Eingeäschert. Doug Johnstone

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Название Eingeäschert
Автор произведения Doug Johnstone
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948392437



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weiß nicht …« Er ließ den Satz unvollendet im Raum stehen, rieb sich das Kinn, schob die Brille ein Stück die Nase hoch. »Ich meine, sie ist definitiv hübsch.«

      »Stehen Sie auf sie?«

      »Sie hat einen festen Freund.« »Und?«

      »Sollten Sie nicht mit ihm reden? Ich verstehe nicht, was Sie hier machen.«

      »Niemand hat Mel in den letzten sechsunddreißig Stunden gesehen oder von ihr gehört, ihr Freund, ihre Mitbewohner und ihre Familie inbegriffen.«

      »Ich habe sie nicht gesehen.«

      Hinter ihm drehte sich träge ein Windmesser, dessen Schalen warme Luft herumschoben.

      »Wenn ich also Mels SMS und E-Mails durchgehe, werde ich Sie dort nicht finden.«

      Er schob seine Unterlippe vor. »Es ging immer nur um Seminare und den Club. Glaube ich.«

      »Sie haben ihr nie persönlichere Mitteilungen geschickt?«

      Er schluckte und zog an seinem Ohrläppchen.

      Jenny verschränkte die Arme. »Ich habe ihr Telefon und ihren Laptop, beides nicht gesperrt. Sie könnten mir eine Menge Zeit ersparen.«

      »Vielleicht habe ich ein paar SMS geschickt.« Er sah aus, als stünde er im Begriff, über die Dachkante zu springen. »Hab sie eingeladen.«

      »Obwohl sie einen festen Freund hatte?«

      Er zuckte mit den Achseln.

      Jenny hatte sich Mels Telefon angesehen, und außer E-Mails zum Club war da nichts von Bradley. Was bedeutete, dass Mel die Nachrichten gelöscht hatte, die er geschickt hatte, um sich mit ihr zu verabreden. Vielleicht hatte sie auch andere Sachen gelöscht.

      »War’s das?«, fragte Jenny.

      Sie dachte an digitale Forensik, Rettung gelöschter Daten, ob sie jemanden kannte, der solche Sachen machen konnte. Aber für so etwas gehörte sie der falschen Generation an, wenn jemand so etwas tun konnte, dann wären es Kids wie Bradley oder Hannah.

      »Das ist alles, ich schwör’s.«

      Jenny beschloss, es noch einen Tick weiterzutreiben. »Da sagt mir ihr Handy aber was anderes.«

      »Echt?«

      Jenny starrte ihn an. Die Wucht des eindringlichen Blicks einer wütenden Frau mittleren Alters war schon erstaunlich. Er machte schlapp. Er war es gewohnt, die Dinge in der Hand zu haben, das übliche Privileg des weißen Mannes, vielleicht noch gepaart mit einem Klacks australischen Draufgängertums.

      Er schaute zu den Pentlands in der Ferne, die von heranrückenden Wolken verhüllt waren.

      »Vielleicht hab ich ihr mal ein Bild geschickt.«

      Jenny schaffte es, nicht laut zu seufzen. »Was für ein Bild?«

      Er rieb sich das Kreuz, wölbte die Schultern.

      Jenny schüttelte den Kopf. »Ein Schwanzfoto?«

      Er sah auf den Boden. Jenny hörte über die Hecke unten die Witzeleien von Golfern.

      »Was habt ihr Jungs eigentlich mit diesen Schwanzfotos?«

      Er bekam einen roten Kopf und mied ihren Blick.

      Sie legte gnadenlos nach. »Wie fänden Sie es, wenn ich Ihnen ein Foto meiner Vagina schicken würde? Würde Sie das aufgeilen?«

      Bei dem Wort Vagina zuckte er zurück, als hätte er es noch nie aus dem Mund einer Frau gehört.

      »Und?«

      Sie kam sich vor wie ein Lehrer, der ein kleines Kind zur Schnecke machte. Wie eine Mum, die ihn auf die stille Treppe schickte.

      »Da war nichts weiter dabei«, sagte er schließlich.

      Er wich zurück, als Jenny sich ihm näherte. Sie sah einen Traktor über ein Feld in der Ferne tuckern, dahinter eine Flottille Möwen und Krähen.

      »Wirklich?«

      Sie stand jetzt ganz dicht vor ihm, bekam wieder seinen Duft in die Nase.

      »Dann zeigen Sie mir Ihren Schwanz, wenn nichts weiter dabei ist.«

      Er stand mit dem Rücken zum Sims, und er schwitzte. Er hatte keinerlei Erfahrung mit so etwas, hatte sich noch nie gegen eine sexuelle Belästigung wehren müssen, gegen eine unerwünschte Hand, ein versehentliches Drücken der Brust, was überhaupt nicht versehentlich war.

      »Komm schon«, flüsterte Jenny. »Hol deinen Schwanz raus.«

      Er versuchte, die Brust rauszustrecken. »Seien Sie nicht albern.«

      Sie packte ihm zwischen die Beine, spürte seine Eier in ihrem Griff und drückte zu.

      »Mein Gott«, sagte er. »Sie sind verrückt.«

      Er versuchte auszuweichen, aber sie drückte fester zu, und er zuckte zusammen.

      Er war so groß, dass sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um zu flüstern.

      »Keine Frau auf diesem Planeten ist scharf darauf, dein schäbiges Gehänge zu sehen«, sagte sie. »Hast du das kapiert?«

      Er nickte mit großen Augen.

      »So«, sagte Jenny wieder in ruhigerem Ton. »Weißt du etwas über Mels Verschwinden?«

      Sie verstärkte den Druck zwischen seinen Beinen.

      Er schüttelte den Kopf mit Tränen in den Augen. »Ich weiß nichts, ich schwöre.«

      Sie stand da und versuchte zu entscheiden, ob sie ihm glauben sollte oder nicht. Umklammerte immer noch seine Eier, war immer noch wütend. Sie hörte, wie ein Golfschläger einen Ball traf, dann das Fluchen eines Mannes.

      »Bitte«, sagte Bradley. »Lassen Sie mich los.«

       13

       HANNAH

      Sie schlenderte durch die Ausstellung, wartete auf Vic. Ihr gefiel die Fruitmarket Galerie, das natürliche Licht hier auf der ersten Etage, und die Kunst war immer irre. Neben ihr waren Tausende Zigarettenpapierchen auf genau festgelegte Weise an der Wand befestigt, während in der gegenüberliegenden Ecke einige überdimensionale Schaumstoffskulpturen standen, die wie die Knochen einer riesigen, ausgestorbenen Spezies aussahen. Sie hätte am liebsten alles angefasst, aber das Personal passte scharf auf.

      »Hannah.«

      Mels Bruder trug ein enges, schwarzes T-Shirt, das seine tätowierten Arme zur Geltung brachte, keltische und kantonesische Strudel vom Handgelenk bis zum Bizeps. Sie umarmte ihn. Er roch männlich und fühlte sich durchtrainiert an. Er hatte jedes Recht der Welt, mit diesem Körper anzugeben. Er trug einen perfekten Seitenscheitel, die Haare gegelt, dazu eine rechteckige Brille, die vielleicht nur Show war.

      »Wollen wir was trinken?«, fragte er und führte sie nach unten zum Café.

      Sie nahmen einen Tisch weit weg von den Baristas und dem Lärm der Espressomaschine. Hannah war sich nicht sicher, was Vic hier machte, es hatte irgendwas mit bürgerschaftlichem Engagement zu tun, aber er schien sich immer absolut zu Hause zu fühlen zwischen den Designbüchern, der abgedrehten Kunst und dem Lagerhaus-Look. Das Café wurde von jungen Künstlertypen und der älteren Oberschicht Edinburghs frequentiert, rote Hosen und Pashminas. Dies war einer der Orte in der Stadt, an denen ältere Bohemiens zusammenkamen, als würden sie einem Ruf folgen, den nur sie allein hören konnten.

      Eine große Kellnerin mit leuchtend grünen Haaren und dazu passenden Augen nahm ihre Bestellung auf und verschwand hinter der Theke.

      »Danke, dass du gekommen bist«, sagte Vic. Ein kurzes Lächeln, das sofort von einem besorgten Ausdruck verdrängt wurde.

      »Ich hab mich gefreut, dass