Operativer Vorgang: Seetrift. Jo Hilmsen

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Название Operativer Vorgang: Seetrift
Автор произведения Jo Hilmsen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847624295



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sagte die andere, „mein Mann und ich nehmen immer soviel Sachen mit, dass es reicht. Schließlich haben wir Urlaub! Außerdem scheuert man sich mit dem Zeug immer die Hände wund.“ Die Frau meinte Linda- Neutral, eine Waschpaste in einer schwarzen verschraubbaren Plastikdose. Meine Mutter benutzte die Waschpaste ebenfalls, um damit bisweilen meine Levis zu schrubben.

      Ein zarter Hauch eines wunderbaren Duftes streifte meine Nase. Abrupt drehte ich mich nach der Quelle um und wäre um ein Haar mit Tanjas Kopf zusammen gestoßen. Sie stand direkt hinter mir.

      Warteschlangen waren quasi das Aushängeschild der DDR. Es gab etliche Witze darüber und in der Distel wurden sie quasi bei jeder Vorstellung thematisiert.

      Diese Warteschlange vor dem Konsum in Ückeritz war die schönste Warteschlange auf der ganzen Welt. Und ich hätte bis zum nächsten oder übernächsten Tag darin stehen wollen, hätte ich irgendeinen Einfluss darauf gehabt.

      Nach fünf aufregenden Minuten hörte ich das erste Mal ihre Stimme. Sie nieste und gab einen kleinen Ton von sich. Das war mein Auftritt. Und vielleicht meine einzige Chance. Vor Kühnheit fast betäubt, flüsterte ich.

      „Gesundheit.“

      Das Mädchen nieste ein zweites Mal. Wieder flatterte ein Ton ihrer Stimme in mein Ohr.

      „Danke.“ Leider hatte ich nur ein benutztes Stofftaschentuch in meiner Hosentasche und kein frisches aus Papier. Sonst wären wir vielleicht sofort ins Gespräch gekommen. Und zu meinem Entsetzen tönte es gleich mehrfach aus der Schlange:

      „Gesundheit!“, „Gesundheit!“, „G´sundheit...“

      Tanja lächelte verlegen und nickte in alle Richtungen. Vielleicht verdankte ich es diesem Umstand, dass sie ein bisschen näher an mich heranrückte. Während sie sich für die Aufmerksamkeit bedankte, kitzelte mir ihr schulterlanges, lockiges Haar am Hals. Ihr Haar war dunkelbraun, fast schwarz. In der Mitte war es gescheitelt, eine gelbe Haarspange bändigte die Locken auf der rechten Seite und es roch frisch gewaschen. Ein Geruch, den ich aus dem „Intershop“ kannte, aber dort war ich nicht oft. Bestimmt hatte sie reiche Westverwandte und wusch ihr Haar nur mit Schauma. Schauma kannte ich aus der Werbung im ZDF mit den Mainzelmännchen, die ich liebte. Ich hatte keine Ahnung wie dieses Shampoo roch. Der Duft besaß eine Pfirsichnote und war äußerst betörend. Ich musste an etwas Schlimmes denken, damit ich keine Erektion bekam. Also dachte ich an Jens Graichen, mit dem ich mich vor Kurzem geprügelt hatte. Jens hatte Annette Beier – eine Mitschülerin von uns beiden – geohrfeigt. Er war eifersüchtig, weil ich mich mit Annette nach einer Alberei in der Hofpause geküsst hatte. Ich fühlte mich verantwortlich für sie und sprang ihr zur Seite. Nach der Prügelei war mein linkes Auge blau, meine Nase blutig und beide Lippen gesprungen. Jens hatte nicht einmal einen Kratzer davon getragen. Ich war, im Gegensatz zu ihm, im Schlagen ungeübt und hatte ihn nicht ein einziges Mal getroffen. Annette hatte mir geholfen, das Blut aus dem Gesicht zu waschen und geschworen, niemals wieder ein Wort mit Jens zu reden. Ein paar Tage später sah ich sie beide zusammen unter der Trauerweide neben unserer Schule herumfummeln. Zu Recht hasste ich Jens Graichen aus tiefstem Herzen.

      „Sag mal, du bist doch gestern mit deinen Eltern hier angekommen und wohnst dort drüben?“ Sie wies in die Richtung des kleinen Bungalowdorfes. Die Gedanken an Jens Graichen donnerten über die Ostsee und erfroren irgendwo am Nordpol. Sollten sie!

      Das schöne Mädchen mit dem betörenden Duft hatte mich also wahrgenommen. Der Takt meines Herzens nahm an einer Olympiade teil und gewann.

      „Ja“, antwortete ich und gab mir große Mühe, meine Stimme ruhig klingen zu lassen. Am Besten wäre cool, „Gestern Nachmittag. Ich bin übrigens Philipp.“ In dieser Sekunde war ich unglaublich stolz auf mich. Besser hätte es nicht laufen können. Das Mädchen reichte mir eine braungebrannte Hand.

      „Ich heiße Tanja.“ Erneut war sie gezwungen, zu niesen.

      „Oje, bist du erkältet?“

      „Nein“, antwortete Tanja. Das habe ich immer im Sommer. Wahrscheinlich irgendeine Allergie. Woher kommst du?“

      „Aus Altenburg. Und du?“

      „Das ist ja ein Ding. Ich auch!“

      Was für eine Fügung! Schon sah ich uns durch Altenburg Arm in Arm schlendern und uns auf einer Bank am Großen Teich küssen.

      Sie schüttelte so ungläubig den Kopf, als wären wir uns irgendwo in Sibirien über den Weg gelaufen, oder in Australien.

      „Das ist ja wirklich ein Ding. Ich habe hier schon Leute in unserem Alter aus Halle, Dessau, Weimar und Berlin kennen gelernt. Aber noch niemanden aus Altenburg.“

      Bis ich der übelgelaunten Verkäuferin meine Brötchenbestellung mitteilen konnte, verbrachten wir die Zeit mit Plaudern. Wir redeten über Altenburg, was an der Stadt schön war, verglichen Namenslisten, ob jemand Bekanntes darunter war und schließlich lud sie mich am Nachmittag zum Volleyball spielen am Strand ein. Die Unverschämtheit der Verkäuferin konnte ich leicht ignorieren und wartete fröhlich pfeifend, bis Tanja ihr kleines Einkaufsnetz mit Brötchen gefüllt hatte.

      Den Weg zu den Bungalows gingen wir zusammen. Fortan sollten wir jeden Morgen diesen Weg gemeinsam gehen. Bis... Ja, bis es passierte.

      Meine Mutter hob skeptisch die Augenbrauen, als ich euphorisch die Tür unseres Bungalows aufschlug und jubelnd: „Guten Morgen!“, verkündete.

      Sie sah zuerst mich an, dann zu meinem Vater und der zu mir.

      „Haben wir uns nicht schon einen guten Morgen gewünscht? Oder bringe ich da etwas durcheinander.“ Sein breites Grinsen war ekelhaft.

      Pah! Am Nachmittag, genau genommen um 14.00 Uhr, würde ich mit Tanja Volleyball spielen. Und ganz sicher würde ich es so hinkriegen, dass wir zusammen in eine Mannschaft kämen. Vielleicht alle Altenburger gegen den Rest? Nein, das war Quatsch. Aber irgendwie würde ich es drehen. Soviel stand fest.

      „Na und! Ich habe eben gute Laune. Freut euch doch!“

      Meine Eltern freuten sich und beschlossen nach dem Frühstück in der Ostsee anzubaden. Ich widmete mich unterdessen meinen Vorbereitungen.

      Erst machte ich fünfzig Liegestütze, das hatte ich lange nicht mehr getan. Bei dreiundvierzig drohten mir die Arme einzuknicken, aber ich schaffte es. Danach beugte ich hundert Mal die Knie, um meine Beinmuskulatur zu trainieren. Das war zum Glück weniger mühsam. Als ich damit fertig war, wählte ich die Badehose aus. Ich besaß zwei. Die eine war aus dem Kinderkaufhaus und sah dämlich aus. Die andere hatte meine Großmutter aus grün-schwarzem Stoff genäht und wirkte viel männlicher. Die Frage der Auswahl stellte sich also nicht. Um nicht gleich am ersten Tag zu verbrennen, zog ich mein „Led Zeppelin“ Nicki über den Oberkörper. Fertig! Ich schaute auf die Uhr. Es war 11.30 Uhr. Noch zweieinhalb Stunden. Ich ging zu meinem Koffer, zog Herrmann Hesses: Steppenwolf heraus und setzte mich vor dem Bungalow auf die Treppe und las. Nach wenigen Minuten wurde ich zu Harry Haller und genoss es.

      Pünktlich um 14.00 Uhr trottete ich zum Strand und tat möglichst gelangweilt. Ich stellte mich auf einen der kleinen Sandhügel und hielt Ausschau nach Tanja. Einen Blick zum FKK-Strand vermied ich.

      Meine Eltern lagen nebeneinander in einem der blau-weiß gestreiften Strandkörbe und schliefen. Umso besser.

      Der Volleyballplatz war noch leer. Die Ostsee schlug Wellen. Der Wind kam vom Meer, war aber nicht kalt. Bevor ich zum Strand gegangen war, hatte ich mich mit Sonnencreme eingeschmiert und roch jetzt am ganzen Körper nach Sommer. Tanja war nirgends zu sehen.

      Unschlüssig, was ich jetzt machen sollte, schlenderte ich zum Ufer der Ostsee und suchte den Strand nach flachen Steinen ab. Immer wieder sah ich mich verstohlen um, aber Tanja konnte ich nirgends erblicken.

      Lustlos warf ich einen Stein nach dem anderen ins Meer und bemühte mich, meine Technik zu verbessern, um die Steine zum Springen zu bringen. Wegen der Wellen war das schwierig. Ich überlegte kurz, ob ich nicht besser meinen Plan mit den Nacktvolleyballerinnen ausführen sollte, verwarf dies aber sofort, denn dann würde