Die Stadt des Kaisers. Alfred Stabel

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Название Die Stadt des Kaisers
Автор произведения Alfred Stabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742781260



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du für einer bist!“

      Der Knecht nahm einen tiefen Zug aus einer Schnapsflasche.

      "Ich werd´s Maul halten, ich versprech´s." Er rülpste laut und reckte zwei Finger zum Schwur.

      "Was tut der Ketzer jetzt?" wollten sie hinten wissen.

      "Er zeigt Reue."

      "Dann wollen wir um sein Seelenheil beten."

      "Wartet noch!" sagte Breitenbrunn hastig. "Erst möchte ich von jedem hochverehrten Bruder Bescheid, wie es ihm geht, ob die Schmerzen erträglich sind und er bis Linz durchhält. Und will er ins Spital oder ins Kloster gebracht werden?"

      Sie berieten sich. Andreas wollte ins Stifthaus, die anderen zum Chirurgen. Bruder Immanuel hatte die Augen aufgemacht und ein paar Wörter gesprochen. Mit Gottes Hilfe würde auch er den Tag überstehen. Zur Linzer Brücke waren es noch anderthalb Stunden.

      "Wir wissen Eure Fürsorge zu schätzen" sagte Andreas "und wollen deshalb die Einladung aussprechen, den Herrn in unserem Haus frei zu halten, solange er für seine Geschäfte in Linz braucht.“

      Breitenbrunn nahm an. Das Essen bei den Brüdern war sicherlich gut und über die frommen Sprüche konnte man hinweg hören.

      "Ich war schon einmal Gast Eures Ordens" erzählte er, um das Gespräch in Gang zu halten. „Im ungarischen Raab.“

      "Dort seid Ihr sicher vorzüglich traktiert worden."

      "Vorzüglichst!" In Wahrheit war der Aufenthalt sehr unerfreulich gewesen. Beim Abendessen gab es Streit mit dem Abt, weil er schlecht über die kaiserlichen Soldaten redete. Und am nächsten Morgen hatten sie ihn beschuldigt, eine Marienstatue zerbrochen zu haben. Die wahren Übeltäter, seine Freunde Beck und Radlberger, hatten es amüsant gefunden. "Passt zu dir, dass du eine Marienstatue umschmeißt!" Später war ihnen das Lachen beim Lesen des neuen Dienstreglements vergangen. Alles in allem war es aber ein sehr guter Tag gewesen. Am Vormittag kam aus heiterem Himmel seine Beförderung zum Obrist Wachtmeister und mittags kommandierte er bereits die fünf Kompanien Württemberger.

      Unter Glöckchengebimmel überholten sie ein auf Kufen gestelltes Fuhrwerk mit jungen Frauen, die Scherze herüber riefen, bis sie die Bescherung im Fonds sahen. Breitenbrunn hatte keine Ahnung, welchen Reim sie sich auf die blutigen Mönche machten. Jedenfalls schlugen sie das Kreuzzeichen, als der Schlitten an ihnen vorbei fuhr und die Zisterzienser bekreuzigten sich ebenfalls, sofern sie dazu in der Lage waren. Wer da vor wem mehr Angst hatte? Nur noch eine Stunde bis Linz. Die Sonne schien, der Knecht ließ die Pferde laufen und die Mönche tuschelten miteinander. Alles in bester Ordnung. Breitenbrunn sank das Kinn zur Brust und binnen kurzem schlief er so fest, dass er das Aufflammen des Religionskrieges nicht mitbekam. Erst Gotteslästerliches Fluchen weckte ihn. Der nichtsnutzige Knecht hatte angehalten und schwang die Peitsche über dem Fonds.

      "Ave Maria, gratia plena" sangen die verängstigten Mönche. "Ave Dominus, Dominus tecum."

      „Her mit der Peitsche!“ schrie Breitenbrunn. Zu spät! Der Riemen zeichnete eine rote Strieme auf die Stirn von Bruder Andreas.

      Breitenbrunn drückte den Arm mit der Peitsche herunter. Seine freie Hand packte das Handgelenk, worauf ihm der Knecht den Ellbogen gegen die Brust stieß. Ringend stürzten sie vom Kutschbock in den Schnee. „Verprügelt ihn ordentlich!“ rief Andreas aus dem Wagen gebeugt. Das war leichter gesagt als getan. Für einen Hageren verfügte der Knecht über erstaunliche Kraft. Sie wälzten sich im Schnee, bis Breitenbrunn einen Faustschlag gegen sein Kinn gelang, der ihn schlaff machte. Mit dem Stilett aus seinem Stiefel schnitt er einen Armlangen Streifen vom Riemen und band dem Verrückten unter dem Jubel der Mönche die Hände zusammen. Bei der Rauferei war Breitenbrunn die Oberlippe geplatzt.

      „Ihr habt Euer Blut für unseren Glauben gegeben“ jubelte Andreas. Breitenbrunn stieß den Knecht, der wieder zu sich gekommen war, auf den Kutschbock und nahm selbst die Zügel. „Lasst den Ketzer doch zurück!“ schlug Melchior vor.

      „Einer muss den Schlitten zurückbringen!“

      „Der hier wird es nicht tun!“ sagte Melchior in unheilschwangerem Ton.

      Breitenbrunn lenkte nun. Der Knecht saß wortlos neben ihm und hielt auch das Maul, als sie hinten ein ´Herrgott, Dich loben wir´ anstimmten. Vor der Linzer Brücke schnitt er ihm die Fesseln durch. „Halt ja still, sonst übergeb ich dich der Wache!“ Auch die Mönche hieß er besser schweigen, wenn sie rasch zum Chirurgen wollten.

      Der Soldat am Wachhaus zog eine finstere Miene, als er die blutigen Mönche sah und rief den Korporal herbei. Breitenbrunn wies auf seine Offiziersschärpe und nach einem kurzen scharfen Gespräch fuhren sie weiter.

      "Danke dem Herrn!" sagte der Knecht, der wohl verstanden hatte, dass er knapp einer Verhaftung entgangen war, mit leiser Stimme.

      „Wenn die Fuhre fertig ist, haust du sofort ab aus Linz! Hörst du?"

      Der Kerl hatte den Ärger mit einem blauen Auge und einer schiefen Nase bezahlt. Mehr brauchte es nicht.

      Eine Viertelstunde später fand die denkwürdige Fahrt mit fünf zerschlagenen Mönchen und einem rabiaten Knecht ein Ende.

      Am nächsten Tag wurde Breitenbrunn in der Prälatenkutsche durch Linz chauffiert. Fußgänger, Reiter und Kutscher machten Platz und beugten die Köpfe vor dem geistlichen Herren, der, die Krempe ins Gesicht gezogen, freundlich durch die beschlagenen Fenster winkte. Wenn ihm die Lust ankam, hielt er die rechte Hand mit drei gestreckten Fingern hoch und dann sank, wer konnte, beglückt auf die Knie, weil er unerwartet und ohne reinigende Beichte die Segnung empfangen hatte. Bald fragte sich der Kutscher am Bock, was in die Leute gefahren war, dass sie gar so freundlich grüßten und später, warum es plötzlich aufhörte. Beim Blick auf das kaiserliche Schloss, das wie eine Zwingburg auf einem Felsen über der Donau thronte, war Breitenbrunn die Lust auf Schabernack vergangen. In Kürze würde er dem mächtigen Kriegsminister Hermann von Baden gegenüber stehen, einem Mann, von dem er nur Schlechtes gehört hatte. Und den musste er für seine Pläne gewinnen und nebenbei überzeugen, dass er sich ein Regiment verdient hatte. Eine harte Nuss, die er da zu knacken hatte!

      Der Wagen fuhr durch eine zwei Geschosse hohe Einfahrt an der ersten Wache vorbei in den Burghof. Als der Kutscher den Verschlag öffnete, grüßte der herbeigeeilte Wachkorporal mit einer tiefen Verbeugung und einem „Gelobt sei Jesus Christus“.

      „In Ewigkeit Amen“ antwortete Breitenbrunn beim Aussteigen.

      „Himmelherrgott!“ schimpfte der Korporal, als er seinen Irrtum bemerkte. „Wer seid Ihr denn?“

      „Du sollst Gott nicht lästern, mein Sohn!“ grinste Breitenbrunn „und von nun an jeden vor der Einfahrt nach dem Begehr fragen und nicht erst im Hof! Übergib diese zwei Schreiben dem Adjutanten des Herrn Markgrafen und melde, dass Obrist Konrad von Breitenbrunn um ein Gespräch bittet! Eil dich!“

      Mit hochrotem Gesicht schickte der Korporal einen Soldaten mit den Schreiben voraus und bat Breitenbrunn mitzukommen.

      Weil es leicht regnete, gingen sie unter den Arkaden zur Nordwestecke des Hofes, passierten zwei Soldaten mit aufgepflanzten Hellebarden, stiegen in den zweiten Stock, gingen an einer leer stehenden Trabantenstube vorbei und hielten vor einer breiten Tür, die sich nach kurzem Klopfen öffnete.

      „Ist es möglich!“ rief ein junger Mann in badischer Hauptmannsuniform. Sein gerötetes Gesicht kam Breitenbrunn bekannt vor, doch wusste er nicht, wo er es hintun sollte.

      „Ist es möglich!“ rief der Hauptmann ein zweites Mal. „Seid Ihr es wirklich? Ich konnte es nicht glauben, als ich Euren Namen hörte.“

      „Ich bin´s“ sagte Breitenbrunn „und ich kenne Euch auch, obwohl mir nicht einfallen will, wann und wo wir uns getroffen haben!“

      „In Raab, Baron, in Raab! Dort sind wir miteinander im Wirtshaus gesessen. Euer Kommandant hat von Magdeburg erzählt und Ihr und Euer Freund Scherzgedichte gemacht. Ich saß am Nachbartisch. Henry de Busbeque mein Name.“

      „Natürlich. Ich erinnere