Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?. Marlene Gabriel

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Название Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?
Автор произведения Marlene Gabriel
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738012644



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geschockt, flüchtete sich die labile junge Frau in eine bis heute geheimnisvolle Krankheit, zuerst nach Madeira, um dann immer wieder von Wien zu verschwinden. Die beiden Kinder Gisela und Rudolf blieben beim Kaiser, bei der geliebten Großmutter und der getreuen und heiß geliebten Welden.

      Trotzdem wurde schon in diesem Alter, Rudolf war zwischen zwei und drei Jahre alt, großer Wert auf die militärische Erziehung gelegt. Er empfing des öfteren feierlich eine Abordnung seines eigenen Regiments, selbstverständlich gekleidet in eine kleine Paradeuniform. Angeblich machte er dabei seine Sache so gut, dass Kaiser und Hof total gerührt waren. Trotzdem nannte in der Kaiser des öfteren „mein Krepierl“, was zwar liebevoll gemeint war, aber nicht gerade so liebevoll rüberkam.

      Ja, so robust und gesund wie die kleine Erzherzogin Gisela war der Kronprinz beileibe nicht. Er war sensibel, angstvoll, nicht sehr mutig, dabei lebhaft und geistig als hoch intelligent zu bezeichnen.

      Angeblich interessierte er sich für alles. Sobald er ganze Sätze sagen konnte, liebte er es, mit seinen Lehrern und Erziehern zu „diskutieren“.

      Kaiserin Elisabeth sah ihren einzigen Sohn erst nach ungefähr einem Jahr wieder. Er wurde auf ihren Wunsch hin mit seiner Schwester nach Venedig gebracht, wo man sich auf einen Staatsbesuch vorbereitete. Erzherzogin Sophie blieb zu Hause. Doch sie hatte eine Spionin in Venedig, die ihr alles berichten musste, was vorgegangen war. Gräfin Esterhazy, hat ihr diese Dienste des öfteren geleistet.

      War Rudolfs Kindheit glücklich? Diese Frage ist weder mit ja noch mit einem entschiedenen Nein zu beantworten. Er wurde zwischen der Großmutter, der Kaiserin und dem Kaiser hin und her geschubst, versuchte, es allen irgendwie Recht zu machen, zudem überforderte ihn Franz Joseph mit seinem militärischen Ehrgeiz maßlos. Damals war er nicht gesund, hatte viel schwerer unter den verschiedensten Kinderkrankheiten zu leiden als seine Schwester, war oft weinerlich, hoch empfindsam und schon schwer stressgeplagt.Bereits mit drei Jahren gab es Unterricht: Religion (sehr wichtig), Tschechisch, Ungarisch, Rechnen und Schreiben. Mit dreieinhalb setzte er eigenhändig seine Unterschrift auf die Urkunde zur Schlusssteinlegung des Rudolfsspitals. Dazu natürlich tägliche Exerzier – und Schießübungen, die den Kleinen malträtierten. Des öfteren stand er neben seinem Vater stundenlang regungslos und nahm Militärparaden ab. Besuche von Heereseinrichtungen wie Kasernen und Militäreinrichtungen gehörten ebenfalls zum Unterrichtsprogramm.

      Seine Erzieher und Lehrer lobten seinen regen Geist, seine Wissbegierde, seine Lernbereitschaft, Rudolf wirkte aber damals schon altklug und frühreif.

      Nach alter Habsburger Tradition und Sitte bekam der Kronprinz mit sechs einen eigenen Hofstaat und einen eigenen Obersthofmeister, der gleichzeitig der Haupterzieher war.

      Dazu war es notwendig, dass man ihn von seiner um zwei Jahre älteren Schwester Gisela, die er innig liebte trennte, was mit einem Meer von Tränen einherging.

      Leopold, Graf Gondrecourt, ein Generalmajor und Militär vom Scheitel bis zur kleinen Zehe wurde als Obersthofmeister und Haupterzieher des Kronprinzen engagiert. Vom dänischen Krieg kam er als „Sieger von Oversee“ nach Hause, was freilich unkommentiert blieb. Hatte doch dieser Waffengang, im Verein mit den deutschen Verbündeten viel Blut gekostet. Der kleine Kronprinz erhielt vom König von Preußen den Schwarzen Adlerorden umgehängt, was ihn unendlich freute, berichtete der stolze Vater. Zwei Jahre später war dann Preußen der Erzfeind, die Österreicher bezogen fürchterliche „Hiebe“ in Königgrätz.

      Die Erziehungsmethoden von Gondrecourt waren militärisch und sonst nichts. Das hieß: Härte, Härte, Härte! Ganz schrecklich für das hochsensible Kind, das die Welt nicht mehr verstand. Rudolf musste stundenlang exerzieren, laufen, stehen, Gewehr ab, Gewehr auf, ganz so wie man Rekruten zu nicht denkenden, automatisch handelnden Soldaten erzog. Diese Erziehung muss man dem Kaiser anlasten, niemand anderem.

      Mutig, stark, entschlussfreudig sollte er werden, der Kronprinz von Österreich. Er wurde das Gegenteil. Unentschlossen, intellektuell, feige, halbherzig und schlussendlich ein äußerst schwieriger Charakter.

      Noch heute existieren viele Geschichten über die Abhärtung Rudolfs, die Gondrecourt betrieb. Einmal soll er den Buben allein im Lainzer Tiergarten stehen gelassen haben und über die Mauer geschrien haben, „Da kommen Wildschweine“. Rudolf brüllte vor Angst und machte sich in die Hose, schlug ans verschlossene Tor, bis ihn schließlich Gondrecourt befreite.

      Nachts soll ihn der Erzieher aus dem Tiefschlaf gerissen haben und mit Pistolenschüssen geweckt haben.Doch diese immer wieder verbreitete Geschichte kann einfach nicht stimmen (Anmerkung d. Verf.) Hätte Gondrecourt dies gewagt, im Zimmer des Kronprinzen herumzuballern, wäre er wohl sofort außer Dienst gestellt worden. Das war doch zuviel der Abhärtung. Zudem hätte Rudolf einen schweren Hörschaden davongetragen. Doch Kaltwasserkuren gab es, sie sollten das Kind, das viel krank war, abhärten.

      Der Kronprinz wurde in dieser Zeit, immer ernster, stiller, in sich zurückgezogener, ganz blass und spitz, sodass man an eine ernsthafte Erkrankung glaubte. Da endlich, griff die Kaiserin entscheidend ein. Sie meinte mit dieser Erziehung mache man ihren Sohn zum Trottel. Ihr fiel seine starke Nervosität und seine Fahrigkeit auf. Endlich handelte sie. Sie beschwerte sich massiv beim Kaiser und setzte sich schließlich nach vielen Streitereien mit Sophie und dem Kaiser durch. Ihr damaliges schriftliches Ultimatum ist erhalten (heute Hof- und Staatsarchiv). „Ich wünsche, dass mir vorbehalten bleibe, unumschränkte Vollmacht in allem, was die Kinder betrifft, die Wahl ihrer Umgebung, den Ort ihres Aufenthaltes, die komplette Leitung ihrer Erziehung, mit einem Wort, alles bleibt mir ganz allein zu bestimmen, bis zum Moment der Volljährigkeit. Ferner wünsche ich. Dass, was immer meine persönlichen Angelegenheiten betrifft, wie unter anderem die Wahl meiner Umgebung, den Ort meines Aufenthaltes, alle Änderungen im Haus etc.etc. Mir allein zu bestimmen vorbehalten bleibt. Elisabeth, Ischl, 24. August 1865.“

      Gondrecourt musste seinen Abschied nehmen, doch vorher wurde er noch zum kommandierenden General des 1. Armeekorps befördert. In der Schlacht bei Königgrätz wurde er gleich zu Beginn ganz fürchterlich geschlagen.

      Die Kaiserin, jetzt am Höhepunkt ihrer Schönheit, hatte gesiegt. Der Kaiser konnte und wollte ihr keinen noch so ausgefallenen Wunsch abschlagen. Von der schüchternen Landprinzessin zur schönen, emanzipierten Märchenkaiserin, die Wandlung war vollkommen. Sie nutzte ihre Macht über den Kaiser bis zur Erschöpfung aus. Nur ein Herzenswunsch wurde ihr strikt verwehrt. Sie wollte unbedingt Inhaberin eines Husarenregiments werden. Kaiser Franz Joseph lehnte ab. So etwas machten die Russen oder die Engländer, die Habsburger - Nie!

      Diese Wandlung war so auffallend, dass sie selbst von Jenen bemerkt wurde, die die schöne Kaiserin jeden Tag zu Gesicht bekamen. Das Volk war geradezu enthusiasmiert, wenn die Kaiserin geruhte, sich einmal zu zeigen. Der Hochadel und der Hof waren weniger begeistert. Die Kaiserin schätzte die Mehrheit der hochadeligen Damen gar nicht, machte sich über die Damen der höchsten Gesellschaft in schlechten, aber treffenden und sehr zynischen Gedichten im Heine-Stil lustig (Brigitte Hamann: „Elisabeth“). Sisi hatte auch einen charakterlichen Wandel hinter sich. Ihre Anordnungen wurden knapp, fast unhöflich, sie umgab sich fast nur mehr mit ungarischem Personal, änderte ihren Tagesablauf nach Lust und Laune, war zynisch, sarkastisch und wie es schien, sehr hochmütig geworden. Ungeniert rauchte sie in aller Öffentlichkeit und machte aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Wer ihr nicht zu Gesicht stand, wurde abgelehnt. Sie ging nur mehr ihren eigenen Interessen nach. Reiten, Reisen, Dichten. Zu den Kindern kam sie hin und wieder, erschien mit Geschenken beladen als schöne, fast unwirkliche Fee, flüsterte Nettigkeiten, umgeben nur von ihren riesigen Hunden, die ihr überall folgten. Die Kaisermutter hatte nichts oder nur mehr wenig zu sagen, sie war damals eine alte Frau geworden, die nur mehr für ihre Söhne und ihre Enkel lebte.

      Rudolf war in dieser Zeit bereits ein schwer geschädigtes Kind, das sehr wohl mitbekam, das in der Ehe der Eltern nichts mehr stimmte. Erbliche Belastungen – es gab viele Epilepsiefälle in der Familie auch geistige Beeinträchtigungen kamen dazu, belasteten ihn zusätzlich.

      Es gelang nicht, aus ihm einen „Helden“ (Kaiserin Elisabeth) zu machen. Im Gegenteil, der Bub wies Anzeichen von Hospitalismus auf, das heißt, eine krankhaft gesteigerte Angst, oft Unehrlichkeit, Lügen, und eine oft hysterische, ja aufdringliche