Cemetery Car®. Angelika Nickel

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Название Cemetery Car®
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847660392



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Hexerei …, etwas hexerisches Können, darüber verfügte sie auch, nur eben ganz anders, als es Ihrer Großtante anheim war.«

      »Sie wollen mir tatsächlich weismachen, dass Tante Evelyn eine Hexe gewesen sein soll? Ich bitte Sie! Wo leben wir denn? Im Mittelalter? Nur weil sie einen Vogel hatte? Viele Menschen haben Vögel, aber deswegen sind sie noch lange keine Hexen.«

      »Der Vogel, es ist eine Krähe, Quentin. Nicht jeder hat eine Krähe.« Sie wandte sich an die Fremde, und fragte: »Muss sie in dem Käfig bleiben, oder kann ich sie auch ‘rauslassen?«

      »Oh nein, sie muss nicht im Käfig bleiben. Sie ist handzahm, aber sehr nervend. Eine Krähe, eben. Und die Villa Punto ist sowieso ihr Zuhause, also spricht nichts dagegen, dass Sie den Vogel aus dem Käfig herauslassen. Nur, passen Sie auf, ich weiß nicht, wie Salbei auf Sie reagieren wird, immerhin ist dies hier sein Zuhause und Sie beide, sind Fremde für ihn«, warnte die fremde pausbäckige Frau Kim.

      Doch Kim ließ sich nicht beirren. Ganz langsam fuhr sie mit ihrer Hand an die Käfigtür, während sie mit ruhigen Worten auf die Krähe einredete: »Ruhig, Salbei, ganz ruhig. Ich tu‘ dir nichts. Sieh, hier ist dein Zuhause, und hier darfst du wieder sein, nur dass dieses Mal, anstelle von Evelyn, Quentin und ich für dich da sein werden. Komm her, Salbei, komm her.«

      Bei Kims Worten legte die Krähe den Kopf schief. Ihre Augen beobachteten Kim durchdringend, während ihre winzigen Augenlider zitterten. Salbei krächzte leise. Kein bisschen böse, kein bisschen angriffslustig. Als Kim die Tür des Käfigs ganz weit geöffnet hatte, machte Salbei einen Schritt auf die Tür zu, und bereits im nächsten Moment saß er vorm Käfig auf dem Tisch.

      Kim hob ihm ruhig die Hand entgegen. Schob sie auf dem Tisch immer näher zu der Krähe heran.

      Bevor Kim sich versah, saß Salbei auch schon auf ihrer Hand. Mit sachten Hieben hackte er auf ihren Ring ein.

      Kim lachte leise. »Gefällt er dir? Mir auch, Salbei, mir auch.« Sie hob ihre Hand langsam an die Schulter und Salbei kletterte auf sie hinüber.

      »Das wundert mich, Salbeis Verhalten. Normalerweise mag er keine Fremden. Eigentlich fliegt er sie immer an. Die Meisten sind dann immer geflüchtet. Außerdem kann er furchtbar laut kreischen. So hat er es auch bei mir gemacht. Ich glaube, er mag mich nicht sonderlich leiden, zumindest nicht, seit dem Tod von Evelyn, und dem meiner Mutter.« Nachdenklich betrachtete sie die Krähe, bis ihr plötzlich etwas einfiel. »Wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.« Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. »Ich wohne in der anderen Ortschaft, in Neversend, aber die werden Sie bestimmt noch nicht kennen. Meine Mutter und Ihre Großtante kannten sich ihr Leben lang. Vielleicht sind sie auch deshalb hintereinander gestorben.« Wieder wischte sie die aufkommenden Tränen mit dem Handrücken fort. »Nora, ich heiße Nora Frost. Ein eigenartiger Name, wie? Aber Namen kann man sich nun einmal nicht aussuchen«, kicherte Nora verlegen und zupfte an ihren kurzen braunen Haaren, als würden sie dadurch länger werden.

      Kim streckte Nora die Hand entgegen, und sie machten sich gegenseitig bekannt.

      Mit einem raschen Blick zur Küchenuhr stellte Kim fest, wie spät es doch schon war. »Es ist recht spät, und Sie haben Quentin bestimmt, noch eine Menge zu erzählen. Wie wäre es, wenn Sie die Nacht über hier blieben? Für Quentin und mich ist es auch die erste Nacht in diesem Haus.«

      »Ich habe in der Villa Punto schon ganz oft übernachtet , früher, als meine Mutter mich noch mitgenommen hatte. Doch irgendwann kam einmal der Tag, da wollte sie mich nicht mehr mitnehmen. Und als ich Tante Evelyn, so habe ich Ihre Großtante immer genannt, einfach alleine, ohne meiner Mutter Wissen, besucht habe, da war sie sehr unfreundlich zu mir. Sie meinte damals, dass ich nicht hierbleiben könnte. Sie hat von Dämonen und Geistern gefaselt und mich dabei ganz eigenartig angesehen. Anfänglich habe ich das für Altweiberspinnerei gehalten, doch dann, später einmal, hat mir meine Mutter Dinge erzählt, die mir regelrecht die Haare haben zu Berge stehen lassen. Dieser eine Dämon, Imperato nannten sie beide ihn, diesen Dämon muss es anscheinend gegeben haben.« Nora verstummte und sah die beiden betrübt an. »Geben. Es muss ihn geben, da bin ich mir mittlerweile sicher.« Ihr Blick wanderte besorgt zwischen Quentin und Kim hin und her. Sie senkte den Ton zu einem Flüstern: »Ich glaube, dass er in diesem Haus sein Unwesen treibt«, dabei warf sie einen ängstlichen Blick über ihre Schulter.

      Als sie ihren Blick zu Kim wandern ließ, erkannte sie aufkommende Angst, die sich in ihre Miene hineinstahl, wogegen Quentin krampfhaft ein Lachen unterdrückte, es dennoch nicht vermeiden konnte, dass es um seine Mundwinkel herum, verdächtig zuckte.

      »An Ihrer Stelle hätte ich auch gelacht. Aber heute weiß ich, dass sie Recht hatten. Alle beide. Meine Mutter und Ihre Großtante. Diesen Imperato, ihn gibt es tatsächlich, auch wenn es noch so Gruselroman like, erfunden, klingen mag. Und wenn Sie mich fragen, dann ist er sowohl für den Tod Ihrer Tante, Großtante, wie auch für den meiner Mutter verantwortlich. In der Nacht, als meine Mutter starb, war sie zuvor in diesem Haus gewesen und hatte Salbei geholt. Noch in der gleichen Nacht ist sie gestorben.«

      »Haben Sie nicht vorhin gesagt, dass im Zimmer Ihrer Mutter alles nach Lavendel gerochen hätte?«, fragte Quentin misstrauisch. Er hielt dies alles nur für Phantasterei eines einsamen Hirns. Vielmehr Phantastereien einsamer Hirne. Denn eins lag ganz klar auf der Hand: Sowohl seine verstorbene Großtante als auch Nora wie auch deren Mutter waren allesamt alleinstehend, und von daher wahrscheinlich auch sehr einsam. So hatten sich die beiden mit Sicherheit in ihrer Phantasie sehr viel eingebildet, und womöglich auch noch gegenseitig eingeredet und letztendlich, zu allem Elend, auch noch an den Unsinn zu glauben begonnen. Nur auf diese Art ließ sich, nach Quentins Meinung, das Gefasel um einen Dämon, der in Villa hausen sollte, erklären.

       Dämonen, Unsinn, so etwas gibt es nicht!.

      »Ja, das hat es, nach Lavendel gerochen. Doch es lag auch der Gestank von verwesendem Müll im Raum. Der Lavendelgeruch, ich glaube, dass Ihre Großtante aus dem Jenseits gekommen war, um meiner Mutter zu helfen, oder aber, um sie ins Jenseits auf die sichere Seite zu holen. Um sie vor Imperato zu schützen.«

      »Ist doch toll.« Kim wusste nicht, was sie von alledem glauben sollte, und dennoch konnte sie nicht verhindern, dass eine Gänsehaut ihre Arme entlangzog. »Draußen haben wir einen Leichenwagen, den wir seit gestern unser Eigen nennen, heute besitzt du ein Haus, das von einem bösen Dämon beseelt sein soll. Was kann man sich Besseres wünschen.« Ihre Stimme zitterte. Sie sah sich ängstlich um.

      Quentin konnte es nicht verhindern, er musste lachen, als er ihr ins Gesicht blickte. »Kim, Mädchen, du wirst dich doch nicht von solchen Geschichten ins Boxhorn jagen lassen!«

      Noch bevor Nora antworten konnte, war Salbei auf Quentins Schulter geflogen und hackte ihm mit seinem spitzen Schnabel ins Ohr.

      »Au! Was soll denn das?« Quentin wischte den Vogel mit einer Handbewegung von seiner Schulter und hielt sich sein schmerzendes Ohr.

      Kreischend flatterte Salbei durch die Küche, um am Ende auf einem roten Teller in der obersten Regalreihe zu landen. Mit neugierigen Augen sah er auf die Drei herab.

      »Sie sollten aufpassen, was Sie in Salbeis Nähe sagen, er versteht jedes Wort. Tante Evelyn hat ihm auch das Sprechen beigebracht. Allerdings spricht er nur dann, wenn er es auch will. Manchmal habe ich auch schon vermutet, dass er immer dann zu sprechen anfängt, wenn er zuvor Geister belauscht hat, und dass er deren Gespräche an uns verrät.«

      »Na wunderbar. Reicht es nicht schon, dass Sie behaupten, dass meine Großtante eine Hexe gewesen sein soll, und dass in diesem Haus ein Dämon sein Unwesen treibt? Muss es nun auch noch eine Krähe sein, die die Gespräche von angeblichen Geistern wiedergibt? Geister, wo sollen die denn, bitteschön, sein?« Quentin war anzuhören, dass er mittlerweile die Geduld verlor. Soviel Geisterlatein hatte er sein Lebtag noch nicht gehört. »Rufen Sie die Geister, wenn Sie so sicher sind, dass sie in der Villa Punto ihr Unwesen treiben«, forderte er Nora ungehalten auf.

      »Was kann ich dafür, dass Dinge sind, wie sie sind? Wollen Sie mich etwa dafür verantwortlich machen?«

      »Nein,