Название | Tod auf der Trauminsel |
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Автор произведения | Thomas Bornhauser |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783038182788 |
Die Ermittlungen auf Mauritius
Donnerstag, 2. Juli. Die Crew der Mauritius Advertising Company MAC war gegen 10.30 Uhr auf dem Weg zur alten Zuckerfabrik in Belle Mare, wo sie die Ruine als Kulisse für einen TV-Spot zu benutzen gedachte. Auftraggeber war ein bekannter Markenartikelhersteller für Sportbekleidung, der seine Produkte zum Teil auf der Insel herstellen liess. Die ganze Truppe, die in drei kleinen Transportern anreiste, umfasste insgesamt elf Personen: Regie, Kamera, Maske, Drehbuch, Darsteller, Tontechnik, Film, Licht, Vertreter des Auftraggebers. Vorgestern hatten zwei Scouts die Location als «optimal» für den Dreh befunden, entsprechend gelöst war auch die Stimmung unter den Anwesenden an diesem wolkenlosen Tag. Es wurde gescherzt und gelacht.
Die drei Fahrzeuge hielten vor den Überresten der Fabrik nebeneinander an, alle halfen mit, das umfangreiche Material auszuladen und zum Ausgangspunkt zu tragen, eingangs der ehemaligen Zuckerfabrik.
Während die meisten Mitarbeitenden mit dem Aufbau der Geräte auf dem eigentlichen Set beschäftigt waren, lief der Drehbuchautor umher. Die Ruine der vor beinahe hundert Jahren stillgelegten Zuckerfabrik faszinierte ihn. Seine Begeisterung fand einige Minuten später allerdings ein abruptes Ende. Er stand fassungslos da, sprachlos. Erst nach einigen Augenblicken schrie er seinen Schreck heraus.
«Au secours!! Kommt sofort hierher, vite!!»
«Unser aller François … Hat vermutlich eine Schatzkiste entdeckt», frotzelte der Tontechniker zur Truppe, «wird wohl nicht so heftig sein …»
«Hilfe! Hilfe! Hier liegt eine Tote!»
«François, heute ist der 2. Juli, nicht der 1. April, komm jetzt hierher, wir wollen etwas besprechen, damit wir mit den Aufnahmen beginnen können», hörte der Drehbuchautor einen Kollegen rufen. Sekunden später stolperte er wie ein Betrunkener zu seinen Leuten zurück, kreidebleich, stotternd.
«Da hinten liegt eine Frau, nein, sie sitzt, sie ist wahrscheinlich tot.»
Auf einmal war man sich nicht mehr so sicher, ob François sich einen dummen Scherz erlaubt hatte. Zwei Kollegen begleiteten ihn zum Ort seines angeblichen Fundes. «Alarmiert sofort die Polizei!», schrie der eine nur wenige Sekunden später, «hier ist wirklich eine Tote!».
«Ich fahre sofort auf den Posten, der liegt ganz in der Nähe!», rief die Regisseurin, derweil alle anderen Richtung Fundort rannten.
Der Polizeiposten Belle Mare lag ungefähr 800 Meter von der Zuckerfabrik entfernt, gleich neben dem Sportplatz und ganz in der Nähe eines bekannten europäischen Kleiderherstellers, der eine ultramoderne Verkaufsstelle gebaut hatte, die gar nicht in die ärmliche Umgebung passen wollte und in gewisser Weise an den Monolithen im Murtensee erinnerte, den der französische Stararchitekt Jean Nouvel einst für die Landesausstellung Expo.02 errichtet hatte. Auch die Verkaufspreise des Labels, das zum Teil zu Billiglöhnen auf Mauritius produzieren liess, hatten zu den örtlichen Verhältnissen keinen Bezug. Luxus musste offenbar ganz einfach teuer sein, wo auch immer produziert und verkauft.
Eine Hauptstrasse im Belle Mare. Der Klotz einer Modefirma wirkt dabei eher als Fremdkörper.
Für etwas Abwechslung waren die Beamten auf dem Posten, in der touristischen Nebensaison derzeit mit administrativen Routinearbeiten beschäftigt, zwar durchaus dankbar. Aber gleich eine Tote mit ausländischem Aussehen? Non, merci. Dennoch setzten sich drei Beamte in ein bereitstehendes Polizeiauto ein und folgten dem Auto der Regisseurin. Keine zwei Minuten war man sur place.
«Alle zurücktreten!», rief einer der Beamten. «Oder wollen Sie mögliche Spuren vernichten?» Was der Mann noch nicht wissen konnte: Das Filmteam hatte, so gesehen, bereits ganze Arbeit geleistet und die Umgebung des Fundorts niedergetrampelt.
Die Beamten sperrten den Fundort der Leiche einem Umkreis von ungefähr 30 Meter mit rotweiss gestreiftem Band ab und verlangten telefonisch auf dem Posten nach Verstärkung durch die Kollegen der Kriminaltechnik. Diese Spezialisten trafen nach ungefähr 45 Minuten ein. Sie waren von Candos her angereist, wo sich ihr Arbeitsplatz – und jener der Rechtsmedizin – befand. In der Zwischenzeit hatten die lokalen Polizeibeamten die Mitglieder des Filmteams befragt. Sie alle konnten keine tatrelevanten Angaben machen. Ihnen wurde aber gestattet, ihrer Arbeit nachzugehen, weil das Set am anderen Ende der Zuckerfabrik lag. Das ganze Areal wurde grossräumig abgeriegelt, um Schaulustige abzuhalten.
Sehr rasch war dem zwischenzeitlich eingetroffenen Rechtsmediziner Alain de Dieuleveut klar, dass es sich um eine ungefähr 50- bis 55-jährige Ausländerin handeln und dass der Tod «plus/minus vor ungefähr zwölf Stunden» eingetreten sein musste. Und: «Es sind keine Spuren äusserer Gewalt festzustellen.» Es folgte die übliche Feststellung aus der Rechtsmedizin: «Weitere Angaben erst nach der genauen Untersuchung.» Um die unbekannte Tote identifizieren zu können, hatte de Dieuleveut unmittelbar vor dem Abtransport nach Candos Porträtfotos von ihr gemacht und zur Polizeistation übermittelt, wo Chief Inspector Samuel Ramnauth ein paar Exemplare ausdruckte und sie zwei Beamtinnen aushändigte. Die Polizistinnen Emilie und Aurélie begannen ihre Nachforschungen in den wenigen Pensionen in Belle Mare, um schliesslich die Strandhotels anzufahren, da die Befragungen in den Bed & Breakfast-Häusern zu keinem Erfolg geführten hatten.
Zur gleichen Zeit hielt sich er etwas abseits des Flughafens auf, um im übersichtlichen Terminal nicht gross aufzufallen. Das Air-France-Rückflugticket hatte er sich bei Emirates umschreiben lassen, was allerdings eine Zeit lang dauerte und mit Mehrkosten verbunden war, die er cash mit Euro bezahlt hatte, da bei Air France zuerst der Rückflug annulliert und danach neu gebucht werden musste. Die Leute bei Emirates zeigten sich glücklicherweise sehr kooperativ. Immer wieder schaute er auf seine Big Bang von Hublot am linken Handgelenk, wo inzwischen beide Zeiger senkrecht standen. «Noch vier Stunden, wenn ich nur bald ausreisen kann, ohne dass die Polizei hier auftaucht …», ging ihm durch den Kopf. Eine Wohlfühloase sah definitiv anders aus.
Die Befragungen in den bisher drei besuchten Strandhotels hatten keine konkreten Ergebnisse ergeben. Zwar glaubte sich der Tagesportier des Hotels Ambre daran erinnern zu können, «die auf dem Foto abgebildete Frau beim Vorbeilaufen am Strand in Begleitung eines Herrn gesehen zu haben», sicher war er sich indes nicht. «Ich frage aber in ein paar Stunden meinen Kollegen, der Nachtdienst hatte, er schläft jetzt noch. Rufen Sie mich gegen Abend an.»
Emilie und Aurélie unterbrachen ihre Recherchen in Bezug auf die unbekannte Tote, um kurz etwas zu essen. Gegen 14 Uhr betraten sie das Crystals Beach Hotel, wo Anabelle an der Réception Dienst hatte. Die beiden Polizistinnen stellten sich vor und zeigten Anabelle die Aufnahme der Toten.
«Kennen Sie diese Frau?»
«Ich bin mir nicht sicher, wer ist das?»
«Sie wurde heute Morgen tot aufgefunden. Wir kennen ihre Identität nicht. Können Sie uns helfen?»
«Ich glaube, dass das Madame von Greifenbach sein könnte …»
«Sie glauben?»
«Ich werde den Resident Manager rufen, er wird Ihnen mehr sagen können. Einen Moment, bitte.»
Zwei Minuten später stand Michael Hacker am Empfang und musste sich das Foto nur kurz anschauen.
«Das ist Frau vom Greifenbach, Véronique von Greifenbach, sie ist erst seit Montag hier. Vorgestern war sie auf einer Inselrundfahrt. Was ist denn passiert?»
«Das wissen wir selber noch nicht», sagte Emilie kurz und knapp.
«Ausser wohl, dass sie tot zu sein scheint», mischte sich Anabelle in die Diskussion ein, was ihr prompt böse Blicke der übrigen drei Anwesenden bescherte. Kommentare blieben indes aus.
«Wir werden jetzt sofort die Kollegen von Kriminaltechnischen Dienst informieren, damit sie sich das Zimmer anschauen. Herr Hacker, bitte