Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738039832



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denn sie hatten genug damit zu tun, einigermaßen geradeaus in die Kajüte zu kommen. Als alle an Bord waren, löste Marbuk die Trosse und stieß das Boot von der Reede ab. Dann zog er das kleine Segel auf, bei diesem Wind war es groß genug und ließ das Boot auf die offene See treiben.

      Kaum hatten sie das verhältnismäßig ruhige Wasser des Hafens verlassen, begann das Elend. Solvyn und Freno waren die Ersten, die seekrank wurden. Um ein größeres Malheur unter Deck zu vermeiden, gingen sie nach draußen. Aber bei dem Auf und Ab des Horizontes wurde ihr Zustand nicht besser. Vielleicht brachte die frische Luft Linderung, aber einen Unterschied zu erkennen, ließ ihr Befinden nicht zu.

      Das Boot rollte und schlingerte und obwohl es nicht regnete, warf die Gischt so viel Wasser über Deck, dass die Passagiere und der Skipper bald genauso nass waren wie nach einem heftigen Regenguss.

      Während Marbuk zusah, wie sich immer mehr seiner Gäste an Deck versammelten, hielt er schmunzelnd und unbeeindruckt vom Wetter sein Boot auf Kurs. Mehr als einmal wiederholte er seine Aufforderung, sich gut festzuhalten, denn bei dieser See würde es nicht leicht sein, jemanden wieder an Bord zu holen, der ins Wasser gefallen war.

      Von Land her war die Insel Kaphreigh kaum mehr als ein dünner, grauer Streifen am Horizont und nur an sehr klaren Tagen konnte man die Berge auf ihr erkennen. Dieser Tag jedoch war kein klarer Tag und nicht einmal der Streifen war in der diesigen Luft aufgewirbelten Wassers zu sehen. Aber im Laufe des Vormittags zeichnete sich ihr Ziel immer deutlicher ab. Tjerulf, dem es von allen noch am besten ging, bewunderte die Fähigkeit Marbuks, bei diesem Wetter so zielsicher Kurs zu halten. Am Morgen hatte er sich schon gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, die wenigen Tage abzuwarten, bis der Sturm sich legte, aber sich dann doch entschieden, seine Einwände für sich zu behalten. Wenn Marbuk kein Selbstmörder war und unter diesen Umständen bereit, in See zu stechen, dann würde eine Überfahrt wohl möglich sein. Der Tar hatte auf ihn den Eindruck eines erfahrenen Seebären gemacht, der wohl wusste, was er tat, und dem man vertrauen konnte.

      Meneas Rat und Vermutung waren richtig gewesen, nämlich die Vermutung, dass keiner auf der Überfahrt etwas essen würde, und der Rat, nicht allzu viel zu frühstücken. Allen, die ihn nicht befolgt hatten, also Freno und Anuim, schien es außer Solvyn noch ein wenig schlechter zu gehen als den anderen. Und das Boot des Elends setzte unbeirrt seinen Kurs fort.

      Dann schlug das Schicksal zu. Eine beachtliche Welle schlug über sie hinweg und alle hielten sich unwillkürlich an Seilen und Haken und was immer sie zu fassen bekamen fest. Aber als sie vorüber war, fehlte Anuim. Kurz vorher hatte er sich in einem neuen Übelkeitsanfall über die Reling gebeugt und der Brecher hatte ihn in die See gerissen.

      Marbuk vollführte geistesgegenwärtig eine halsbrecherische Wende, die durch die Beweglichkeit des kleinen Bootes erleichtert wurde. Tjerulf sprang auf und riss eines der Seile aus seiner Tasche, die sie in Sprotthausen gekauft hatten. Mit einer Hand an einem der Taue, die den Masten hielten, blickte er suchend auf die aufgewühlte See.

      „Dort!“, rief Marbuk.

      Gar nicht so weit entfernt von dem Boot sahen sie wild um sich schlagende Arme. Wenn Tjerulf gut traf, konnte er Anuim noch erreichen. Hoffentlich bemerkte er, dass sie das Seil nach ihm auswarfen. Der erste Wurf ging jedoch fehl, weil eine Sturmböe das Seil erfasste, und endete ein unerreichbares Stück entfernt von Anuim. Beim zweiten Mal hatte Tjerulf mehr Glück, und sicher auch Anuim. Das Seilende traf ihn genau ins Gesicht. Hastig griff er danach und Tjerulf und Meneas zogen ihn zurück an Bord. Prustend und erschöpft lag er auf den Planken. Er war etwas benommen und es dauerte eine Weile, bis er sich erholte.

      Die anderen kümmerten sich um ihn.

      „Haltet euch gut fest!“, ermahnte Marbuk sie nochmals. „Besser ihr geht unter Deck!“ Dann schwankte er zu seinem Ruder zurück.

      Natürlich ging keiner unter Deck. Aber von nun an beherzigten sie seinen Ratschlag umso verbissener.

      „Hast du es geahnt!?“, fragte Valea, mit ihrer Stimme gegen den Sturm ankämpfend.

      „Was!?“, rief Tjerulf zurück.

      „Dass wir das Seil hier brauchen!“

      Er schüttelte mit dem Kopf und lächelte.

      „Nicht hier!“

      Kaphreigh wurde größer. Über dem grauen Band wuchsen die Berge empor und das Grau wurde zu einem gelben Streifen von Sand und Felsen und darüber zu einem grünen Streifen von Gras und Sträuchern. Die Berge waren nicht sehr hoch und je näher sie kamen, desto deutlicher wurde, dass sie vollkommen von Wald bewachsen waren. Von Kerlon und Ithlor fehlte jede Spur, aber das hatten sie nicht anders erwartet. Sie waren sicher, dass die beiden von irgendeiner geschützten Stelle die Annäherung des Bootes beobachteten. Dass sie Dragur nicht entdecken konnten, bedeutete gar nichts.

      Je näher sie der Insel kamen, desto ruhiger wurde das Wasser und desto leichter fiel Marbuk die Steuerung des Bootes. Er lenkte es in eine kleine Bucht an der Westseite und warf im flachen Wasser Anker. Von drei Seiten geschützt, war nur noch eine mäßige Brise zu spüren und das Boot dümpelte leicht in den flachen Wellen.

      „Da wären wir“, meinte Marbuk gleichmütig. „Den Rest müsst ihr zu Fuß zurücklegen. Ich habe kein Ruderboot dabei.“

      Die Gesichter seiner Fahrgäste besaßen zwar immer noch eine mehr oder weniger ungesunde Farbe, aber die Ersten begannen, sich schon wieder zu erholen.

      Während Anuim, dem es schon wieder recht gut ging und der seinen Schrecken allmählich überwunden hatte, und Freno ins Wasser sprangen und sich von den anderen die ersten Stücke ihrer Ausrüstung geben ließen, um sie an Land zu tragen, gab Meneas Marbuk den ersten Teil seines Lohnes.

      „Hier sind achtundzwanzig Baant“, sagte er. „Damit haben wir und Ihr die erste Hälfte unserer Abmachung erfüllt.“

      Marbuk zählte nach und steckte das Geld ein.

      „Ich werde hier auf euch warten“, versprach er. „Um zurückzufahren, ist es zu weit, außerdem ist es schon spät. Viel Glück bei dem, was ihr vorhabt.“

      „Danke, das werden wir brauchen.“

      Meneas war der Letzte, der von Bord ging. Das Wasser ging ihm bis über die Hüfte und es war kalt. Mit seinem Bündel über dem Kopf ging er an Land.

      „... wenn wir uns da `mal keine Erkältung holen“, hörte er die ärgerlichen Worte Valeas.

      „Wir hätten uns eine Flasche mit ordentlichem Schnaps mitnehmen sollen“, meinte Freno.

      „Denkst du da an etwas Bestimmtes?“

      „Sicher doch. Erinnerst du dich noch an das Teufelszeug von Terkull Topf. Davon der Stärkste, das wäre jetzt genau das Richtige.“

      „Leider haben wir das, was noch übrig war, in Everbrück zurückgelassen“, sagte Meneas lächelnd. „Aber vielleicht tut es ein vernünftiges Lagerfeuer auch.“

      Sie gingen den Strand hinauf und schlugen sich in die Büsche.

      An diesem Tag war es schon spät und sie wollten sich nur noch einen geeigneten Lagerplatz suchen. Kichernd stellte Solvyn fest, dass sie alle einen komisch unsicheren Gang hatten. Das war auch nicht verwunderlich, nach dem schlimmsten Segeltörn, den sie je gemacht hatten. Für einige war er der Erste, aber für alle blieb er unvergesslich. [Als sie Orlis später davon berichteten, konnte er sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen. Für ihn wäre diese Überfahrt schlimmer gewesen als der Tod. Aber sie erfuhren gegen seinen Willen, dass er auf seine Weise mit ihnen gelitten hatte].

      2. Alben Surs Erkenntnis

      „Das ist furchtbar! Alles ist furchtbar“, murmelte Alben Sur und starrte sorgenvoll aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. „Wie soll die Geschichte nur enden? Und anscheinend geht sie zu Ende.“

      Er hatte die Arme hinter seinem Rücken verschränkt. Sein Blick war jedoch nach innen gerichtet. Die tropischen Korallen