Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel

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Название Die Stadt des Kaisers
Автор произведения Alfred Stabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742781260



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´Ahmed, schließ sofort die Ketten auf!` Schlaftrunken erhob sich der Unhold aus seiner Ecke und torkelte auf mich zu. Es dauerte eine Weile bis er den Schlüssel ins Schloss kriegte, aber dann machte es klick und die Eisen fielen ab. Nun gab ich ihm mit dem Stock freudig zurück, was ich so oft empfangen hatte. Dem Pascha hätte ich es auch gern heimgezahlt, aber er schlief inmitten seiner Leibwache. Ich schlich zur nächsten Koppel und ritt flugs in die Freiheit."

      Am nächsten Morgen stieg Breitenbrunn mit brummendem Kopf zu Hermann und seinen Sekretär in die Kutsche. Von der Klosterpforte winkten ihm Andreas und die Heiligen drei Könige zu. Breitenbrunn wischte sich Andreas feuchten Schmatz von der Wange und winkte zurück, bis der Wagen die erste Kurve fuhr. "Bei denen ward ihr Hahn im Korb" stellte der Sekretär fest. "Weshalb denn?“ "Das tut jetzt nichts zur Sache, Wilmersdorf" sagte der Markgraf. "wir müssen Dringendes bereden! Seht, was mir am Abend druckfrisch aus der Presse zugeflogen ist, Baron!" Der Minister zog einen gebundenen Stoß Papier hervor. "Eine Schilderung von Belagerung und Schlacht!" Breitenbrunn griff nach dem Papier und zog so lange an einem Ende, bis Hermann losließ. Wahrhafte und umständliche Beschreibung, was in und um Wien im Juli und August anno 1683 täglich vorgelaufen. Entworfen von einem Soldaten der Wiener Garnison. Kein Name.

      "Gott verdamm mich!" Breitenbrunns erste Reaktion war Freude, dass noch ein anderer das Massaker überlebt hatte. Hermann missverstand ihn. "Ja, lieber Baron, da war einer schneller als Ihr. Dem winkt jetzt ein schöner Batzen Geld!"

      "Es war nie meine Absicht, meine Erlebnisse drucken zu lassen, Durchlaucht.“

      "Vielleicht ist es auch nur ein Machwerk?" sinnierte Hermann, "ein Produkt der Fantasie. Ich habe es fürs erste überflogen. Und jetzt will ich es zurück! Ihr könnt es lesen, wenn ich es gelesen habe!"

      In Wahrheit hatte der Markgraf es bereits studiert und war zur Ansicht gelangt, dass es ohne Zweifel von einem Augenzeugen verfasst worden war und zwar von einem, der mit dem Heerführer Karl von Lothringen sympathisierte. Breitenbrunns Name tauchte mehrmals auf als Protegé Starhembergs und Starhemberg war immer auf der Seite des Lothringers gestanden. Wenn man also eins und eins zusammenrechnete, kam der Baron als Verfasser in Frage.

      "Seid Ihr sicher, dass nicht Eure Hand die Feder führte?"

      Breitenbrunn sah ihn erstaunt hat. "Wenn´s so wär, warum sollt ich´s nicht bekennen?"

      "Ja, warum solltet Ihr nicht! Habt Ihr eine Idee, wer es war?"

      "Nein. Vielleicht kommt mir beim Lesen die Erleuchtung."

      "Ihr werdet es lesen, aber zuerst meine Neugierde befriedigen, Baron. Ist es wahr, dass der Lothringer die Schlacht ohne Zentrum geschlagen hat? Und dass der rechte Flügel ohne Infanterie kämpfte?"

      "Soweit ich es sehen konnte - ich stand ja auf der Stadtmauer - ja."

      "Und ohne Reserven?"

      "Ohne Reserven! Er kämpfte in arger Unterzahl, Durchlaucht und hätte gesiegt, wenn sich nicht die verdammten Ungarn eingemischt hätten. War verdammtes Pech!"

      „Das vorhersehbar war, Breitenbrunn, höchst vorhersehbar! Hat der Lothringer gedacht, die Ungarn kämen zum Frühstück?“

      „Der Herzog hat heldenhaft gekämpft, Durchlaucht.“

      „Und hat es genutzt, Breitenbrunn? Nein, ganz im Gegenteil. Unsere Ostarmee ist vernichtet! Verdammter Narr, der Lothringer! Und mein armer Neffe ist tot!“

      Wie viele andere auch, dachte Breitenbrunn, und eine nicht kleine Zahl wäre noch am Leben, wenn sich der Lothringer und du nicht wie Hund und Katz gerauft hätten. Und du bräuchtest jetzt nicht in dein Taschentuch schniefen! Warum bloß hat der Kaiser, den man einen klugen Mann nennt, euch zwei bissige Gäule vor den Karren gespannt?

      „Chm, chm“ räusperte sich Hermanns Sekretär. „Und was geschah nach der Schlacht? Graf Starhemberg kämpfte entschlossen weiter?“

      Hermann winkte ab. "Davon hat mir der Herr Baron schon gestern erzählt. Wirklich heldenhaft, der Starhemberg! Obwohl die Garnison zusammengeschrumpft war und das Wiener Volk gegen ihn revoltierte, hat er niemals aufgegeben. Wo waren wir gestern stehengeblieben, ah ja, im Erlauftal. Was wurde aus Eurem kleinen Bauernheer, Breitenbrunn?"

      "Es verlief sich, Durchlaucht, nachdem wir die Türken vertrieben hatten. Sehr zur Freude der Scheibbser Bürger, die fortan für nichts aufkommen mussten. Gott steh ihnen bei, denn der Feind kommt wieder! Wenn ich der türkische Generalissimus wär, tät ich diesen Landstrich als nächstes erobern wegen seiner Erzöfen und Schmieden.“

      „Gott sei Dank, hört er Euch nicht! Dass er mit einem großen Heer zurückkommt, ist so sicher wie das Amen im Gebet“ sagte der Markgraf.

      „Dann verstehe ich nicht, warum Ihr nicht mehr Regimenter nach Osten werft, Durchlaucht.“

      „Weil das Reich auch eine Grenze im Westen hat, Breitenbrunn und weil es dort ebenfalls brennt. Und nachdem Euch die Soldaten davongelaufen waren?“

      „Begab ich mich als erstes zur Garnison in Enns. Die wärmte sich den Arsch am Ofen, also weiter nach Krems, weil es hieß, dass dort ein Regiment Dragoner unter einem schneidigen Obristen den Feind zurückdrängt. So traf ich den jungen Prinzen Eugen. Wir verstanden uns auf Anhieb und schmiedeten Pläne, wie wir die Ungarn und Türken im Frühjahr ordentlich ins Schwitzen bringen. Er mit seinen Dragonern und ich mit einem Regiment Infanterie. Wir kämpfen das Nordufer frei und werfen die Türken-"

      "Genug spintisiert" unterbrach ihn der Markgraf. „Achill und Agamemnon ziehen in den Krieg und Troja bebt. Ich rate Euch ab, so vor dem Kaiser zu reden. Ich sehe schon, ich muss Euch auf die Audienz gründlich vorbereiten!“

      Hermann nahm die Perücke vom geschorenen Kopf. Der Sekretär tat es ihm gleich. In seinen verfilzten Haaren klebten Nissen.

      „Ihr besitzt keine Perücke, Baron?“

      „Sollte ich denn?“

      „Von einem Offizier wird erwartet, dass er beim Kaiser mit Perücke vorspricht."

      "Und wenn ich sage, dass ich aus Gewissensgründen keine Perücke trage?“

      „Wieso aus Gewissensgründen?“

      „Weil die Perücken aus Frankreich stammen und die Franzmänner ebenso unsere Feinde sind wie die Türken. Ich weigere mich, ein Requisit des Feindes aufzusetzen!“

      Hermann und der Sekretär sahen sich entgeistert an.

      „Ich will auch nicht französisch reden oder zu einer Französin ins Bett steigen.“

      „Hört hört!“ lachte der Markgraf „Der Reichstag hat bereits Maßnahmen gegen Frankreich beschlossen, aber auf die Perücken und französischen Liebchen wurde vergessen. Vielleicht könnte Euer Landkreis einen Antrag stellen. Woher stammt Ihr, Breitenbrunn?“

      „Ihr nehmt mich nicht Ernst, Durchlaucht“ lenkte der falsche Baron ab. „Verbietet die Einfuhr französischer Perücken und es bleibt viel Geld im Land, Geld das für den Krieg besser ausgegeben ist.“

      „Soll der Baron eine Klage beim Reichskammergericht stellen!“ witzelte der Sekretär und kratzte sich am verfilzten Kopf. „Vielleicht mit den Worten Ceterum censeo galerum esse delendam! Reichsacht über alle Perückenträger!“

      „Galera esse delendam“ verbesserte Breitenbrunn. „galera- galerorum-galeris-galera-galera- galeris. Setzt es gefälligst in die Mehrzahl! Mit dem Verbrennen einer einzigen Perücke ist es nicht getan!“

      „Genug davon“ forderte Hermann. Breitenbrunn war in Fahrt gekommen. „Eine Anmerkung, Durchlaucht! Die Einfuhr französischen Duftwassers soll ebenfalls verboten sein. Warum sollen Deutsche wie ihre Feinde riechen?"

      Hermann ignorierte ihn und zog sein Chronometer heraus.

      „Halber neune erst! Holt die Konfektschachtel hervor, Wilmersdorf! Ich bin ein ungeduldiger Reisender" sagte er zu Breitenbrunn gewandt. "Es ärgert mich, wenn der Kutscher die Pferde zu sehr schont, oder der Wilmersdorf jede Stunde seine Blase entleert. Wenn ich mein Amt