Tod auf der Trauminsel. Thomas Bornhauser

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Название Tod auf der Trauminsel
Автор произведения Thomas Bornhauser
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038182788



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verstehen, dass sie genau erahnt hatte, was er sagen wollte. Minuten später lagen die beiden auf dem Rasen, mit Sichtschutz durch alte Mauern. Er hatte Schweissperlen auf der Stirn, ihr Herz raste wie noch nie.

      «Sei mir nicht böse, Liebster, ich benötige jetzt eine Pause, mein Puls spielt wieder verrückt», flüsterte sie ihm zehn Minuten und einen Orgasmus später ins Ohr, als sie sich zu ihm hinunter beugte, «heute abend ist Vollmond, wir kommen wieder hierher …» – «We’ve got the night, who needs tomorrow?», antwortete er, in Anlehnung an einen Song von Bob Seeger und Sheena Easton.

      «Herr Hacker, ich habe vorhin per Zufall einen Bekannten getroffen, am Strand. Ist es möglich, dass ich ihn zum Frühstück einlade? Selbstverständlich auf meine Rechnung.» Wie es sich gehörte, hatte Véronique von Greifenbach ihren Geliebten nicht mit ins Hotelareal genommen, sondern wollte zuerst die Bewilligung des Resident Managers einholen.

      «Das ist zwar nicht die Regel, aber im Sinne einer Ausnahme, ja, das geht in Ordnung. Ich stelle ihm schnell eine Bewilligung aus, damit er den ganzen Tag in unserer Anlage als Gast verbringen kann», antwortete Hacker und nahm eine Visitenkarte aus seiner Tasche.

      «Wie heisst ihr Bekannter?»

      «Franz Grütter», antwortete sie sofort. Ohne zu überlegen, hatte sie einen falschen Namen angegeben. Jener eines Verwaltungsrats von DBD war der einzige, der ihr im Augenblick in den Sinn gekommen war.

      «Voilà», sagte Hacker und überreichte Véronique die auf der Rückseite beschriebene Visitenkarte, «dieser Persilschein gilt für den ganzen Tag, im Sinne der erwähnten Ausnahme.»

      Sie bedankte sich und lief kontrollierten Schrittes mit der erfreulichen Nachricht zum Strand zurück.

      «Herr Grütter, hier ist Ihr Tagespass für das Hotel», sagte sie lächelnd zu ihrem Geliebten. Doch als er sie küssen wollte, wehrte sie ihn resolut ab: «Nicht hier und jetzt. Sie sind nur ein Bekannter von mir, Herr Grütter, ich habe Sie nur ganz per Zufall getroffen. Aber mein Zimmer darf ich Ihnen zeigen.» Er hatte die Botschaft verstanden. Entsprechend artig liefen die beiden ins Restaurant, setzten sich zum Frühstück, benahmen sich wirklich nur wie Bekannte, wobei es durchaus von Vorteil war, dass ihre Gespräche nicht von einem Lautsprecher übertragen wurden.

      Den Mittwoch verbrachte Véronique von Greifenbach mit ihrem Gast abwechslungsweise im Zimmer des Crystals Beach, am Strand und im Dörfchen. Nach dem Abendessen in einem für die Region typischen Restaurant spazierte sie mit ihrem Geliebten gegen 22 Uhr in der Dunkelheit erneut in Richtung alte Zuckerfabrik, dieses Mal ohne Badeanzug. Unter ihren Bermudashorts und dem Spaghettiträger-Top trug sie eines der in Dubai besorgten Dessous von Victoria’s Secret. Im hellen Licht des vollen Mondes wirkte die Ruine geheimnisvoll.

      «So, Véronique, und jetzt machen wir dort weiter, wo wir heute Morgen aufgehört haben …», flüsterte er ihr ins Ohr, während sie sich ins Gras legten, wiederum mit Sichtschutz durch alte Mauern und viele Palmen. Wieder nahmen sich beide gar nicht die Zeit, sich vollständig zu entkleiden.

      Nach wenigen Minuten stöhnte Véronique laut, so intensiv, wie er es noch nie mit ihr erlebt hatte.

      «Lass dich gehen, entspanne dich …»

      Als hätte sie einen gewaltigen Orgasmus, wurde seine Geliebte plötzlich ganz passiv, ihr Körper baute die ganze aufgebaute Verkrampfung mit einem Mal ab, sackte regelrecht in sich zusammen.

      «Ganz ruhig, Liebling, gaaanz ruhig, entspann dich, geniess es, we’ve got the night …»

      Véronique von Greifenbach sagte nichts. Er war nicht beunruhigt, wusste er doch, dass sie jeweils einige Augenblicke benötigte, um wieder in der realen Welt anzukommen. Diese Mal jedoch dauerte ihre Erholungsphase ungewöhnlich lange. Jetzt erst begann er sich zu sorgen.

      «Liebling, was ist los? Sag doch etwas! Liebling! Bitte!»

      Nach einigen Augenblicken legte er den rechten Mittel- und Zeigefinger seitlich an ihren Hals. Kein Puls, auch kein schwacher, ihr Herz hatte zu schlagen aufgehört. Innert Sekundenbruchteilen geriet er in Panik.

      In dieser Situation funktionierte er nur noch ohne zu überlegen, versuchte, sie mit Mund-zu-Nase-Beatmung zu reanimieren. Erfolglos. Dann versuchte er es mit professioneller Herzmassage, so wie er es in einem Ausbildungskurs erst vor kurzem gelernt hatte, während fast zehn Minuten, bis er keine Kraft mehr hatte. Wiederum ohne Erfolg. Véronique von Greifenbach war tot.

      Instinktiv schaute er sich um. Niemand war zu sehen, auch keine Geräusche waren zu hören, dazu war die ehemalige Zuckerfabrik zu abgelegen. Was tun? Auf den Polizeiposten gehen und den Vorfall melden? Undenkbar. Nicht nur, dass man sich in der Schweiz das Maul zerreissen würde, auch die Boulevard-Presse würde die Sache in grossen Lettern auf der Titelseite abhandeln, im Stil von «Tod beim Sex auf Trauminsel». Das war keine Option. Die Leiche hier tel quel liegenlassen, als wäre (fast) nichts passiert? Unmöglich, weil man womöglich nach einem Vergewaltiger suchen würde, der er ja nicht war. Ins Meer tragen? Nein, erstens wäre dies einer regelrechten Entsorgung gleichgekommen und zweitens wäre bei der Obduktion sofort aufgefallen, dass Véronique kein Wasser in der Lunge hatte.

      Die alte Zuckerfabrik nahe Belle-Mare, wo Véronique von Greifenbach den Tod fand.

      Also beschloss er, die Leiche wieder vollständig zu bekleiden und an einen anderen Ort der Zuckerfabrik zu tragen, ohne verräterische Schleifspuren zu hinterlassen. Gedacht, getan, wobei alles ein bisschen länger als erwartet dauerte, denn mehrmals musste er, mittlerweile tropfnass vor Schweiss, einen kurzen Halt einlegen und sich erholen. Einmal schulterte er seine Geliebte wie ein totes Reh, aber auf diesen Gedanken mochte er in dieser Situation keine Rücksicht nehmen. Nach längerem Suchen legte er die Tote an einen Platz, der nicht auf Anhieb wie der Ort für ein Schäferstündchen ausschaute, und brachte sie in eine sitzende Position, an eine niedrige Wand gelehnt. Was er in diesem Moment empfand, hätte er in Worten nicht beschreiben können. Er war wie von Sinnen, hatte gar nicht realisiert, was wirklich geschehen war, wusste nicht, was er gerade tat.

      Danach machte er sich mit Véroniques Handtasche, in welcher auch ihr Handy lag, auf den Weg in sein Hotel und erklärte an der Réception, dass er am nächsten Tag wegen eines Todesfalls in der Familie bereits wieder abreisen müsse. Er fragte, ob noch in der Nacht Flugzeuge die Insel Richtung Europa verlassen würden.

      «Am frühen Morgen gehen ausschliesslich Flüge nach Réunion, der erste Interkontinentalflug startet knapp nach neun Uhr Richtung Johannesburg, Emirates fliegt um vier Uhr nachmittags Richtung Dubai, wo Sie dann Anschlüsse nach Europa haben. Air France geht morgen erst gegen neun Uhr abends», sagte der Mann an der Réception, nachdem er den Flugplan des nächsten Tages im PC konsultiert hatte.

      Er schaute auf seine Uhr. Es war knapp nach 23.30 Uhr und er versuchte, gegenüber dem Mitarbeitenden weiterhin ruhig zu wirken, wobei seine völlig verschwitzten Kleider nicht recht ins Bild passen mochten.

      «Danke vielmals. Nun, dann werde ich wohl bis zum Nachmittag warten müssen, aber das macht ja eigentlich nichts, denn wegen ein paar Stunden wird mein Bruder auch nicht mehr lebendig.» Und er war froh, hatte er sich am Morgen problemlos unter falschem Namen einschreiben können, mit einem scheinbar echten Schweizer Führerausweis, den ohnehin niemand gross zu interessieren schien.

      «Wie machen wir es mit der Rückerstattung, Monsieur Meyer? Sie haben schliesslich für sechs Tage gebucht und auch bezahlt. Aber drei Nächte Stornierungsgebühr muss ich Ihnen belasten.»

      «Da ich heute hier übernachte, verbleiben demnach noch zwei Nächte. Wissen Sie was? Ich komme im Winter wieder und Sie rechnen mir die beiden Tage an. Geht das für Sie in Ordnung?»

      «Très bien, das geht sehr gut, ich werde aber noch mit dem Manager sprechen.» Er indes war sich bewusst, dass er niemals mehr nach Mauritius kommen würde. Um aber nicht aufzufallen, hatte er sich auf dieses unverfängliche Gespräch eingelassen.

      «Das wäre grossartig, ich freue mich schon», sagte er. Sie wünschten sich eine gute Nacht.

      Ohne