Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel

Читать онлайн.
Название Die Stadt des Kaisers
Автор произведения Alfred Stabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742781260



Скачать книгу

aber ihn und die beiden anderen zum Nichtstun verdammten Fahrgäste. Auf halber Strecke entwand er dem Tölpel das Ruder und legte sich in die Riemen. Das spornte die übrigen an und der Kahn gewann rasch das andere Ufer. Auf dessen Seite stand kein Dorf, aber der

      Progroder hatte ihm die Lage eines Gehöfts beschrieben, dessen Bauer einen Reiseschlitten besaß. Er sah das Gehöft und stapfte mit der Truhe auf den Schultern los.

      Unter Apfelbäumen rannte ein Mädchen mit dem Besen zwei kleineren Buben hinterher, die sie mit Schneebällen bewarfen. Es erwischte einen, warf ihn zu Boden und bearbeitete mit den Borsten sein Gesicht. Der zweite kam von hinten dem schreienden Buben zu Hilfe und drosch mit den Fäusten auf das Mädchen ein. Gewandt packte sie seinen Arm und warf ihn mit Schwung zu Boden.

      "Kinder!" rief Breitenbrunn, "holt´s den Bauern heraus! Ich will ihm ein Geschäft vorschlagen!" "Hölfn´s ma!" schrie das Mädchen. Der Bruder hatte ihr den Besen aus der Hand gerissen und schritt nun seinerseits zur Attacke. Breitenbrunn stellte die Truhe ab und ging energisch auf die Kinder zu. "Schluss mit der Balgerei, holt´s euren Vater!"

      "Herr Vater, Herr Vater!" rief das Mädel und "blede Sau!", weil sie der Besenstiel am Kopf traf. Im darauffolgenden Gerangel kämpfte sie wie eine Löwin. Breitenbrunn schaute anerkennend zu, wie sie den einen Buben kopfüber in den Schnee schleuderte und den zweiten, der vor dem Walkürenzorn flüchten wollte, mit einem Sprung an den Beinen erwischte.

      Der aus dem Haus kommende Mann ignorierte das Gerangel, obwohl die Buben aus Leibeskräften plärrten.

      „Seid ihr der Alois Mattinger?“

      „Wos soll´s denn sein?“

      "Mir hat der Preininger Michel gesagt, dass Ihr einen Reiseschlitten gegen Geld verborgt und ich muss nach Linz." Wie erwartet, schüttelte der Bauer abweisend den Kopf. Mit Bauern Geschäfte machen, war eine öde Sache. Erst sagten sie nein, dann verlangten sie zu viel und wenn man streng mit ihnen redete, wurden sie störrisch.

      "Ist keine Reisezeit" sagte Mattinger „und überdies" - er starrte kopfschüttelnd in den tadellos blauen Himmel, "kommt Schlechtwetter."

      „Nicht vor Übermorgen“ sagte Breitenbrunn. „Morgen gegen Abend kann der Knecht mit dem Schlitten wieder daheim sein.“

      „Dann hat er mir den Gaul ruiniert.“

      „Dann lasst einen zweiten einspannen. Pferde brauchen Auslauf.“

      Mattinger machte ein Gesicht, als ob er das zum ersten Mal hörte.

      „Das kostet einiges dem Herrn. Januar ist keine Reisezeit.“

      Sie einigten sich auf zwei Pferde und sieben Gulden. Eine Viertelstunde später fuhr der Schlitten los. Bald wurde das Land flach und die Straße bot, abgesehen von einigen Verwehungen, die umfahren werden mussten, keine Hindernisse. Mit der Gewissheit, dass er noch am Abend in Linz sein würde, döste Breitenbrunn ein. Ein fester Ruck weckte ihn. Der Schlitten hatte abrupt angehalten, eins der Pferde war protestierend hochgestiegen. "Auf der Straß´n ist mir was verdächtig" erklärte der Knecht vom Kutschbock. "Letzte Woch´n haben sie hier einen überfallen!" Breitenbrunn stand auf, um über ihn drüber zu sehen. Die Straße verlief schnurgerade. In ziemlicher Entfernung - der Kutscher musste scharfe Augen haben - sah er dunkle Schemen im Schnee. Zu klein für Menschen, zu groß für Vögel oder anderes Getier. Er spannte die Pistolen und hieß den Knecht weiterfahren. Bald entpuppten sich die Schemen als Mönche in weißen Gewändern, schwarzen Beinkleidern und Schürzen. Einer lag reglos am Boden, vier saßen oder knieten bei ihm. "Zisterzienser vom Kloster Baumgartenberg" sagte der Kutscher. „Die schlimmsten Canaillen! Ich fahr besser weiter!"

      „Anhalten wirst du!“ bestimmte Breitenbrunn. Unwillig brachte der Knecht den Schlitten zum Stehen und Breitenbrunn stieg aus, um sich die Bescherung anzusehen. Die Mönche bluteten aus mehreren Wunden, einer hatte das Bein gebrochen, ein anderer den Arm, dem am Boden rann das Blut aus Ohr und Nase. Stockend schilderten sie, wie plötzlich Männer mit geschwärzten Gesichtern vor den Wagen gesprungen und den scheuenden Pferden Kapuzen übergeworfen hatten. Sodann hatte man sie herausgezerrt, ausgeplündert und mit Stöcken geschlagen, obwohl sie sich nicht wehrten.

      „Die waren aus der Gegend“ knurrte der Knecht „darauf kann der Herr getrost einen lassen! Mit den Baumgartenbergern haben viele eine Rechnung offen.“

      "Du anscheinend auch" sagte Breitenbrunn. "Wir nehmen sie trotzdem mit!"

      "Nix da" widersprach der Knecht. "Ist kein Platz für alle."

      "Wir schlichten sie hinein! Los, hilf mir mit dem Reglosen!"

      "Und wer wischt das Blut von den Polstern?"

      "Du, weil du ein Trinkgeld kriegst!"

      Trinkgeld war das Zauberwort. Gemeinsam hoben sie den Mönch vom Boden auf Breitenbrunns Truhe. Drei komplementierten sie auf die Sitzbank, die eigentlich für zwei gedacht war und den letzten, einen wohlbeleibten, jungen, wiesen sie an, sich mit angezogenen Beinen auf seine Brüder zu legen. "Niemals" sagte der Dicke, worauf ihn der Kutscher mit einem Stoß hinein beförderte. Die drei auf der Bank schrien wie am Spieß. "Not kennt kein Gebot" sagte Breitenbrunn philosophisch, "Wir müssen euch zum nächsten Bader bringen!"

      "Ich bitt Euch, nicht zu einem Bader!" sagte der Dicke. "Bringt uns nach Linz zum Chirurgen. Nach Linz wollten wir ohnehin."

      „Wir ebenfalls“ sagte Breitenbrunn. „Also los!“

      Die Schmerzensschreie auf der Bank wurden lauter, als die Pferde anzogen. „Bruder Andreas drückt meinem gebrochenen Arm" schrie ein Bedauernswerter. „Und mir mein armes Bein“ ein anderer.

      „Ihr müsst es ertragen, Brüder, damit euch geholfen wird“ beschwichtigte der Dicke, der auf ihnen wie eine Fliege auf der Butter schwamm.

      „Wie sind eure Namen?“ fragte Breitenbrunn, um sie abzulenken.

      „Mein Name ist Andreas und die unter mir zappeln heißen Kaspar, Melchior und Balthasar."

      "Kein Scherz?"

      "Kein Scherz. Wir finden es alle drollig. Deshalb will unser Prior sie beim Heiligendreikönigspiel im Stifthaus dabei haben."

      "Und wen spielt Ihr?"

      "Einen Ochsen " mischte sich der Knecht ein, "weil er groß und dick wie ein Rindvieh ist."

      „Was hast du gesagt?“ fragte der dicke Mönch in scharfem Ton.

      „Hast schon richtig gehört! Groß und dick wie ein Rindvieh bist du!“

      „Nun hört euch diesen Bauernlümmel an, Brüder! Zeigt keine Ehrfurcht vor den Dienern Gottes!"

      "Wahrscheinlich ist er ein Ketzer" mutmaßte Balthasar. "Was bist du, Lümmel? Lutheraner oder Calvinist?"

      "Was geht´s dich an, du Knecht der babylonischen Hure!“ fauchte der Knecht. „ Brech´ dir gleich den zweiten Arm, wenn du nicht ruhig bist!" Der Knecht drehte den Kopf und spuckte dem Balthasar ins Gesicht. „Lutherischer bin ich!“

      „Lass das Spucken sein!“ herrschte ihn Breitenbrunn an.

      Für einige Minuten blieb es im Schlitten ruhig, dann begannen sie hinten zu beten.

      In Anbetracht der Tatsache, dass sie von einem Glaubensfeind chauffiert wurden, weder taktvoll noch klug. Außerdem hatte sich definitiv einer angeschissen. Es stank bis nach vorne.

      „Sagt denen, sie sollen aufhören!“ verlangte der Knecht.

      „Ich kann doch Mönchen nicht das Beten verbieten!“

      „Dann tu ich es eben!“ Der Knecht wandte sich um. „Maul halten, römisches Drecksgesindel oder ich lass es krachen!“

      Von hinten kamen drohende Rufe.

      „Maria war eine Dirne!“ schrie der Knecht.

      Breitenbrunn packte ihn am Kragen und redete leise auf ihn ein. „Mach weiter so, Depp, und du stehst vor dem Richter. Und du weißt was Gotteslästerern geschieht. Die Zunge