Handbuch Messer: 101 Dinge, die Sie schon immer über Messer wissen wollten.. Oliver Lang

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Название Handbuch Messer: 101 Dinge, die Sie schon immer über Messer wissen wollten.
Автор произведения Oliver Lang
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783964530202



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Unterschiede mehr als unwahrscheinlich. Vielmehr hat sich das Laguiole aus bereits bestehenden französischen Messern wie dem Yssingeaux entwickelt.

      • »Mouche« bedeutet Fliege. Doch mit einer rein schmückenden Fliege, zu der sie später tatsächlich überwiegend geformt wurde, hatte die ursprünglich linsenförmige Verbreiterung der Rückenfeder zunächst nichts zu tun. Sie war konstruktiv notwendig als Bestandteil eines alten Verriegelungsmechanismus, bei dem man das Ressort (die Rückenfeder) mit den Fingern an der Mouche anheben muss, um die Arretierung der Klinge zu lösen. Vielleicht hielten die Schmiede aus dekorativen Gründen daran fest. Zunächst wurde die Mouche, vor allem für zahlungskräftigere Kunden, figürlich geformt, etwa zu Blumen oder Kreuzen. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

      • Bereits auf alten Messern finden sich verschiedene Formen der »pointillage«, einer Verzierung mit Metallstiftchen rund um den mittleren Niet. Die Muster waren rautenförmig, rund oder oval und könnten einen Rosenkranz symbolisiert haben. Das Hirtenkreuz, zu dem die Hirten angeblich schon im 19. Jahrhundert nachts auf der Weide gebetet haben sollen, taucht erst seit dem Zweiten Weltkrieg auf.

      Das erste, um 1850 im gleichnamigen Dorf entstandene Laguiole hatte noch einen geraden Griff. Deshalb werden sie heutzutage auch als Laguiole-Droit (dt.: gerade) bezeichnet. Die Klinge hatte eine Bourbonnaise-Form mit gestreckter und salbeiblattförmiger Kontur und nach vorne gerichteter Spitze. Die typische geschwungene Yatagan-Klingenform, die das Laguiole heute auszeichnet, entwickelte sich erst um 1860. Ein entscheidendes Merkmal zeigten jedoch bereits diese ersten Laguiole-Droit-Modelle: die mouche, eine linsenförmige Verbreiterung am Ende der Rückenfeder.

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      Elegantes Detail: der angefaste Rücken einer Laguiole-Klinge

      Dieses Laguiole ist das erste Messer, das eigenständig in Laguiole entstand und dementsprechend benannt wurde. Es ist das erste und ursprüngliche Laguiole, aus dem sich im Lauf der folgenden Generationen die heute bekannten Varianten entwickelten, deren Eleganz sich kaum jemand entziehen kann.

      Trifft man sich in Frankreich zum casse-croûte, der typisch französischen Brotzeit, wird erst mal in den Taschen gekramt und gefachsimpelt. Worüber? Über das Laguiole natürlich. Mit oder ohne Korkenzieher, der Griff aus Horn oder Buchsbaum, die Klinge aus rostbeständigem Stahl oder doch aus nicht-rostfreiem Kohlenstoffstahl, deren Patina bald vom alltäglichen Gebrauch des Messers zeugen wird? C’est votre décision. Nur eines ist klar: Ohne Laguiole geht es nicht.

      Einfach und effektiv

      Der Dorn und der deutlich später auftauchende Korkenzieher sind die klassischen Zusatzwerkzeuge an einem Laguiole. Der Dorn war und ist ein essenzielles Werkzeug zur Reparatur von ledernem Zaumzeug. Den Weinhändlern diente er zum Öffnen der Lederschläuche, in denen der Wein der Auvergne zunächst transportiert wurde. Und der Korkenzieher? Wo man sich Brot, Wein und Käse teilte, benötigte man mit dem Aufkommen der Glasflaschen eben auch einen Korkenzieher. C’est si simple.

      13 Das Opinel

      Eine Sach’ unter jedem Dach

      In vielen Küchenschubladen Frankreichs liegen scharf geschliffene Opinel-Messer – gerne in nicht-rostfreier und besonders großer Ausführung, die bis zur Größe No°13 mit 22 Zentimeter langer Klinge reicht. Vermutlich ist das Opinel weltweit das meistgenutzte Messer Frankreichs. Selbst Menschen, die sonst nichts mit Messern anfangen können, greifen auf Reisen gern zum Opinel. Das hat gute Gründe. Denn die dünnen und fein ausgeschliffenen Klingen, wie sie typisch fürs Opinel sind, schneiden exzellent – egal ob man die Varianten aus rostbeständigem Schwedenstahl 12C27 nimmt oder diejenigen aus besonders feinkörnigem, nicht-rostfreiem Carbonstahl XC90. Die Messer sind durch den Virobloc bediensicher, leicht zu schärfen, wiegen praktisch nichts, liegen gut in der Hand, sehen freundlich aus und kosten wenig. Eine der beliebtesten Größe ist das N°8 mit einer 8,1 Zentimeter langen Klinge – 40 Gramm reine Funktion.

      Die Geschichte des Opinel-Messers begann im Dorf Albiez-le-Vieux bei Saint-Jean-de-Maurienne. Daniel Opinel betrieb dort eine kleine Schmiede. Sein Sohn Joseph entwickelte 1890 ein Klappmesser, das maschinell in Serie gefertigt werden konnte. Dessen Kern war und ist ein aus einem Stück Holz gedrechselter Griff, in den mit der Säge ein Schlitz für die Klinge angebracht wurde. Der nach innen abgesetzte Achsenbereich wurde mit einem Metallring als Griffzwinge verstärkt, über den die standardisierte Klinge vernietet wurde. Eine Arretierung gab es damals noch nicht – den inzwischen weltbekannten Virobloc-Drehring entwickelte man erst im Jahr 1955.

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      Verlässlich: ein Opinel aus der Édition Amour und ein limitiertes Jubiläumsmodell ohne Arretierung

      14 Das Douk-Douk

      Magisch genial

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      Mehr Magie: Neben dem traditionellen Modell Sorcier (Zauberer) fertigt M.C. Cognet – zum Teil noch immer auf den alten, teilweise deutschen Maschinen seines Großvaters – auch andere Varianten.

      Gaston Cognet entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts ein preiswertes, aber vielseitig nutzbares Messer mit genial einfacher Konstruktion, das aus lediglich sechs Teilen besteht: einer vernieteten Klinge aus feinkörnigem Kohlenstoffstahl, deren Form an einen türkischen Krummsäbel erinnert, einem Griff aus gefalztem Blech, der starken Rückenfeder, die sich entlang des geschlossenen Griffrückens zieht und die ausgeklappte Klinge in Arbeitsposition hält sowie einem ebenfalls vernieteten Bügel am Ende des Griffes, um einen Fangriemen zu befestigen.

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      Preiswert und stabil

      Dieses Messer war kostengünstig in der Herstellung, dabei aber von belastbarer Natur und geeignet für die Arbeit auf dem Feld und im Garten. Trotzdem hatte Gaston Cognet, im Gegensatz zu Joseph Opinel und dessen preiswerten Holzgriff-Messern, nur wenig Erfolg in Frankreich. Stattdessen verkaufte sich Cognets Messer umso besser in Mikronesien.

      Ein neugierig gewordener Cognet reiste daraufhin in den Südpazifik, wo er auf den Geheimbund Duk-Duk aufmerksam wurde, zu dessen Symbolen eine mysteriöse, in Laubblätter gekleidete Figur gehört, die einen kegelförmigen Helm trägt. Gognet war fasziniert, benannte seine Messer Douk-Douk und ließ die Sagenfigur als Glücksbringer auf die Messergriffe drucken.

      Nach dem Erfolg in Mikronesien wurden seine robusten Messer zum Importschlager in den französischen Kolonien Nordafrikas und schließlich auch in Frankreich ein Erfolg. Heute ist das Douk-Douk eine Stil-Ikone und neben Laguiole und Opinel der dritte französische Messerklassiker.

      15 Das Mercator-Messer

      Unverwüstlich und minimalistisch

      Einfachheit setzt sich durch – beim Mercator-Messer trifft das zumindest zu. Das Taschenmesser wird seit 1867 in nahezu unveränderter Ausführung produziert – zunächst von Heinrich Kaufmann & Söhne, Indiawerk, seit 1995 von Otter aus Solingen. Im Alltag, aber gerade auch an den Kriegsfronten war ein verlässliches Messer eines der wichtigsten Werkzeuge. Denn obwohl das Mercator-Messer nie offizieller Ausrüstungsgegenstand einer Armee war, lernte schon das Heer Kaiser Wilhelms die Qualitäten des Mercators zu schätzen. Und auch im Ersten Weltkrieg fanden die Soldaten im Mercator einen funktionellen Begleiter, der Konservendosen öffnete, Brot teilte und mit dessen Hilfe die Ausrüstung repariert und angepasst wurde.

      Sein minimalistischer Aufbau macht das Mercator geradezu unverwüstlich. Der Rahmen und zugleich Griff des Messers besteht aus einem gefalzten, lackierten Stahlblech, in dem eine vernietete Klinge und eine Rückenfeder-Arretierung