PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters. Andreas Bulgaropulos

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Название PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738030488



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      Da ein paar hundert Meter für kleine Kobolde eine ordentliche Strecke darstellten, gelangten sie erst einige Zeit später an die Stelle, wo ein Pfad von der Straße nach oben zur Höhle abzweigte. Mittlerweile hatte sich die Dunkelheit vollends über das Waldgebiet gesenkt. Die vier Freunde bekamen deshalb einen gehörigen Schreck, als sie am Beginn des Pfades eine große Gestalt stehen sahen, die eine Fackel entzündete und damit in beide Richtungen der Straße leuchtete. Pennyflax zog vorsichtshalber seine Zwille, dann näherten sie sich der Gestalt. Es handelte sich um einen Mann mit Umhang, Vollbart und Schlapphut plus Feder, der nach etwas Ausschau zu halten schien.

      Schließlich gerieten die vier in den Fackelschein, und der Mann bemerkte sie. Er entpuppte sich als riesiger Kerl, der sowohl schwere Stiefel als auch eine Augenklappe trug und dessen Nase wie eine Gurke aus seinem Gesicht ragte. Vor allem aber die Narbe auf der rechten Wange verlieh ihm ein unheimliches Aussehen, was durch den Fackelschein noch verstärkt wurde.

      »Psst …«, zischte der Mann und raunte mit einer tiefen Stimme: »Sind sie weg?«

      »Wen meinst du denn?«, erkundigte sich Pennyflax und hielt Fauch fest, der den Fremden böse anfauchte.

      »Na, die Elfenpatrouille, Kleiner. Ihr seid den beiden doch begegnet, oder?«

      Pennyflax kratzte sich am Kopf. »Woher weißte denn das? Biste vielleicht so was wie ein … dings, äh … Wahrsager, der den Leuten die Vergangenheit voraussagt?«

      Das Lachen des Mannes rasselte wie ein Sack voller Nägel. »Ich bin ganz bestimmt kein Wahrsager, Kleiner! Die letzten Jahre habe ich nämlich meistens die Unwahrheit gesagt. Nee, ich habe nur vorhin zufälligerweise eure Unterhaltung mit den Langohren aufgeschnappt und finde es mal wieder typisch von den Elfenherrschaften, wie sie die Meinung anderer Leute ignorieren.«

      Shirah zupfte Pennyflax an der Jacke und flüsterte: »Wieso ignorieren?«

      Bevor der Kobold antworten konnte, erklärte der Mann mit seiner tiefen Kratzstimme: »Weil ignorieren ›nicht beachten‹ bedeutet, kleine Dame, denn genau das ist die Art, wie die Elfen uns andere Rassen behandeln. Sie beachten uns meist nicht, weil sie zu eingebildet sind und die Nase in den Wolken haben. Ich aber glaube euch, wenn ihr sagt, dass Sulferion einen Krieg anzetteln will. Und deshalb hätte ich da ein Angebot für euch.« Der hünenhafte Mann zog seinen Umhang wegen des Regens fester um sich, schaute verstohlen in alle Richtungen und raunte: »Ich kann euch auf meiner Kutsche nach Viancáru mitnehmen, wenn ihr mir dafür einen kleinen Gefallen tut.«

      Erst jetzt bemerkte Pennyflax ein Pferdegespann im äußeren Bereich des Fackelscheins, das zwischen den Bäumen auf jenem Pfad abgestellt war, der zur Höhle hoch führte. Ohne auf das Angebot des Hünen einzugehen, nickte er zu dem Unterschlupf hin. »Wir wollten eigentlich dort oben übernachten.«

      »Davon kann ich euch nur abraten«, brummte der Mann und musste lautstark niesen. »In dieser Höhle haust Diebesgesindel … die nehmen euch aus wie Weihnachtsgänse an Ostern!«

      »Und um welchen Gefallen geht es, Kamerrrad?«, schnarrte Minky und zog seinen Rotzfaden hoch. »Was verlangst du fürrrs Mitnehmen nach Viancáru?«

      »Ihr müsst so tun, als ob meine Kutsche euch gehört und ihr Händler seid, wenn wir Elfenpatrouillen begegnen oder an ihren Kontrollstationen vorbeikommen«, erklärte der Mann überfreundlich und lächelte. Dabei entblößte er sein schlechtes Gebiss, in dem ein Goldzahn aufblinkte.

      »Wozu brauchst du UNS denn dafür?«, wunderte sich Shirah. »Kannst doch selbst behaupten, ein Händler oder Füßler zu sein.«

      Noch immer lächelte der Mann, und seine Reibeisenstimme rasselte: »Das wird schlecht gehen, denn ICH muss mich im Falle einer Kontrolle ja in der Kutsche verstecken. Ihr solltet euch allerdings schnell entscheiden, denn bei dem Sauwetter mache ich jeden Moment die Fliege.«

      Pennyflax überlegte. Er traute diesem zwielichtigen Kerl keinen Funken über den Weg. Außerdem zupfte Shirah ein weiteres Mal an seiner Jacke und flüsterte ihm ins Ohr:

      »Sollten uns ihm auf keinen Fall anschließen! Ich glaube, der ist ein Mensch. Und vor Menschen hat mich Meister Snagglemint gewarnt … die können ganz schön fies sein!«

      Doch andererseits sah Pennyflax keine Möglichkeit, Viancáru zu erreichen, ohne dass ihnen die Zeit davonrannte. Und weil er auch an die Garstinger dachte, die sich auf ihn verließen, stand sein Entschluss nach einigen Sekunden fest. »Abgedingst. Wir flunkern die Elfen an und du bringst uns nach Viancáru. Aber nur, wenn mein Drachling mitkommen darf.«

      »Einverstanden, ihr werdet es bestimmt nicht bereuen«, freute sich der Mann und brummte: »Mein Name ist übrigens Rotte Rübennase. So, und jetzt sollten wir hier verschwinden, denn mir läuft schon das Wasser hinter die Augenklappe.«

      Während Pennyflax, Shirah und Minky im strömenden Regen auf der Straße warteten und sich berieten, welche Konsequenzen das Anlügen der Elfen haben mochte, stiefelte Rotte Rübennase den Pfad bis zu seiner Kutsche hoch und schwang sich auf den Kutschbock. Mit seiner Fackel entzündete er eine Laterne an der Überdachung des Bocks, ergriff die Zügel und schnalzte mit der Zunge. Die zwei Pferde schnaubten, so dass man ihren Atem sah, und das Gespann setzte sich in Bewegung. Nachdem die Kutsche an einer Stelle fast im Matsch stecken geblieben war, rumpelte sie hinunter auf die Steinplatten der Straße und hielt klappernd an.

      Rotte winkte den Freunden und rief: »Klettert hinten die Leiter rauf. Drinnen im Wagen liegen ein paar Kleiderbündel, da könnt ihr euch drauflegen und ’ne Runde ratzen. Ich wecke euch im Ernstfall. Und falls ich unterwegs anhalte und ihr seltsame Gestalten auf der Straße seht, macht euch keine Gedanken … das sind nur Geschäftspartner von mir, die ich vor dem drohenden Krieg warnen muss.«

      Pennyflax gab Fauch die Anweisung, in die Kutsche hinein zu flattern, die einem Holzkasten mit Fenstern und abgerundetem Dach ähnelte. Anschließend kletterte er mit Shirah und Minky die Trittleiter hoch und gelangte durch eine Tür in das Innere des Wagens, wo sich etliche Bündel der verschiedensten Kleidungsstücke stapelten. Außer den Bündeln, die wie eine Sammlung Altkleider wirkten, waren ein Tisch und zwei Stühle in der Mitte platziert, die jedoch wegen ihrer Größe kein Kobold benutzen konnte. Selbst Minky, der seine Gefährten um zwei Köpfe überragte, hätte nur mit Mühe einen Stuhl erklimmen können. Doch die vier machten es sich, wie von Rotte empfohlen, auf den Bündeln bequem und waren letztendlich froh, im Trockenen zu sitzen und sich trotzdem auf ihr Ziel zuzubewegen. Vor allem Fauch, der eine tiefe Abneigung gegen das Herbstwetter hegte, knabberte zufrieden an einem Feuerstein.

      Eine Stunde später, nachdem sie ihre restlichen Vorräte gegessen und über die Vertrauenswürdigkeit von Rübennase getuschelt hatten, wurden ihre Augenlider schwer. Und ehe sie sich versahen, lullte sie das Klackern der Pferdehufe und das Prasseln des Regens in den Schlaf.

      ***

      Mitten in der Nacht erwachte Pennyflax durch das Halten der Kutsche und einen Ruf von draußen. Scheinbar hatte es aufgehört zu schütten, denn nur noch der Wind pfiff um den Wagen herum. Als erneut Stimmen zu hören waren, wälzte er sich zum runden Fenster hinüber und linste nach draußen, wo er Rotte Rübennase im Schein der Laterne mit einem anderen Mann sprechen sah. Dieser andere Kerl war ebenfalls ein Mensch und sah sogar noch wilder als der hünenhafte Rotte aus, denn er war im Gesicht tätowiert, trug Ohr- und Nasenringe und hatte keinen einzigen Zahn mehr im Mund. Der Tätowierte erhielt von Rübennase eine Schriftrolle, verschwand damit im Wald und kehrte nach fünf Minuten mit einer Schatulle aus Metall zurück, die er Rübennase überreichte.

      Pennyflax erschrak, als Shirah neben ihn krabbelte und flüsterte: »Ist jetzt schon das dritte Mal, dass wir anhalten. Und jedes Mal gab Rotte einem Fremdling so ’ne Schriftrolle und bekam dafür ein Metallkästchen.« Die Koboldin deutete durch das Fenster und zischte: »Achtung, er kommt! Tu so, als ob du schläfst!«

      Kaum hatten sie sich hingelegt, öffnete sich vorne der Verschlag am Kutschbock und Rübennase stellte die eben erhaltene Schatulle in den Innenraum der Kutsche zu zwei anderen Kästchen. Er ließ seinen Blick über seine Mitreisenden gleiten, und nachdem er zu der Überzeugung gekommen