Название | Das Erbe von Tench'alin |
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Автор произведения | Klaus D. Biedermann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783937883830 |
Kurze Zeit später war das Meer glatt wie zuvor. Marenko hatte nicht das leiseste Geräusch eines Motors gehört. Wenn er das Gehör eines Emurks gehabt hätte, hätte er ein dumpfes, dunkles Wummern wahrgenommen. Er rieb sich die Augen.
Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, würde ich es nicht glauben … na, da gibt es was zu erzählen heute Abend.
Eilig packte er sein Angelzeug zusammen, nahm die Satteltasche, bestieg sein Pferd und schlug den Weg nach Verinot ein.
Fast die ganze Strecke war er im Galopp geritten und als er vor seinem Haus abstieg, waren sowohl er als auch sein Pferd nass geschwitzt. Um ein Haar hätte er ein Kind über den Haufen geritten, als er in die Straße eingebogen war, in der sein Haus lag. Seine Frau kam herausgelaufen.
»Wer ist denn hinter dir her?«, rief sie. »Du tust ja, als sei dir der Teufel auf den Fersen. Ich habe dich schon von Weitem gesehen. Weißt du, was passiert wäre, wenn du den kleinen Jens umgeritten hättest? Du selbst rufst doch immer zur Vorsicht auf.«
»Vielleicht ist es auch der Teufel, der hinter mir her ist, aber dann ist er bald hinter uns allen her. Wenn meine Vermutung stimmt, ist er vor ein paar Stunden an unserer Küste an Land gegangen«, keuchte Marenko, noch immer außer Atem. »Das mit Jens tut mir leid, aber er ist ja mit einem Schrecken davongekommen.
In Zukunft wird er sicherlich vorsichtiger sein.
Komm, lass uns hineingehen, dann erzähle ich dir alles, aber zunächst brauche ich eine Dusche … und etwas zu trinken.«
»Es steht noch alles auf dem Tisch, ich habe heute spät zu Mittag gegessen. Wenn ich gewusst hätte, dass du so bald heimkommst, hätte ich gewartet. Geh du nur schon nach oben, ich versorge Lando erst einmal. Das arme Tier ist ja vollkommen erschöpft. Wenn du dich später noch hinlegen möchtest, bevor du zu deiner Versammlung gehst, zieh ja deine Schuhe aus, sonst ruinierst du mir die neue Couch.«
In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass ihr Mann, seitdem er in Suizei gewesen war, im Haus immer seine Schuhe auszog.
***
Kapitel 2
Jared Swensson hatte die Rauchsäule ebenfalls gesehen. Sie hatte ihn allerdings nicht beunruhigt, denn es kam hin und wieder vor, dass es in dem Berg rumorte, sicherlich drei- bis viermal im Jahr. Von heftigen Ausbrüchen vieler Vulkane, zu denen es vor einigen hundert Jahren nahezu zeitgleich auf der ganzen Welt gekommen war, konnte man in den Chroniken lesen. Die Asche von Flaalands einzigem Vulkan war bis weit über Raitjenland hinaus niedergegangen und die Farm lag immerhin gut vier Tagesmärsche entfernt. Die Fruchtbarkeit des Landes war gewiss auch diesem Ereignis zu verdanken.
Der Himmel soll für viele Wochen verdunkelt gewesen sein, bis ein kräftiger und lang anhaltender Sturm wieder für Klarheit gesorgt hatte. In anderen Regionen der Erde hatten die Menschen die Sonne mehr als ein Jahr lang nicht gesehen.
Danach war die Welt verändert.
Warum sollte der alte Knabe auch gerade jetzt ausbrechen ... obwohl es zu meiner Stimmung passen würde, hatte Jared gedacht.
Das letzte Mal, dass ›Großvater Gork sich ein Pfeifchen angesteckt hatte‹, wie es hier scherzhaft hieß, war vor zwei Jahren gewesen. Die kleine Aschewolke hatte der Wind schnell zerstreut. Mehr war aus dem Vulkan nicht herausgekommen.
Der Farmer hatte damals – es war ebenfalls im Herbst gewesen – mit seinen Jagdfreunden gar nicht weit von Angkar Wat sein Lager aufgeschlagen. Es war eines der seltenen Male gewesen, an denen Vincent, der sich sonst lieber mit seinen Freunden die Zeit vertrieb, mit von der Partie gewesen war. Jared hatte ihn regelrecht beknien müssen mitzukommen und es war letztlich seiner Frau Elisabeth zu verdanken gewesen, dass Vincent sich der Jagdgesellschaft angeschlossen hatte. Sie hatte ihren Sohn zur Seite genommen und ihn fast schon angefleht. »Nun tu deinem Vater doch den Gefallen, mir zuliebe. Du weißt, wie wichtig ihm seine Jagdausflüge sind. Es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, bestehende Geschäftsverbindungen zu festigen und neue zu knüpfen. Zeige deinem Vater, dass dir die Farm nicht egal ist. Außerdem wird es dir guttun, mal wieder aus deinen vier Wänden herauszukommen.
Du bist blass wie ein Käse. Ein wenig Farbe würde dir gut stehen.«
Dieser Appell an seine Eitelkeit und ein Kuss auf die Wange hatten schließlich gewirkt. Mit den vier Wänden hatte sie die Wirtshäuser in Winsget und Seringat gemeint, in denen Vincent gewöhnlich viel Zeit mit seinen Freunden verbrachte.
Ein Stubenhocker war er gewiss nicht gewesen, aber für die Geschäftsbeziehungen seines Vaters hatte er sich stets einen Dreck interessiert, wie er selber gerne sagte. Er würde die Farm sowieso einmal vollkommen anders führen, vielleicht sogar verkaufen, hatte er mehr als einmal im Kreise seiner Freunde großmäulig verkündet. Er hatte lustlos seine sieben Sachen gepackt und war mitgekommen, in der Hoffnung, bald wieder zu Hause zu sein.
Damals hatte Jared einen kapitalen Hirsch, von dem noch lange erzählt wurde, mit einem einzigen Blattschuss erlegt. Er erinnerte sich gerade daran, dass sein Sohn nur sehr verhalten applaudiert hatte, während seine Jagdgefährten ihrer Freude über das Jagdglück begeistert Ausdruck verliehen hatten.
Ich hatte eben nie wahrhaben wollen, dass du so ganz anders gestrickt warst, als ich, dachte er wehmütig, und das tut mir jetzt leid. Ich hoffe, deine Mutter wird mir das einmal verzeihen.
Das prächtige Geweih mit seinen vierundzwanzig Enden zierte neben vielen anderen Jagdtrophäen die Eingangshalle des Haupthauses seiner Farm. Der todbringende Bolzen hing, hinter Glas und gerahmt, darunter. Jetzt würde er liebend gerne darauf verzichten, wenn er diesen Sonntagsschuss hätte aufheben können. Lieber hätte er genüsslich dabei zugeschaut, wie das Ungeheuer, das seinen Sohn auf dem Gewissen hatte, langsam verblutet wäre.
Er konnte ja nicht ahnen, dass Nornak Vincent getötet hatte.
Als Wächter des Tales hatte der nur seine Pflicht erfüllt. Er hätte sich ihm sicherlich auch nicht so dargeboten wie der ahnungslose Hirsch. Wahrscheinlich hätte er den Spieß eher umgedreht – und dafür noch nicht einmal eine Armbrust gebraucht.
Jared setzte die Suche nach Vincents Kopf fort. Bei dem Täter konnte es sich seiner Meinung nach nie und nimmer um einen Menschen gehandelt haben. Niemand hatte die Kraft, einem anderen den Kopf abzureißen. Sein Verdacht war deshalb auf einen Bären gefallen, der so etwas mit einem einzigen Prankenhieb hätte getan haben können. Wenn er den Kopf seines Sohnes finden würde, hätte er Gewissheit. Bisher hatte er allerdings noch keine Spuren eines Grizzlys entdecken können und auch nicht die eines anderen Raubtieres. Eines Pumas, Luchses oder Vielfraßes, von denen es in dieser Gegend wahrlich genügend Exemplare gab.
Für die Lachse ist es auch mindestens zwei Wochen zu früh, dachte Jared, als er langsam weiterging.
Auch nach einer weiteren Stunde intensiven Suchens hatte er immer noch keinen Hinweis gefunden. Normalerweise wäre er, wie in jedem Jahr, bald zum Fischen in die Agillen gekommen und hätte dabei wieder die geschickten pelzigen Jäger bewundern können. Der Indrock, der viele Meilen weiter breit und träge dahinfloss und auch seine Farm mit ausreichend Wasser versorgte, hatte hier in diesem Gebirge seinen wilden Ursprung. Die Lachse mussten in kraftraubenden Sprüngen zahlreiche Hindernisse überwinden. Dabei wurden sie von den Bären einfach mit dem Maul aus der Luft gegriffen. Die erfolgreichsten unter ihnen fraßen nur noch die fetten Bauchstücke der Fische und ließen die Reste für Raben, Füchse und andere Aasfresser liegen.
Sein Blick war meist auf den Boden gerichtet. So entging es ihm, dass Jesper stehen geblieben war. Der große Hund, der gerade hinter einem wilde Haken schlagenden Hasen her gewesen war, hatte abrupt gestoppt, seine Schnauze in den Wind gehalten, sich flach auf den Boden gelegt und ein leises, angstvolles Winseln von sich gegeben. Erst als der Farmer mit einigen aufmunternden Worten bei ihm war, erhob er sich vorsichtig und lief mit eingeklemmter Rute bei Fuß. Der Hase war ebenfalls mitten im Lauf um sein Leben stehen geblieben. Auf seinen Hinterkeulen aufgerichtet schaute er sich nach allen Seiten sichernd um, wobei seine Löffel nervös in ständiger Bewegung