Eingeäschert. Doug Johnstone

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Название Eingeäschert
Автор произведения Doug Johnstone
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948392437



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sagte sie. »Es ist nichts für jeden.«

       10

       HANNAH

      Das Southpour war eine typische Hipster-Bar, unverputztes Mauerwerk, Beleuchtungskörper mit Designer-Rost, flackernde alte Glühlampen, die praktisch kein Licht abgaben. Die Speisekarte bestand aus Sauerteigbrot, Craftbieren und einer langen Liste ausgefallener Ginsorten sowie Mixgetränken des einundzwanzigsten Jahrhunderts, was immer das sein mochte.

      In den fünf Jahren, seit Hannah das erste Mal Alkohol getrunken hatte, waren die meisten Altherren-Pubs aus der Southside verschwunden. Hannah hatte dazu eine ambivalente Einstellung. Wenigstens konnten junge Frauen jetzt etwas trinken, das nett schmeckte, ohne begrabscht zu werden, obwohl der Stress natürlich nie aufhörte. Andererseits bezahlte man einen Zehner für einen Drink und eine Tüte handgefertigte Chips.

      Xander stand hinter dem Ende der Theke, das Kinn auf dem Handballen abgestützt, als würde die Blondine, die er anstarrte, das Interessanteste auf der Welt erzählen.

      Er bemerkte Hannah, und der Ausdruck in seinen Augen änderte sich, gefolgt von seiner Körpersprache. Er entfernte sich langsam von der Frau und wandte sich Hannah zu.

      »Hast du sie gesehen?«, fragte er.

      »Genau das wollte ich dich auch gerade fragen.«

      »Sie ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen?«

      Hannah schüttelte den Kopf. Sie blickte auf das Regal mit den Alkoholflaschen, auf die an Holzbalken befestigten Lichterketten. Die Bar war in der Mittagszeit fast leer, und sie stellte sich vor, Xanders Hemd zu packen und ihn über die Theke und auf den Boden zu zerren.

      »Du musst mir alles sagen, was du weißt«, sagte sie.

      Als sie Hannahs Ton hörte, nahm die Blondine ihren kirschfarbenen Drink voller Minze und entfernte sich von der Theke. Xander sah ihr nach.

      Hannah deutete mit dem Kopf auf den Hintern des Mädchens. »Du wartest nicht lange, was?«

      »Sie ist nur ein Gast.«

      »Okay.«

      »Hast du schon mit Mels Leuten gesprochen?«

      Hannah sah ihn scharf an. Er war über eins achtzig groß und schlaksig, erinnerte mehr an ein Bündel weicher Nudeln als an ein menschliches Skelett, überzogen mit Fleisch und Haut. Sie hatte ihn immer für harmlos gehalten, aber Mels Verschwinden hatte etwas in ihr verhärtet, und jetzt betrachtete sie alles voller Misstrauen.

      Hannah nickte. »Sie hat sich gestern nicht wie vereinbart zum Mittagessen mit ihnen getroffen. Sie sind extra aus Dundee heruntergekommen.«

      Xander wirkte beunruhigt. »Das sieht ihr gar nicht ähnlich.«

      Hannah kramte in ihrer Tasche und zog Mels Handy heraus. »Und das hier hat sie auch nicht.«

      »Scheiße.«

      Hannah bewegte den Daumen über den Bildschirm des Telefons, und das Bild von Mel und Xander erschien. »Wann hast du sie denn das letzte Mal gesehen?«

      Xander wischte die Theke mit einem Tuch ab, obwohl sie sauber war. »Bist du jetzt eine Detektivin?«

      Hannah dachte darüber nach. »Ich will nur meine Freundin finden. Und wir benutzen lieber das Wort Ermittler statt Detektiv.«

      »Im Ernst jetzt?«

      Hannah zuckte mit den Achseln. »Es scheint dich nicht sehr zu beunruhigen, dass Mel verschwunden ist.«

      »Natürlich beunruhigt es mich. Aber du bist die Einzige, die sich Sorgen machen darf, ist es das?«

      Hannah hatte in der Vergangenheit nicht viel mit Xander zu tun gehabt. Sie erinnerte sich, wie er und Mel nach einer Kennenlernparty des Physik Clubs im King’s Buildings House zusammengekommen waren. Es war eine eher hirnlose Veranstaltung, wie sie es immer sind, und das Licht an der Theke war viel zu grell, aber sie sah, wie die zwei in einer Ecke saßen und redeten, Blickkontakt und Körpersprache waren eindeutig. Mel war auf eine sittsame Art hübsch, strenger Pony, ihre schwarzen Haare immer glänzend, kein Make-up, aber makellose Nägel. Sie wirkte eher verschlossen, organisiert. Sie hatte vorher nie wirklich über Jungs geredet, daher war Hannah überrascht, dass sie und Xander sich so schnell gut verstanden. Verglichen mit Mel, konservativ und akkurat, war Xander eher wie eine betrunkene Giraffe, die wie benebelt herumtapst. Oder vielleicht war er, als sie ihn jetzt beobachtete, auch deutlich mehr beieinander, bewusster.

      »Du darfst dir Sorgen machen«, sagte Hannah und pflanzte sich auf einen Barhocker. »Kann ich einen Drink haben?«

      Xander schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, er verstünde die Frauen nicht, was zweifellos so war. »Was kann ich dir bringen?«

      Hannah ließ den Blick über das Regal wandern und sah eine Flasche, die sie erkannte. »Highland Park, pur.«

      Xander hob die Augenbrauen, als er nach der Flasche griff. Sein T-Shirt rutschte hoch, und sie sah das Superdry-Logo auf seiner Unterwäsche.

      »Hätte dich nicht für ein Single Malt-Mädchen gehalten.«

      »Du weißt nichts über mich.«

      Es lag nicht unbedingt an ihm, aber etwas an dieser Situation machte sie wütend. Vielleicht war es, wie er mit der Blondine geredet hatte, als Hannah hereinkam, oder auch einfach nur seine völlig unverständliche Zuversicht. Oder die Tatsache, dass das rationalste Mädchen, das Hannah kannte, einfach von der Bildfläche verschwunden war.

      Der Whisky wurde mit einem dumpfen Geräusch auf die Theke gestellt, und Hannah zahlte. Sie hob das Glas an die Nase und atmete ein, spürte, wie die verdunstenden Moleküle in ihrer Nase brannten. Sie dachte an Grandpa. Wie würde er Melanie finden?

      »Sag mir, wann du das letzte Mal Kontakt mit ihr hattest«, bat Hannah und trank einen Schluck.

      »Kontakt hatte?«

      »Du weißt schon, was ich meine – gesehen, gesprochen mit ihr, gewhatsapped, gesextet.«

      »Wir haben nie gesextet.«

      Das wusste Hannah bereits, nachdem sie Mels Handy gecheckt hatte.

      Xander kratzte an einem imaginären Fleck auf der Theke. »Gestern hab ich sie gar nicht gesehen. Sie sollte nachmittags im Seminar sein, also hab ich ihr eine Nachricht geschickt, auf die sie allerdings nicht geantwortet hat. Sie war am Abend davor bei mir, ist aber nicht über Nacht geblieben, weil sie morgens in ihrem eigenen Bett aufwachen wollte, um sich für das Treffen mit ihrer Familie fertig zu machen.«

      Das stimmte mit Mels Telefon überein, aber Xander wusste, dass Hannah es hatte, also wäre es dumm, etwas anderes zu behaupten.

      »Wie hat sie auf dich gewirkt?«

      »Wie immer.«

      »Was habt ihr gemacht?«

      »Wir haben Pasta gegessen. Mel hat sie gemacht.«

      »Sie kocht, wenn sie bei dir ist?«

      »Sie kocht gern, das weißt du doch.«

      »Also hast du sie machen lassen.«

      »Warum nicht?«

      »War sonst noch jemand da?«

      Xander verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und schüttelte den Kopf. »Die Jungs waren im Pub und haben Champions League gesehen.«

      Hannah fragte sich, ob sie sich Notizen auf ihrem Handy machen oder die Unterhaltung aufnehmen sollte. Vielleicht sollte sie sich einen dieser Notizblocks besorgen, wie sie im Fernsehen immer von den Cops benutzt werden, dann das Ende eines Bleistifts oder so anlecken und alle Einzelheiten aufschreiben.

      »Die Jungs?«, hakte sie nach.

      »Meine Mitbewohner.«

      Mel hatte Xanders