Selbst der beste Plan. Séamus Ó Grianna

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Название Selbst der beste Plan
Автор произведения Séamus Ó Grianna
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783866483996



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      »Aber vielleicht haben die meisten ja doch ein paar kleine Gefühle füreinander.«

      »Wie um Himmels willen sollte das möglich sein? Es kommt schließlich oft genug vor, dass sich ein Mann bei dem ersten Mädchen, das er fragt, einen Korb holt. Was macht er dann? Er geht sofort zur Nächsten und macht auch ihr einen Antrag. Ja, und dann einer Dritten und einer Vierten. Denkt doch mal an Condy Nanny von drüben. Er hat sechs Mädchen gefragt, und alle sechs haben abgelehnt. Erst beim siebten Versuch hat eine angebissen. Eine ganze lange Winternacht hat er mit diesem Versuch zugebracht. Im Morgengrauen hat er die gefragt, mit der er jetzt verheiratet ist, und sie hat ihn genommen. Wo waren da wohl die kleinen Gefühle? Kann einer von euch mir das sagen?«

      Aber Denis konnte niemanden bekehren. Tradition stirbt in den Rosses nur langsam. Die jungen Leute hatten kein Zutrauen zu Denis’ Philosophie über Liebe und Ehe. Wenn Denis glaubte, was er da sagte, warum ging er nicht mit gutem Beispiel voran? Warum verliebte er sich nicht in ein Mädchen und heiratete sie, ohne zu fragen, ob sie einen Schuh am Fuß und ein Hemd am Leib hatte?

      Sie schienen nicht zu begreifen, dass das hier etwas war, das ein Mann nicht vorher planen konnte. Es müsste durch einen Zufall geschehen oder durch das Schicksal oder wie immer man das nennen wollte. Denis war bereit, sich zu verlieben. Sein Herz glich einem Pulverfass. Es fehlte nur noch die weiße Hand einer holden Maid, um es zu entzünden.

       II

      Und endlich war es so weit. Die weiße Hand hielt ein Streichholz an das Pulver, und das Herz eines jungen Mannes brannte lichterloh.

      Auf einer Hochzeit in Bunnamann begegnete Denis Rosie McCann aus Drumnacarta zum ersten Mal. Es war ein Fall von Liebe auf den ersten Blick. Sie tanzten mehrmals miteinander. Zwischen den Tänzen saßen sie nebeneinander und plauderten. Schließlich gingen sie frische Luft schnappen und spazierten zum See hinunter. Und was war das für eine Nacht! Der Mond in seiner ganzen Pracht und Majestät zog über einen wolkenlosen Himmel. Die Luft schien von Musik erfüllt zu sein. Die Feen waren offenbar aus den dunklen Schatten der Felsen hervorgekommen, um auf den Wiesen am Ufer des Loch Awillin zu tanzen … Denis schaute zu dem zaubrischen Mond empor. Er lauschte der Feenmusik. Er befand sich in einer verzauberten Welt. Das Drama, das er sich so oft vorgestellt hatte, wurde vor seinen Augen Wirklichkeit. Er fühlte sich versetzt ans Ufer des Sweet Afton oder auf die Braes of Ballochmile. Mit anderen Worten, er war vollkommen verschossen in Rosie McCann.

      Nach diesem Abend trafen sie sich oft. Der Winter ging dahin und nach ihm der Frühling. An einem Sonntagabend im Frühsommer hielt Denis die Zeit für gekommen, um sich zu erklären … Rosie sagte, sie könne ihre Mutter in den nächsten beiden Jahren nicht verlassen. Aber sie deutete an, dass sie nach dieser Zeit durchaus bereit sein würde, ihn zu heiraten.

      Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Aber sie waren beide jung. Und Denis hatte das, was er für eine verbindliche Zusage hielt. Er konnte warten.

      »Ich wünschte, es wäre morgen«, sagte er. »Aber ich werde diese beiden Jahre durchhalten. Ich würde zwanzig Jahre lang warten. Ich würde den Rest meines Lebens allein verbringen, wenn du nicht bereit wärst, mich zu heiraten.«

      »Das wäre töricht.«

      »Ach, Rosie! Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe, sonst würdest du nicht so reden. Du glaubst doch wohl nicht, ich würde es so machen wie Condy Nanny.«

      »Wer ist Condy Nanny? Und was hat er gemacht?«

      »Ein Mann aus unserer Gegend. Er hat einem Mädchen einen Antrag gemacht. Sie lehnte ab. Da fragte er eine andere. Sie lehnte ebenfalls ab. Er hat sich sechs Körbe geholt, alle in der einen Nacht. Die Siebte hat Ja gesagt, und die hat er geheiratet.«

      »Sechs Körbe«, sagte Rosie. »Das ist wirklich ein Rekord.«

      »Ich glaube nicht, dass es vorher schon mal passiert ist«, sagte Denis, »oder dass es jemals wieder passieren wird. Den jungen Leuten von heute geht langsam ein Licht auf. Langsam, aber sicher.«

      Rosie verstummte. Ein paar Minuten später sagte sie dann: »Aber, wenn ein Mann nicht das Mädchen haben kann, das er sich wünscht, dann weiß ich nicht, was er sonst tun soll, außer eine andere zu fragen – das heißt, wenn er überhaupt heiraten will. Zum Beispiel, was würdest du tun, wenn ich dich nicht heiraten wollte?«

      »Ich habe dir doch schon gesagt, was ich tun würde«, erwiderte Denis. »Ich würde den Rest meines Lebens allein verbringen. Da bin ich mir absolut sicher. Etwas anderes könnte ich gar nicht. Wahre Liebe hat keine andere Bestimmung – kann keine andere Bestimmung haben. Keine andere Frau, Rosie, könnte deinen Platz in meinem Herzen einnehmen. Und eine Frau, die keinen Platz in meinem Herzen hat, kann auch keinen Platz an meinem Kamin haben.«

       III

      Denis schwebte auf Wolken. Immer wieder sprach er über das schöne Mädchen aus Drumnacarta, das er heiraten würde, und wie sehr sie einander liebten. Neben der Freude, die es ihm machte, über seine Romanze zu reden, wollte er möglichst viele der jungen Männer von Rinamona zum Evangelium von der Ehe bekehren, die auf Liebe beruht und nur auf Liebe. Seine Theorien waren beträchtlich verstärkt worden. Sein Traum war nun Wirklichkeit.

      Er beschloss, mit Charles McGladdery anzufangen. Der war nicht gerade etwas fürs Auge, aber im Vergleich zu den anderen jungen Männern der Gegend war er wohlhabend. Ein Onkel aus Amerika hatte ihm eine Erbschaft hinterlassen. Mit einem Teil des Geldes ließ er sein altes Haus mit Schiefer decken, und er baute ein Zimmer an. Er hatte ein Pferd und zwei Kühe und einen Bullen. Der Pfarrbulle galt damals in den Rosses als Zeichen gesellschaftlicher Überlegenheit.

      Obwohl er also nicht gerade ein schöner Mann war, wäre es Charles leichtgefallen, eine Frau zu finden. Jede Mutter in Rinamona, die eine heiratsfähige Tochter hatte, warf ihre Angel nach ihm aus.

      Denis hätte aus Charles sehr gern einen ersten bekehrten Jünger gemacht. Charles war durch seinen Wohlstand mehr oder weniger ein König. Wenn er anführte, würden die restlichen jungen Männer folgen.

      »Die Mädchen aus Drumnacarta sehen sehr gut aus«, sagte Denis eines Abends zu Charles. »Und sie sehen nicht nur gut aus, sie sind auch kultiviert. Sie sind ganz anders als die Mädchen hier unten.«

      »Ich hab beim letzten Sommerjahrmarkt in Dungloe deine Freundin gesehen«, sagte Charles. »Die ist wirklich eine Schönheit.«

      »Die sehen alle gut aus«, sagte Denis. »Und sie haben alle so feine Manieren.«

      »Ich glaube, deine Freundin wird dir eine ziemlich gute Mitgift bringen«, sagte Charles.

      »Das weiß ich nicht«, erwiderte Denis. »Ich habe nicht gefragt. Ich heirate sie aus Liebe. Sie heiratet mich aus Liebe. Geld hat damit überhaupt nichts zu tun.«

      »Ich weiß«, sagte Charles. »Aber trotzdem, Geld ist nicht zu verachten. Und ich weiß genau, dass der Lange Shamey McCann einen Haufen Geld hat. Und Rosie ist die einzige Tochter … Aber du sagst, alle Mädchen da oben sehen gut aus?«

      »Das tun sie, und das wissen sie«, antwortete Denis. »Jede Einzelne von ihnen weiß, dass ihr Gesicht ihr Vermögen ist, wie das alte Sprichwort behauptet. Jede von ihnen weiß, dass sie auch ohne einen Penny an Mitgift heiraten kann. Und wie schon gesagt, sie sind sanft und kultiviert. Am nächsten Samstagabend ist ein Tanz bei Conall More. Wenn du mitkommst, kann ich dir mindestens ein halbes Dutzend feine Mädchen vorstellen.«

      Am folgenden Samstagabend gingen die beiden jungen Männer zu diesem Tanz in Drumnacarta. Sie wurden herzlich willkommen geheißen und unterhielten sich prächtig.

      Sie wiederholten diesen Besuch noch oft.

      »Na«, fragte Denis eines Nachts auf dem Heimweg, »hast du dich schon entschieden?«

      »Nein, hab ich nicht«, erwiderte Charles. »Das sind alles nette Mädchen. Doch ich kann unter ihnen nicht die eine finden, die ich gern heiraten