Selbst der beste Plan. Séamus Ó Grianna

Читать онлайн.
Название Selbst der beste Plan
Автор произведения Séamus Ó Grianna
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783866483996



Скачать книгу

von uns könnten sich daran wirklich ein gutes Beispiel nehmen.«

      »Komm schon«, sagte die Mutter. »Hör auf mit dem Predigen und sag etwas zu dem Antrag, der dir da gemacht worden ist.«

      »Ich hatte nicht vor, in diesem Winter zu heiraten«, sagte Sawa und machte weiter mit ihrer Arbeit, wie um Mickey zu zeigen, dass sie ihn zwar heiraten wollte, dass sie sich aber noch immer darüber ärgerte, was er über einen anständigen, umgänglichen Nachbarn gesagt hatte.

      Und damit war die Sache entschieden. Am nächsten Morgen verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Pfarre. Und die Frauen, die jungen wie die alten, hatten Gesprächsstoff. Wirklich eine unglaubliche Neuigkeit! Conall Ferry hatte einen Brautwerber zu einem Mädchen geschickt. Und der Brautwerber hatte die Braut für sich selbst geworben!

      Mickey und Sawa heirateten eine Woche später. Conall Ferry ging zur nächsten Destille und trank dort den ganzen Tag. In der Abenddämmerung taumelte er heimwärts. Später kam er zu dem Haus, wo die Hochzeit gefeiert wurde – natürlich ohne eingeladen zu sein. Er ging hinein und ließ sich hinter der Tür auf einen Stuhl fallen. Nach einer Weile erhob er sich mühsam. Er hatte einen irren Blick. Er schwankte durch den Raum zum Feuer hinüber und begann mit seinem betrunkenen Gestammel. Er müsse Sawa sehen, sagte er. Er habe eine Frage an sie. Warum habe sie ihn so gemein betrogen? Und mit Mickey habe er auch noch ein Hühnchen zu rupfen, sagte er.

      Sawa schob Mickey in ein Zimmer neben der Küche. Der Hausherr versuchte, Conall zu beruhigen, aber das half nichts.

      »Ich bin genauso gut wie dieser räudige Sohn eines räudigen Flickschusters«, sagte Conall.

      »Noch ein Wort, und ich brech ihm an der Türschwelle das Genick«, sagte Mickey zu Sawa.

      »Ach, Mickey«, sagte Sawa und legte die Arme um ihn, um ihn aus dem Handgemenge herauszuhalten. »Du hast den armen Kerl doch wirklich ausreichend besiegt. Es wäre für immer eine Schande für dich, ihm jetzt auch nur ein Haar zu krümmen. Der arme Wicht ist die Prügel nicht wert.«

      »Wenn er nicht betrunken wäre«, sagte Mickey, »würde ich ihm einen Grund geben, sich das Ohr zu reiben.«

      »Betrunken oder nüchtern, er hat keine Aufmerksamkeit verdient«, sagte die Braut. »Wenn der arme Trottel auch nur einen Funken Verstand hätte, hätte er sich doch nie im Leben eingebildet, dass ich ihn heiraten könnte.«

      »Aber neulich an dem Abend hast du ihn verteidigt«, sagte Mickey.

      »Ich habe ihn verteidigt«, sagte Sawa, »weil ich so wütend auf dich war, dass du seinen Brautwerber machtest, dass ich dir bei allem widersprochen hätte. Ich bin immer noch sauer, wenn ich daran denke. Wie konntest du, wie konnte irgendwer auf die Idee kommen, dass ich diesen armen, schniefenden Trottel heiraten würde? Und wenn er der letzte Mann vor dem Ende der Welt wäre. Ich war wütend auf dich, so war das.«

      »Na, Liebling, das ist jetzt ein für alle Mal vorbei«, sagte Mickey.

       II

      Fünf Jahre und einige Monate darauf lag Mickey Sweeney im Sterben. Sawa saß an seinem Lager, ein Bild der Trauer. Freundliche Nachbarn schauten herein, um ihr Beileid auszusprechen und jegliche Hilfe anzubieten, die sie liefern konnten. Mein Vater brachte eine Kiepe voll Torf und stellte sie in einer Ecke der Küche ab. Sawa blieb stumm. Später brachte meine Mutter eine Flasche Milch. Sie stellte die Flasche auf die Kommode und trat dann ans Feuer. »Wie hat er die Nacht überstanden?«, fragte sie Sawa.

      »Schlecht«, sagte Sawa. Mehr sagte sie nicht.

      Conall Ferry kam herein. »Wie geht es ihm heute?«, fragte er Sawa.

      »Ach, Conall, Conall, ich fürchte, er stirbt«, sagte Sawa. »Es geht ihm immer schlechter … Ach, es ist ein grausamer Schlag, nicht wahr, Conall?«

      Es ging Mickey wirklich immer schlechter, das stand fest. Am nächsten Morgen, ungefähr eine Stunde vor Anbruch des Tages, starb er.

      Die Nachbarn versammelten sich im Haus. Conall Ferry fütterte die Kuh und holte Torf herein. Jemand wurde in den Laden geschickt, um Tonpfeifen und Tabak zu kaufen. Und im Haus wurde alles für die Totenwache vorbereitet.

      Die Nacht kam. Im Haus wimmelte es nur so von Menschen, vom Kamin bis zur Tür. »Conall«, sagte die Witwe zu Conall Ferry, »verteil du den Tabak, und verteil ihn reichlich. Gib ihnen so viel zu rauchen, wie sie mögen. Er würde das so wollen, denn er hatte ein großes Herz.«

      Eine verkrüppelte, grauhaarige alte Frau ging zu dem Bett, auf dem der Leichnam aufgebahrt war, und begann zu klagen. Es war Mickeys Mutter. Niemand war von ihrem Wehgesang beeindruckt. Ihre Stimme war schwach und heiser. Ihre Totenklage bestand nur aus wenigen Wörtern, und die wiederholte sie ein ums andere Mal. »Ochón und ochón, mein Kind, mein eigenes geliebtes Kind!«

      Nach einigen Minuten stand Sawa auf und stimmte in die Klagen der alten Mutter ein … Tödliches Schweigen senkte sich über das Haus. Bald waren alle Frauen in Tränen aufgelöst, viele Männer auch. Der Kummer der alten Frau schien sie nicht im Geringsten zu berühren, Sawas Klage jedoch presste ihnen das Herz zusammen.

      »Oh, Mickey, Mickey! Vorige Nacht konntest du nicht schlafen, aber in dieser Nacht liegst du im tiefsten Schlaf. Einem Schlaf, aus dem du niemals wieder erwachen wirst. Die vorige Nacht war eine lange und grausame Nacht für dich, Mickey. Du dachtest, dass die Finsternis dir das Leben aus dem Leib quetschte und dass du wieder zu Atem kommen würdest, wenn du nur das Tageslicht erblicktest. So oft hast du mich gebeten, hinauszugehen und nachzusehen, ob schon die ersten Streifen der Morgendämmerung am Himmel zu sehen wären. Ach, Mickey, Mickey, du musstest gehen, ehe die Dämmerung kam. Für mich war es die schwarze Dämmerung – die Dämmerung, die ich niemals vergessen kann … Gestern um diese Zeit hast du mich um etwas zu trinken gebeten, aber heute hast du keinen Durst. Warum hast du uns verlassen, Mickey? Warum bist du gestorben? Warum hast du Frau und Kind allein auf dieser bitteren Welt zurückgelassen? Oh, Mickey, dein Sohn, dein Sohn! Er glaubt, dass du nur schläfst, und er fragt mich, wann du wieder aufwachst. Aber das Warten darauf, dass du deine Augen öffnest, wird für ihn lang und grausam werden … Oh, das grausame Schicksal, das mich leben und sehen ließ, wie du im Tode die Augen zugemacht und uns für immer verlassen hast!«

      Conall Ferry verteilte reichlich Tabak an den beiden Abenden der Totenwache. Er kümmerte sich um die Kuh. Er brachte Torf ins Haus und hielt die Feuer am Brennen. Er tat alles, was ein Mann im Haus eben tun konnte.

      »Conall Ferry ist wirklich eine gute Seele«, sagte mein Vater zu meiner Mutter. »Und er ist ein harmloses, bedauernswertes Wesen. Viele an seiner Stelle würden nicht in die Nähe des Hauses, neben das Haus oder gar in das Haus treten. Aber er hat das Richtige getan. Es ist wunderbar, solche christliche Nächstenliebe zu sehen.«

      »Christliche Nächstenliebe, meine Güte«, sagte meine Mutter. »Conall Ferry ist noch immer in Sawa verschossen. Du wirst vielleicht erleben, dass sie innerhalb von zwei Jahren verheiratet sind.«

      »Es ist nicht nett, so etwas zu sagen.«

      »Es ist vielleicht nicht nett, aber es ist die Wahrheit. Am Tag ehe der arme Mickey gestorben ist, waren mehrere Leute hier, auch du. Sawa hat aber nur mit Conall gesprochen. Und ich hatte doch den Eindruck, dass in ihrer Stimme eine gewisse Freundlichkeit lag.«

      »Was bist du boshaft, Frau«, sagte mein Vater.

      »Wir werden ja sehen«, sagte meine Mutter.

      Der Tag der Beerdigung kam. Der Leichnam wurde auf den Friedhof gebracht und beerdigt. Conall half, das Grab zuzuschütten. Er legte grüne Grassoden darüber und schlug sie mit der Rückseite der Schaufel glatt. Sawa klagte, bis sie müde war. Endlich konnten die Nachbarn sie überzeugen, nach Hause zu gehen.

      Sawa redete fast ununterbrochen über ihren toten Mann. Sie erinnerte sich daran, wo sie überall zusammen gewesen waren. Ihr fielen hundert kleine Dinge ein, die er zu ihr gesagt hatte. Manchmal ging sie auf die Anhöhe hinter dem Haus und klagte, so laut sie nur konnte. Einige