Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?. Marlene Gabriel

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Название Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?
Автор произведения Marlene Gabriel
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738012644



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von zuerst Herzschlag, Vergiftung und dann schließlich Selbstmord durchrang.In hocharistokratischen Kreisen hält sich bis heute hingegen eine der bösesten Mordtheorien. Angeblich soll der Mordauftrag von ganz oben gekommen sein. Als Grund wird die angebliche hochverräterische Tätigkeit des Kronprinzen angegeben. Er wollte sich noch zu Lebzeiten des Kaisers als König von Ungarn ausrufen lassen und den Thron der österreichischen Monarchie, also ohne k. & k., sollte sein Cousin Johann Salvator Toscana übernehmen. Hätte dies der Wahrheit entsprochen, wäre dem Kaiser nichts anderes übriggeblieben, als seinen Sohn vor Gericht stellen zu lassen. Das Urteil hätte wohl auf Tod durch Erschießen gelautet. Damals stand auf Hochverrat die Todesstrafe, das galt selbst für den Thronfolger. Also wenn diese Hochverrats-Story wahr gewesen sein sollte, wäre das ein noch größerer Skandal gewesen. Erst ausländische Zeitungen brachten dann zum ersten Mal die Selbstmordversion aber auch, dass zum selben Zeitpunkt im Jagdschloss Mayerling eine Dame der Gesellschaft tot aufgefunden wurde. Trotz Beschlagnahmung der vielen Druckerzeugnisse, konnte der Hof dann nicht mehr verhindern, dass nach und nach das ganze Ausmaß der Geschehnisse dieser Nacht an die Öffentlichkeit drangen.

      Doch sind sich nach wie vor namhafte Historiker, wie Brigitte Hamann sicher, dass der Kronprinz Selbstmord durch einen Kopfschuss beging, Stunden vorher jedoch seine Geliebte Mary Vetsera, auf deren Verlangen durch Kopfschuss tötete. Das Wie ist für seriöse Mayerling-Forscher klar, das Warum? liegt nach wie vor im Dunkel.

      Das Volk hingegen reagierte zuerst auf die Todesnachricht panisch, glaubte die offizielle Todesversion, es gab deren drei, Herzschlag, Jagdunfall, dann schließlich die bis heute allein gültige Selbstmordversion keineswegs. Es machte sich seinen eigenen Reim über den Tod des beliebten Kronprinzen.

      Die Abschiedsbriefe Rudolfs, die man gefunden hatte, geben keine Auskünfte über die Gründe aus dem Leben zu scheiden. Im übrigen ist nur ein Abschiedsbrief in Faksimile bekannt geworden.

      Jener an seine Gattin Stephanie, die ihn in ihren Memoiren abdrucken ließ. Egon, Cäsar Conte Corti, ein Schriftsteller, der die erste umfassende Elisabeth Biografie geschrieben hat, war der einzige Historiker, der noch die wahrscheinlich höchst aufschlussreichen Tagebücher der Kaisertochter Marie Valerie einsehen konnte und hier auch eine Abschrift des Abschiedsbriefes Rudolfs an sie gefunden hat und jenen in Auszügen in seinem Elisabeth-Buch veröffentlichte.Leider sind die Tagebücher heute nicht mehr zugänglich. Jede Nachfrage nach Einsicht wurde mit Ablehnung und einem strikten nein beantwortet. Zwei neuere Bücher befassen sich eingehend mit der Mordtheorie und verwerfen die offizielle Version als gänzlich verleumderisch und nicht länger haltbar.

      Clemens M. Gruber schrieb zum 100. Jahrestag der Tragödie ein Buch „Die Schicksalstage von Mayerling“. Hier stellt der Autor umfassende Nachforschungen nach Zeugen an und wird fündig.Besonders in und um Mayerling halten sich in Kreisen der Nachfahren der damaligen Einheimischen hartnäckig ja jene Gerüchte, die entweder von einer Orgie wissen wollen, die so ausgeartet sein soll, dass sie schließlich in einem fürchterlichen blutigen Streit mündete, dessen Ende dann auch das Ende von Rudolf und Mary war. Die zweite Version dieses Buches ist, dass zwei Onkel von Mary Vetsera, ein Baltazzi und Graf Stockau nach Mayerling fuhren, um das Mädchen herauszuholen. Es begann ein Streit in dessen Verlauf dann Rudolf erschossen worden sein soll, Mary hätte sich dazwischengeworfen und wäre tödlich verletzt worden. Einer der Onkel sei selber mit einer Schusswunde, der er dann erlegen sein soll, noch eine Woche in Mayerling gelegen, gepflegt von einem Schlossbediensteten.

      Nur diese Version ist absolut widerlegt. Alle Onkel von Mary Vetsera starben erst nach 1900. Dazu kommt noch das Gerücht, dass am Friedhof in Heiligenkreuz in jener stürmischen Nacht des 31. Jänner 1889 nicht nur Marys Leiche verscharrt wurde, sondern noch eine zweite männliche Leiche, ebenfalls mit einer Schusswunde, erzählt man sich heute noch. Ingrid Haslinger wiederum befasst sich mit den privaten Briefen Rudolfs beginnend mit den Kinderbriefen bis zu den Erwachsenenbriefen des Kronprinzen und kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass Rudolf keineswegs ein Selbstmordkandidat gewesen sein könne, bemüht sogar einen Graphologen, der Rudolf fast nur hervorragende Eigenschaften zuschreibt und keinerlei Neigung zu Selbstmord feststellen kann. Diesem Graphologen wurden Originalschriftstücke des Kronprinzen vorgelegt. Er wusste nicht, wer der Verfasser der Briefe war. Allerdings meint er in seinem Gutachten, dass der Schreiber aufpassen müsse, er werde durch Mörderhand sterben. Ob man so etwas wirklich durch die Graphologie feststellen kann, ist fraglich. Außer vielleicht, dass Rudolf, Morddrohungen bekommen hat und sich vor diesen fürchtete, was sich wiederum in seinem Schriftbild ausdrückte. Der Kronprinz war ja nicht als sonderlich mutig bekannt. (Ingrid Haslinger:„Rudolf war immer ein guter Sohn – Mayerling war ganz anders“)Gerd Holler, Gemeindearzt in Baden und Vertrauensarzt von Heinrich Baltazzi-Scharschmied, dem Sohn von Heinrich Baltazzi, einem der Onkel von Mary Vetsera, zudem Historiker, war überzeugt, dass die Mayerling- Tragödie durch eine missglückte Abtreibung an Mary, an der sie in Mayerling verblutete, ausgelöst wurde. In seinem Buch „Mayerling- die Lösung des Rätsels“ , versucht er anhand medizinischer Erkenntnisse und den Aufzeichnungen der Hofapotheke das Mayerling -Geheimnis zu lösen.

      Laut Holler wurde in Wien in den Appartments Rudolfs durch eine Hebamme in Marys Unterleib eine Bougie (Dehnsonde) gelegt, mit dieser im Körper fuhr sie dann nach Mayerling, wo unstillbare Blutungen einsetzten, die man zur damaligen Zeit nicht stoppen konnte. Mary verblutete langsam. Zwar wurde laut Holler sogar noch Prof. Billroth mitten in der Nacht herbeigeholt, der aber nichts mehr ausrichten konnte und empfahl einen Geistlichen zu holen. Auch dieser kam und gab Mary die Sterbesakramente. Marys Tod erfolgte dann am 30. 1. 1889, so gegen zwei Uhr früh. Der Kronprinz erschoss sich gegen 6.30 Uhr früh, nachdem er Stunden neben der Leiche seiner Geliebten verbracht hatte. Einwände besonders von Mitgliedern des Adels, dass eine Abtreibung, auch mit tödlichem Ausgang absolut kein Grund für einen Selbstmord gewesen sei, konterte der Arzt Holler damit, dass es selbst für einen sehr abgebrühten Menschen schrecklich mitanzusehen sei, wenn ein Mensch neben ihm langsam stirbt und man machtlos ist. Zudem gebot es Rudolf die Offiziersehre, Hand an sich zu legen. Er hatte getötet. Er war der Verursacher des Todes von Mary Vetsera. Abtreibungen waren außerdem im streng katholischen Österreich zu diesem Zeitpunkt strafbar.Sowohl für die werdende Mutter, als auch alle ihre Helfer und Mitwisser. Eine gefährliche Situation also für den Kronprinz, Marie, Gräfin Larisch, der Vertrauten und Eingeweihten des Verhältnisses, Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera, Cousine von Rudolf, Lieblingsnichte von Kaiserin Elisabeth und nicht zuletzt Kupplerin für viel Geld, die viele Treffen zwischen dem Kronprinzen und der kleinen Vetsera erst ermöglichte. Auch Bratfisch und Loschek könnten, müssten sogar eingeweiht gewesen sein. Wäre etwas herausgekommen, wären alle ein Fall für den Staatsanwalt gewesen. Der perfekte Skandal. Für die Larisch doppelt gefährlich. Sie soll ja die Hebamme aufgetrieben haben, die die Manipulationen an Mary durchgeführt haben soll.

      Die Nachkommen von Prof. Billroth wiederum bestätigten zwar, dass der berühmte Professor mitten in der Nacht des 30. Jänner von einer Fahrt nach Mayerling wieder zurückgekommen ist. Sehr erschüttert und sehr in sich gekehrt. Er hat aber nie auch nur ein Wort von den Geschehnissen dieser Nacht gesprochen, auch nichts schriftliches hinterlassen. Auch ihm gegenüber durfte Mayerling mit keinem Wort jemals mehr erwähnt werden.Historiker, die sich mit Mayerling befasst haben, kamen zu dem Schluss, dass ein Vorfall, schon in der Hofburg oder dann in Mayerling, erst der entscheidende Auslöser für die Tragödie war. Rudolf hatte wahrscheinlich keinesfalls die Absicht, nach Mayerling zu fahren, um sich dort zu töten und zuerst Mary auf ihr Verlangen hin, zu erschießen (Judtmann, Wandruszka, Hamann).

      Aufschluss und damit ein Ende aller Spekulationen könnte nur eine Obduktion und forensische genaue Untersuchung der beiden Toten von Mayerling geben. Aber, so wie es aussieht, wird das nie geschehen. Die Familie Habsburg im Verein mit dem Stift Heiligenkreuz und nicht zuletzt mit den Kapuzinern, legen sich quer und sind strikt dagegen. Das wäre Störung der Totenruhe. Also werden die Vermutungen, halben Wahrheiten und alte und neue Versionen auch wohl noch den 250. Jahrestag von Mayerling überdauern. Auch wenn das den Nachkommen der Habsburger gar nicht in den Kram passt.

      Erzherzog Rudolfs Kinderzeit und Jugend

      Am 21. August 1858 wurde kräftig Salut geschossen. Endlich war der Thronfolger geboren.