte immerhin eineinhalb Stunden, war aber vorerst harmlos und eher allgemein gehalten. Rudolf hatte ein Buch über seine Orientreise geschrieben, welches er in einer Zeitung teilweisegedruckt sehen wollte. Zudem erkundigte er sich nach vielen der Redakteure, die im Tagblatt arbeiteten, die er dem Namen nach kannte. Auch über Politik wurde geredet. Man kam unweigerlich auf Ministerpräsident Taaffe und seine verhängnisvolle Nationalitätenpolitik zusprechen, wobei ihn Szeps zu beruhigen versuchte. Schon damals war Graf Eduard Taffe im Feindeskreis des Kronprinzen zu finden. Von ihm gingen wahrscheinlich auch die umfangreichen Überwachungsmaßnahmen des Kronprinzen aus. Ob sie vom Kaiser gebilligt wurden, ist heute nicht mehr klar belegbar. Viele Dokumente und Unterlagen sind ja nicht mehr auffindbar.

      Szeps, 1834 in Galizien geboren, war ein liberaler, umfassend gebildeter Mann aus wohlhabender, sehr guter jüdischer Familie. Er studierte zuerst Medizin, bevor er zu seiner eigentlichen Berufung, dem Journalismus fand. Schon mit 24 Jahren wurde er Chefredakteur der „Morgenpost“. Dann übernahm Szeps das „Neue Wiener Tagblatt“, nachdem Menger damit scheiterte, als verantwortlicher Herausgeber und Chefredakteur. Er führte das Blatt zu einer Auflage von 40.000 Stück, sie überflügelte damit die „Neue Freie Presse“. Sein Konzept war recht einfach: Er schrieb nicht nur für das Großbürgertum sondern auch für den „einfachen Mann“. Bezeichnend ist sein unermüdlicher Einsatz für die Volksbildung.Zwischen 1867 und 1879 war liberal sein modern. Das war auch die beste Zeit des „Neuen Wiener Tagblatts“. Zwischen 40.000 und 60.000 Gulden Gewinn im Jahr, schrieben andere Blätter Szeps neidvoll zu. Szeps war auch ein wenig Lebemann. Er gab sein Geld mit vollen Händen für sich, seine Familie und seine Zeitung wieder aus. Er bewohnte ein Palais in der Wiener Liechtensteinstraße (9.Bezirk), das bald zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens der Stadt wurde. Seine Tochter Berta Zuckerkandl- Szeps beschreibt in ihren Erinnerungen („Ich erlebte 50 Jahre Weltgeschichte“) diese Jahre sehr anschaulich. Oft wurde Theater gespielt, das Palais hatte sogar einen kleinen Theatersaal. Die Schauspieler waren sehr oft Berühmtheiten aus den Wiener Theatern. Mit Alexander Girardi heckte die kleine Szeps so manchen Streich aus, was ihr dann Zimmerarrest eintrug. Mama Szeps war strenger als der humorvolle Vater, der bald herausfand, dass auch seine Tochter das Zeug zu einer hervorragenden Journalistin hatte.

      Bei Moritz Szeps fand der Kronprinz, das was er suchte und brauchte. Er bekam Informationen über sein Land, und konnte sich selber als anonymer politischer Tagesschriftsteller betätigen, über Themen, die ihm wichtig erschienen und sonst in der österreichischen Zeitungslandschaft von damals wenig oder gar nicht abgehandelt wurden. Damals festigte sich bei Rudolf die Auffassung, dass die Presse bei wichtigen Vorhaben stets informiert und beigezogen werden sollte, ganz im Gegensatz zur Auffassung seines Vaters und des Regierungschefs.Rudolfs unzählige politische Leitartikel, die alle anonym erschienen, wurden oft zum Skandal, obwohl Szeps sie alle entschärfte, er kannte sich ja mit der allgegenwärtigen Zensur bestens aus und wusste genau, was gerade noch durchging und was man einfach nicht schreiben durfte. Darum ist es heute sehr schwer, die Artikel Rudolfs zu erkennen, denn man geht nicht fehl in der Annahme, dass die meisten eine Gemeinschaftsproduktion von Szeps und Rudolf waren. Rudolfs Stil war knapp, unverblümt, ohne Schnörkel. Szeps drückte sich etwas gewundener aus, verwendete viele Zitate, seine Schreibe war manchmal blumig und gewunden, eben um die Zensur zu täuschen.Die Zusammenkünfte des Chefredakteurs und des Kronprinzen hatten immer etwas geheimnisvolles, konspiratives an sich. Szeps: „Ich kann mich nicht erinnern, jemals normal zum Kronprinzen gelangt zu sein, immer gings auf verborgenen Wegen in seine Räume“.

      Später warfen der Hochadel und die klerikalen, deutschnationalen Kreise Szeps massiv vor, dass er am Untergang des Kronprinzen die Hauptschuld trage. „Sein jüdischer Einfluss, auf den ursprünglich bestens veranlagten arischen Menschen sei mehr als verhängnisvoll gewesen“.

      Heute kann man sagen, dass Szeps die PR für den Kronprinzen besorgte, ihn mit Informationen aller Art versorgte. Er schickte ihm nicht nur Berichte seiner Korrespondenten, sondern auch konfiszierte Bücher und Schriften, die der Kronprinz sonst nie zu Gesicht bekommen hätte. Der Informationsaustausch der Beiden