Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel

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Название Die Stadt des Kaisers
Автор произведения Alfred Stabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742781260



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      „Beck ist tot“ sagte Breitenbrunn und dann schwiegen beide, weil die Erinnerung sie übermannte.

      „Ich dachte, Ihr wärt auch in Wien gefallen“ sagte Busbeque schließlich.

      „Schwer verwundet wurde ich. Der Chirurg Rottensteirer, mit dem Ihr damals im Puff ward, hat mich zusammengeflickt. Kein anderer hätte das zusammengebracht.“

      „Man sieht Euch nichts an“ stellte Busbeque nach einem prüfenden Blick fest. „Speisen wir am Nachmittag gemeinsam? Jetzt ist keine Zeit, sich viel zu erzählen. Durchlaucht wird Euch in Kürze rufen. Wollte sich zuvor noch Eure Schreiben ansehen, platzt wahrscheinlich vor Neugierde.

      „Speisen wir gemeinsam! Ihre kaiserliche Majestät weilt beim Reichstag ins Regensburg?“

      „Flugs, Busbeque!“ rief eine tiefe Stimme. „den

      Herrn Obrist zu mir!“

      „Alsdann, auf zum hohen Herrn“ sagte der Hauptmann, „kann´s kaum erwarten!“

      Markgraf Hermann kam ihm mit ausgestreckten Händen entgegen. „Ich kann´s nicht glauben, kann´s gar nicht glauben, dass ein Offizier der Garnison vor mir steht! Wir glaubten alle tot, ja alle tot. Setzt Euch bitte, Baron. Baron von Breitenbrunn, nicht wahr? Laut meinen Offizierslisten wart Ihr im Frühjahr Hauptmann im Württembergischen Regiment, nicht wahr? Und dann hat Euch der Starhemberg befördert. Ich hab´s ja gelesen. Hat wohl viel auf Euch gehalten, der Gute! War ein harter Knochen, der keinen umsonst gelobt hat. Nehmt Platz!“

      Hermann setzte sich hinter einen mit Papierbögen und Zetteln bedeckten großen Schreibtisch. Sonst herrschte in dem spärlich möblierten Zimmer, das anscheinend nichts Unnützes enthielt, schlichte Ordnung. Keine der üblichen Sammlungen von Kriegs- und Jagdtrophäen. Gobelins und Teppiche fehlten gänzlich, das einzige Bild war ein Porträt seines vor Wien gefallenen Neffen Ludwig an der weißgetünchten Wand gegenüber dem Schreibtisch. Wie jeder wusste, hatte der kinderlose Mann seinen Louis wie einen Sohn geliebt. Portrait des Kaisers gab es keines.

      „Breitenbrunn, Breitenbrunn“ sinnierte der Markgraf halblaut. „Freiherren von Breitenbrunn, nie gehört. Irgendwann, wenn Zeit ist, müsst Ihr mir von Eurem Geschlecht erzählen, Herr Baron. Ja, später einmal. Ihr ward in Wien unter Starhemberg. Habt ihr auch in der Entsatzschlacht gekämpft?"

      "Nein, Durchlaucht. Ich habe sie auf der Mauer verfolgt. Starhemberg schickte kurz zweitausend Mann hinaus, zog sie aber wieder zurück, weil die Lage hoffnungslos geworden war."

      "Und dann ist was passiert? Keiner weiß so Recht, wie es weiterging. “

      "Starhemberg hat nicht aufgegeben, Durchlaucht. Wir kämpften noch, als die Türken schon in der Stadt waren."

      "Und Ihr, was geschah mit Euch?"

      "Ich wurde im Straßenkampf am Schädel verletzt und verlor die Besinnung. Als ich drei Tage später aufwachte, lag ich nackig in einem türkischen Zelt. Die Türken schickten einen Arzt zu mir, einen guten Arzt. Nach vier Wochen war ich so weit erholt, dass ich aus dem Lager fliehen konnte. Ich schlug mich nach Scheibbs durch.“

      „Und dann?“

      „Und dann sammelte ich ein Freiwilligenheer. Bei Burgstall haben wir türkische Marodeure in einem Gefecht besiegt.“

      „Famos, ganz famos! Habe von dem Gefecht gehört.“ Hermann erhob sich wieder und schritt nachdenklich, die Hände hinter dem massigen Leib verschränkt, durchs Zimmer. „Ihr sollt Euren Rang natürlich behalten. Was nun Eugenios Vorschlag betrifft, dafür brauchen wir die Zustimmung des Kaisers und wo ich das Regiment, das Euch Eugenio in seiner jugendlichen Begeisterung zugedacht hat, hernehmen soll, wissen die Götter, aber “ - Hermann setzte sich wieder an den Schreibtisch - „morgen reise ich nach Regensburg. Ihr kommt am besten mit, damit Ihr der Majestät Bericht ablegt und Eure Absichten vortragt. Habt Ihr Pferd und Wagen dabei? Nein? Dann reisen wir gemeinsam!“

      „Eine Ehre, Durchlaucht“ sagte Breitenbrunn freudig überrascht.

      „Auf der Fahrt könnt Ihr mir alles von der Belagerung und der Schlacht erzählen und auch vom Kampf gegen die Türken im Erlauftal. Ja, auch davon. Weil vielen Offizieren wäre das nicht eingefallen! Ihr habt zweifellos ein Kommando verdient. Das nächste geworbene Regiment geht an den Rhein. Wie würde es Euch gefallen, zur Abwechslung Franzosen gegenüber zu stehen? Der Loui isch en Lumpenhund wie der Türk ällaweil. “

      „Pardon, Durchlaucht?“

      „Der Ludwig ist ebenso ein Lumpenhund wie der Türke! Kennt Ihr die Geschichte von dem abgefangenen Schreiben des Sultans? Nein, Busbeque soll sie Euch später erzählen! Köstlich, köstlich! Der Brief liegt übrigens im Reichstag auf. Und nun lieber Baron muss ich Euch wegen dringender Erledigungen verabschieden. Muss ja morgen abreisen!

      Wo seid Ihr abgestiegen?“

      „Im Stifthaus der Zisterzienser. Auf der Reise hierher habe ich fünf Brüder aus einer misslichen Lage befreit. Jetzt darf ich bei ihnen logieren.“

      Hermann schmunzelte. „Hätte Euch im Schloss Quartier angeboten, aber bleibt ruhig bei Euren Mönchen! Morgen Punkt sieben werdet Ihr abgeholt. Adieu bis morgen.“

      Wieder ein herzliches Händeschütteln. „Der Markgraf mag Euch“ stellte Busbeque fest, als sie draußen waren. Wollt Ihr ein Pferd?“

      „Nein.“

      „Wartet einen Augenblick!“ Busbeque bog ins erste Zimmer ab und kam gleich darauf mit einem Ledertäschchen zurück.

      „Der Brief kam vor zwei Monaten. Habe ihn verschlossen aufbewahrt, damit sich der Geruch nicht verliert. Feines Parfum. Ich wette, Ihr seid mit der Dame bekannt!“

      Breitenbrunn nahm den Brief und gab Busbeque das Täschchen zurück. „Kommt Ihr mit nach Regensburg?“

      „Habe nicht die Ehre. Muss die Stellung halten und dem hohen Herrn die Meldungen sichten und nachsenden. Wie wär´s mit drei Uhr im ´Güldenen Handschuh` am Hauptplatz?“

      Breitenbrunn versprach zu kommen. Wieder in der Kutsche öffnete er Mari-Carmens Brief ohne große Begeisterung. Da waren ihre zarte Handschrift und der feine Duft, den auch Busbeque bemerkt hatte. Sie hatte aus Granada geschrieben am zweiten September. „Mi querido Conrado. Wo bist Du? Ich denke jeden Tag an Dich!“

      Am zweiten September war er ausgeblutet und mit wehen Herzen im türkischen Lager gelegen und sie bei ihrem Ehemann oder Liebhaber. Falls er sich nach einer Frau gesehnt

      hatte – in seinem schlechten Zustand eher unwahrscheinlich – sicher nicht nach ihr, sondern nach ihrer Zofe Ursula, die ihr Bestes gegeben hatte, ihre Herrin zu vertreten. „Ein Arrangement, das alle drei Beteiligten zufrieden stellt“ hatte sein väterlicher Freund Julius Schönberger spitz kommentiert. Ursula war sehr hübsch, Mari-Carmen eine wirkliche Schönheit, aber von flatterhaftem Wesen und von Affären belastet. Letzteres hatte ihm allerdings Ursula zugesteckt und entsprach möglicher Weise nicht ganz der Wahrheit. Er steckte den Brief, der vermutlich Liebesbeteuerungen und charmante Anzüglichkeiten enthielt, ungelesen in die Tasche.

      Im Kloster gab es ein zweites Frühstück und Neuigkeiten von Bruder Immanuel und dem rabiaten Fuhrknecht. Ersterem ging es so gut, dass der Chirurg ihn am Morgen entlassen hatte, den rabiaten Knecht hatten die Büttel betrunken in einem Wirtshaus gestellt und abgeführt.

      Busbeque kam in Begleitung eines Fähnrichs, der sich für seine Aufdringlichkeit entschuldigte und als Gegenleistung die Bezahlung der Zeche anbot.

      .Das Gesicht kam Breitenbrunn vage bekannt vor und als er sich als Wilhelm Gottfried Morhaupt vorstellte, fiel der Groschen. Ein Morhaupt hatte in der Kompanie Hornbach gedient.

      „Mein Bruder“ sagte der Fähnrich. „Ich hatte gehofft, Ihr würdet mir Zeytung geben, wie er gestorben ist.

      „Er starb ehrenhaft, Fähnrich, als Hauptmann seiner Kompanie.“

      Der junge Mann errötete freudig. „Hauptmann ist er geworden! Aber unter welchen Umständen