PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters. Andreas Bulgaropulos

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Название PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738030488



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hinein rumpelte. Rotte Rübennase musste seine Pferde immer wieder beruhigen, da die Tiere nicht nur die Gefahr durch die Halbriesen, die Grelgins witterten, sondern mit ihren Hufen an den Knochensplittern oder Schlingpflanzen hängen blieben, die den Boden bedeckten. Beinahe jeder Meter des Untergrunds war mit den Splitterstückchen übersät, die teils so fein waren, dass der Herbstwind sie zu Staubwolken aufwirbelte. Weil jedoch kein nennenswerter Pfad durch das Tal existierte, fuhr der Mann mit der Augenklappe und dem Federhut stur Richtung Osten und wich den Hindernissen aus.

      Die Sonne stand inzwischen auf ihrer Mittagsposition und strahlte schräg vom blauen Oktoberhimmel herab. Pennyflax hockte mit Shirah und einem vor Angst schlotternden Minky auf dem Kutschbock und bestaunte die Überreste der Titanen, die rechts und links von ihnen aufragten. Laut Rotte hatten jene Riesen vor Urzeiten das Fossiliental bevölkert, doch der Kobold fragte sich, wie die viel kleineren Grelgins, die heute hier lebten, es geschafft haben mochten, ihre riesigen Brüder angeblich aufzufressen. Denn wie gigantisch die Riesen gewesen waren, konnten die Freunde erahnen, als sie den Brustkasten eines Gerippes durchquerten und angesichts des dreißig Meter hohen Knochentunnels ihre Köpfe in den Nacken legen mussten.

      Nur Fauch schien sich nicht zu fürchten. Der Drachling flatterte vergnügt neben der Kutsche her, trainierte seinen Feueratem und machte sich einen Spaß daraus, die großen Vögel aufzuscheuchen, die auf den Knochen gelandet waren, um die Reisegruppe zu beäugen.

      Pennyflax fand, dass die Tiere ziemlich listig und durchtrieben wirkten, mit ihren langen Hälsen, dem schwarzweißen Gefieder und den Hakenschnäbeln. Er deutete auf die Vögel und fragte Rübennase: »Was sind denn das für Federviecher?«

      »Das sind Pleitegeier«, schnaufte Rotte und hatte alle Hände voll damit zu tun, die Kutsche um eine Grube herum zu manövrieren. Scheinbar handelte es sich um eine Fallgrube der Grelgins, die mit Ästen getarnt war und an deren Grund Stacheln in die Höhe ragten. Nachdem er die Pferde wieder unter Kontrolle hatte, verteilte er einige Silberstücke an die Freunde und erklärte: »Ist aber gut, dass du mich dran erinnerst, Kleiner. Die Pleitegeier greifen nämlich nur an, wenn sie leere Geldbörsen wittern.«

      Verzwurbeldingst!, dachte sich Pennyflax. Der nennt mich schon wieder ›Kleiner‹. Damit das nicht zur Gewohnheit wurde, konterte er: »Klarifari, großer Lulatsch. Bin doch gerne behilflich.« Und zur Abschreckung zählte er Rübennase die Spitznamen auf, die ihm sonst noch für ihn einfielen. »Könnte dich auch Einauge nennen. Oder Federmützchen. Oder Hutständer. Oder wie wär’s mit formidables Vollbartbäckchen. Oder kuscheliger Altkleider-Kutscher. Oder gurkennäsiger Nasenknotterich, oder …«

      »Schon gut!«, fauchte Rübennase. »Ich hab’s verstanden! Ab jetzt nenne ich dich beim Namen. Aber nur, wenn du deinem Drachling befiehlst, die Pleitegeier in Ruhe zu lassen. Sollten die Grelgins nämlich das Vogelgeschrei hören, haben wir sie schneller an der Backe, als wir ›Halbriesen lieben Kobold-Ragout‹ sagen können.«

      »Abgedingst«, gluckste Pennyflax und pfiff nach Fauch, der jedoch nicht daran dachte, mit der Geierjagd aufzuhören. Er pfiff zwei weitere Male, ermahnte Fauch mit gespielter Ernsthaftigkeit und wurde schließlich von Minky angerempelt.

      »Psst! Rrruhe!«, schnarrte der Rotzling, der längst seinen Regenmantel abgelegt und gegen eine bunte Flickenjacke aus Rottes Altkleiderbündeln eingetauscht hatte. »Da ist ein Geräusch, das sich nach ’nem Stöhnen anhörrrt!«

      Shirah unterbrach ihre Haarpflege, bei der sie Harz in ihre Zöpfe schmierte, um sie zum Abstehen zu bringen. »Ja, jetzt höre ich’s auch! Klingt noch fieser als das Grunzen eines Trolls … und ist gar nicht so weit weg!«

      »Könnte der Wind sein, der in den vermaledeiten Knochen heult«, vermutete Pennyflax, zückte aber zur Sicherheit seine Zwille.

      »Das ist nicht der Wind«, knurrte Rübennase finster. »Das ist ein Grelgin! Jetzt wird’s ernst, Leute!« Der Hüne packte die Zügel fester und ließ die Pferde Tempo aufnehmen. Er steuerte die Kutsche nach rechts über eine Anhöhe, da er das Stöhnen links vermutete, wo ein baumdicker Armknochen die Sicht blockierte. Als er jedoch über die Hügelkuppe preschte, wurde das Stöhnen und Grunzen lauter, und das rechte Auge von Rotte Rübennase weitete sich: Unter ihm, am Fuß des Hügels, lag ein Riesenschädel von der Größe eines Hauses zur Hälfte im Sand vergraben. Doch daneben stand ein muskelbepacktes, zweiköpfiges Monstrum, das nur einen Lendenschurz trug, mit dem Fuß im Gebiss des Schädels feststeckte und vor Schmerz stöhnte.

      In dem Moment, als die Kutsche den Hügel hinab schoss und Rotte die Pferde nicht mehr kontrollieren konnte, wurde der vier Meter große Grelgin auf das Gespann aufmerksam. Die beiden haarlosen Köpfe des Halbriesen fuhren herum, sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, und er stieß ein markerschütterndes Brüllen aus, das sämtliche Pleitegeier aufscheuchte.

      Doch auch die Pferde bekamen Todesangst. Sie brachen aus und zogen die Kutsche in eine so plötzliche Kurve, dass die Räder auf der linken Seite vom Sandboden abhoben. Noch während Pennyflax, Shirah und Minky aufschrien, kippte der Wagen um und alle Insassen purzelten heraus.

      Die vier Gefährten kullerten den Hang hinunter, genau auf den Grelgin zu. Sie überschlugen sich etliche Male, wirbelten kiloweise Knochenstaub auf und blieben nur wenige Meter vor dem Monstrum liegen. Durch sein Gewicht war Rübennase am weitesten gerollt und befand sich somit in nächster Nähe zu der zweiköpfigen Kreatur, die vor Wut kochte und wie ein Baum vor ihm aufragte.

      Der Grelgin erblickte den Mensch am Boden und versuchte, den lästigen Wurm mit seinem rechten Fuß zu zermalmen. Weil sein linker Fuß aber im Gebiss des Riesenschädels feststeckte, glichen seine Bemühungen einem Hüpfen, welches ziemlich komisch wirkte. Das ärgerte den Halbriesen noch mehr. Rasend vor Zorn brüllten seine beiden Köpfe auf, und er griff nach einer Wurzelkeule, die bis jetzt an dem Schädel gelehnt hatte. Eine Keule, die fast so groß war, wie er selbst.

      Rübennase stand noch unter Schock und bemerkte gar nicht, wie ihm der Sand aus der Augenklappe rieselte. Er konnte nur zu dem Muskelberg hinauf starren, dessen Stampfen den Boden erzittern ließ. Als er jedoch die riesige Keule auf sich herab rauschen sah, kam er augenblicklich auf die Beine. »DECKUNG!«, schrie er und hechtete in letzter Sekunde zur Seite. Das rettete ihm das Leben, denn die Wurzelkeule des Halbriesen krachte mit einer solchen Wucht zu Boden, dass Steinsplitter wegspritzten und ein Loch entstand.

      Obwohl Pennyflax, Shirah und Minky aus der Gefahrenzone geflitzt waren, stolperten sie wegen der Erschütterung des Schlags. Sogar Fauch traute sich nicht, bei seinem Herrchen zu landen und fauchte die Bedrohung aus der Luft an.

      Unterdessen erlangte Shirah das Gleichgewicht wieder und glaubte, den Grund für die Wut des Grelgins zu erkennen: Eine tiefe Schnittwunde klaffte an seiner linken Wade, die durch das Feststecken im Gebiss des Riesenschädels verursacht worden war. Dunkelrotes Blut quoll aus der Wunde und hatte im Sand bereits eine Pfütze gebildet. Weil sich die Koboldin in ihrer Eigenschaft als Heilerin mit dem Behandeln von Wunden auskannte, kam ihr natürlich die Idee, der bedauernswerten Kreatur zu helfen. Deshalb zog sie eine Salbe sowie Verbandzeug aus ihrem Kräuterbeutel und näherte sich vorsichtig dem tobenden Grelgin.

      »WAS MACHSTE DENN DA?!«, schrie Pennyflax, als er sah, dass sie sich in Lebensgefahr begab. »Den kannste nicht verarzten … der tritt dich platt wie ’ne Flunder!« Da der Kobold aber wusste, wie stur seine Freundin manchmal war, legte er vorsorglich mit seiner Zwille auf das Monstrum an, damit er sie im Notfall verteidigen konnte.

      »Tu ihm nix! Muss es wenigstens versuchen!«, rief Shirah über die Schulter und bezweifelte in dem Moment selbst, ob sie an den Halbriesen herankam. Denn dieser stampfte umher wie ein wild gewordenes Mammut auf zwei Beinen.

      Rotte sprang auf die Füße. »Lass es lieber bleiben!«, keuchte er und griff ebenfalls nach den zwei Dolchen an seinem Gürtel. »Der Grelgin ist zwar noch nicht ausgewachsen, aber trotzdem tödlich!«

      Shirah hörte einfach nicht auf die beiden. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das Richtige zu tun, wenn sie diesem armen Geschöpf half. Und da sie sich beim Tod ihrer Eltern vor Jahren geschworen hatte, nie wieder ein Wesen durch eine Verletzung oder Krankheit sterben zu lassen, würde sie keine Ausnahme bei dem Grelgin machen. Außerdem