Das Erbe von Tench'alin. Klaus D. Biedermann

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Название Das Erbe von Tench'alin
Автор произведения Klaus D. Biedermann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783937883830



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zerstreut waren, konnte Jared eine gewisse Ordnung erkennen, als er bemerkte, dass es früher zwischen ihnen befestigte Wege und sogar Gärten gegeben haben musste.

      Fasziniert besichtigte er nun die Überreste der Burg, die sich an die steil aufragende Felswand zu schmiegen schienen. Er hatte sie gleich am ersten Tag seiner Ankunft aus der Ferne bestaunt. Aus der Nähe sah sie noch imposanter aus.

      »Eine mächtige Burg haben sie errichtet«, murmelte er, »die müssen große Angst gehabt haben ... möchte zu gerne wissen, vor wem.«

      In dem über und über mit Efeu und Klematis berankten Burghof entdeckte er schließlich die Reste einer Feuerstelle.

      Laut gackernd suchten die Hühner, die hier nach Futter gesucht hatten, das Weite, als sie den Hund bemerkten, der sich allerdings nicht für sie interessierte.

      »Aha, hier haben wir ja etwas«, murmelte Jared, »vor gar nicht langer Zeit müssen Menschen hier gewesen sein ... jedenfalls war es in diesem Jahr … und hier haben sie kampiert, sie hatten sogar ein Zelt.«

      Weitere Spuren fand er allerdings nicht. Was er nicht wissen konnte war, dass er auf den Ort gestoßen war, an dem sich Nikita und Effel nach vielen Leben wiedergetroffen hatten.

      Er hatte sich mehr als einmal gefragt, wieso ihm, der sich in diesem Gebirge auskannte wie kaum ein anderer, dieser Ort nicht bekannt war. Und ebenso oft hatte er seiner alten Kinderfrau Vrena, die ihm vor Kurzem noch in einem Albtraum – der nun im Wesentlichen schreckliche Realität geworden war – erschienen war, Abbitte geleistet. Vrena hatte seinem Sohn, als dieser noch klein gewesen war, mehr als einmal von einem geheimnisvollen Tal in den Agillen erzählt. Er hatte sich nicht erinnern können, ob sie ihm, als sie noch seine eigene Kinderfrau gewesen war, die gleichen Geschichten erzählt hatte.

      Wenn ja, so war er bestimmt nicht so empfänglich dafür gewesen wie sein Sohn, der in mancher Nacht vor Angst schlotternd in das elterliche Schlafzimmer geschlichen gekommen war, um den Rest der Nacht geborgen zwischen ihm und seiner Frau Elisabeth zu verbringen. Dort hatte er dann in unruhigen Träumen von Ungeheuern, Gnomen, irgendwelchen Schätzen, die bewacht würden, und anderen absonderlichen Phänomenen fantasiert.

      Von den Gnomen, die laut Vrena hier einen Schatz bewachen sollten, hatte er allerdings noch keinen zu Gesicht bekommen und er fand es trotz aller Merkwürdigkeiten auch immer noch sehr unwahrscheinlich, dass dies noch geschehen würde.

      Als er die Burg näher in Augenschein nahm, wobei er sehr vorsichtig vorging, fand er die Überreste der Treppe, die in die unteren Gewölbe führte. Dort betrat er einen Raum, in dem neben einer massiven geöffneten Eichentruhe ein schweres eisernes Schloss lag. Er hob es auf und betrachtete es im Schein seiner Lampe näher. Dabei stellte er fest, dass es erst vor Kurzem gewaltsam aufgebrochen worden sein musste, da die Bruchstelle im Gegensatz zum Rest des Schlosses keinerlei Rost aufwies.

      »Da war aber jemand sehr kräftig«, flüsterte er, »das war mit Sicherheit kein Bär. Was ist hier vor sich gegangen? Zuerst diese blitzsaubere Schule und dieses Museum oder was auch immer … dann das hier.«

      Er konnte nicht wissen, dass er gerade vor der Fundstelle der Myon-Pläne stand, die sich inzwischen in der Neuen Welt befanden.

      Hätte er durch den dunklen Gang weitergehen können, der einmal als Fluchtweg gedacht gewesen war, wäre er unweigerlich zu dem großen Tor gelangt, durch das Nikita und Effel die Höhlen von Tench'alin betreten hatten. Doch ein massiver Felsbrocken, der dorthin bewegt worden war, versperrte nun den Zugang.

      Als er später sein Zelt abbaute, stand für ihn endgültig fest, dass er sich nach Haldergrond aufmachen würde, um dort die sagenumwobene Äbtissin um Rat zu fragen. Für die Aufklärung des Verbrechens an seinem Sohn würde er auch über diesen Schatten springen.

      Zum vorläufigen Abschied stieg Jared noch einmal zum Grab empor. Jesper folgte ihm mit hängenden Ohren. Am Grab kniete er nieder. »Ich finde deinen Mörder, Junge, das verspreche ich dir, und ich werde auch das Geheimnis dieses Tales lüften. Ich werde denjenigen finden, der dir das angetan hat.«

      Er hatte die Worte leise gesprochen. Tränen rollten ihm die Wangen hinunter und verfingen sich in seinem Bart. Sein Weinen war diesmal ohne den lauten Schmerz, den er sich noch vor ein paar Tagen aus der Seele geschrien hatte. Jesper schaute ihn aus traurigen Augen an, doch die Banshee, die ihn aufmerksam beobachtete, sah er nicht.

      Dann nahm er seinen Rucksack auf, rief seinen Hund bei Fuß und verließ das Tal auf dem gleichen Weg, auf dem er es betreten hatte.

      »Es würde mich sehr interessieren, ob er etwas von Adegunde erfährt«, sagte Elliot zu Muchtna, nachdem Jared das Tal verlassen hatte. Die beiden Krulls hatten den Farmer während seines Aufenthaltes in Angkar Wat nicht einen Moment aus den Augen gelassen.

      »Nun, ich denke mal, dass er so einiges erfährt«, antwortete sie, »aber kaum etwas davon wird er ihr glauben … hihi … ich wäre wahnsinnig gerne bei diesem Treffen dabei. Da prallen Welten aufeinander. Mir tut er aber auch ein wenig leid. Erst das Unglück mit seinem Sohn und jetzt gerät er hier vollkommen unschuldig in etwas hinein … ich bin nur froh, dass wir den Kopf seines Sohnes schon beerdigt hatten. Dieser Anblick wäre selbst für einen Mann wie Jared zu viel gewesen. Ich verstehe auch nicht, warum er dem Freund seines Sohnes das erzählt hat ... musste das sein?«

      »Sicher nicht, aber der wollte es ja beim Abschied noch unbedingt wissen. Was die Äbtissin betrifft ... nun, die wird ihren Spaß haben.«

      »Da gebe ich dir recht. Ich wäre wirklich gerne dabei … aber leider werden wir hier gebraucht … ich habe da so eine Ahnung, mein Lieber.«

      »Wenn du das sagst«, seufzte Elliot, »die Menschen werden wohl nie Ruhe geben.«

      ***

      Kapitel 3

      Kaum war Scotty aus den Agillen zurückgekehrt – er hatte die Strecke noch nie so schnell bewältigt –, war er von seinem Vater, dem Tuchhändler Harie Valeren, ins Gebet genommen worden. Da er das Amen nicht abwarten wollte, entschied er sich, gleich mit der Sprache herauszurücken, und berichtete von seiner abenteuerlichen Suche nach Vincent. Er ließ nichts aus. Nicht das verborgene Tal, nicht, dass er fast von Jared umgebracht worden wäre, und auch nicht die entsetzliche Art und Weise, wie sein bester Freund ums Leben gekommen war.

      »Was? Vincent ist tot? Er wurde ... ermordet?«, hatte sein Vater sichtlich erschüttert gefragt. »Und Jared hat ihn gefunden? Mein Gott, das ist ja furchtbar! Wie hat er es verkraftet? Weiß es Elisabeth schon?«

      Sein Gesicht war kreidebleich geworden und er hatte sich auf den nächsten Stuhl fallen lassen.

      »Nein, noch weiß sie es nicht. Ich bin erst einmal nach Hause gekommen, um euch zu beruhigen und … na ja, um Mutter zu fragen, ob sie mich begleiten möchte.«

      »Begleiten? Wohin willst du denn jetzt schon wieder? Davon wird sie nicht gerade begeistert sein.«

      »Nach Raitjenland. Jared hat mir einen Brief an Elisabeth mitgegeben und ich möchte nicht mit ihr alleine sein, wenn sie ihn liest. Mein Bedarf an ... ach lassen wir das.«

      »Kann er ihr das nicht persönlich sagen? Muss er einen Brief schreiben? Also … so kenne ich ihn gar nicht.«

      »Nein, er kann es ihr nicht sagen, weil er gar nicht mitgekommen ist. Normalerweise hätte er das gewiss selbst getan ... aber was wir in den letzten Tagen erlebt haben, war alles andere als normal, Vater. Da gibt es jede Menge Ungereimtheiten, einmal abgesehen von der Tatsache, dass bisher noch kein Mensch etwas von diesem Tal je erzählt hat. Findest du das nicht auch merkwürdig, dass es dort oben in den Bergen einen Ort gibt, den noch niemand von uns entdeckt hat? Wo wir doch schon tausendmal dort gewesen sind? Es müssen früher sogar ziemlich viele Leute da gelebt haben. Sie hatten eine kleine Siedlung errichtet … sogar mit einer Burg!«

      Er erwartete darauf keine Antwort.

      »Das ist in der Tat unglaublich, Junge. Aber jetzt iss und trink erst mal was, du siehst ja aus ... geh in die Küche und