VirOS 4.1. Alexander Drews

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Название VirOS 4.1
Автор произведения Alexander Drews
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783957770967



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zog sich daran hoch. Etwas wacklig kam sie wieder auf die Beine und balancierte auf ihren Absätzen. »D ... danke«, stotterte sie.

      »Es tut mir wirklich leid«. Der Kerl blickte sich um. »Kann ich das vielleicht wieder gutmachen? Eine Einladung zum Kaffee vielleicht?« Er schaute abwechselnd von Melanie zu Soledad.

      »Warum eigentlich nicht?« Melanie sah Soledad an. »Oder, Sole?«

      »Von mir aus«, stimmte sie zu. Teddybär strahlte und hielt ihnen die Tür auf.

      *

      Dass Burkhard in die beiden Frauen hineinrannte, brachte ihn wieder zur Besinnung. Immer und immer wieder hatten sie allen gepredigt, sie dürften ja keine Aufmerksamkeit erregen - und was machte er hier gerade? Hetzte diesem Kerl hinterher, als sei der ein Ladendieb und er der Kaufhausdetektiv oder sowas. Und was wäre gewesen, wenn er ihn erwischt hätte? Hier, in aller Öffentlichkeit, und jetzt, am hellichten Tage, hätte er ihm den Stick kaum abnehmen können. Er rieb sich sein schmerzendes Handgelenk, wo ihn in der Wohnung der entscheidende Schlag getroffen hatte. Verdammt! Fast wäre es ihm gelungen, diesem Fettklops die passende Lektion zu erteilen - und ihm das Teil abzunehmen, aber dann hatte Burkhard diesen Zufallstreffer gelandet. Einen Moment nur hatte er nicht aufgepasst, und schon war diese Qualle mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit die Treppe hinuntergestürmt und auf und davon.

      Und jetzt musste er zusehen, wie dieser Verräter mit den beiden Tussen in dieses Cafe ging, als ob rein gar nichts und der Tag ein wunderschöner Sonntag wäre.

      Vor Wut knirschte er mit den Zähnen. Das würde Burkhard büßen. Er konnte ja schließlich nicht ewig in dieser Bude hocken bleiben. Irgendwann würde die Ratte aus ihrem Loch kommen müssen. Vorsichtig würde sie nach links und rechts äugen, einen Schritt weiter hinaus wagen, noch einmal in alle Richtungen sehen und dann weggehen. In der sicheren Gewissheit, der Verfolger habe aufgegeben.

      Aber er würde nicht aufgeben. Er würde hier hinter der Eiche stehen bleiben, er würde das Cafe keinen Moment aus den Augen lassen, und wenn Judas das Lokal verließ, würde er sich an seine Fersen heften. So lange konnte es schließlich nicht dauern. Als ob Burkhard zwei Frauen gleichzeitig an sich fesseln könnte! Lächerlich. Er würde einen Kaffee mit ihnen trinken und dann zwei Stück Torte innerhalb von fünf Minuten verschlingen - das einzige Kunststück übrigens, mit dem der Schweinepriester andere Leute zu beeindrucken vermochte - und schließlich würden sich die drei nach einem nochmaligen »Tut mir wirklich leid« wieder trennen. Die große Schwarzhaarige würde dann vermutlich in den Supermarkt gehen - der Korb deutete darauf hin. Die kleine Blonde würde vielleicht ... egal, und Burkhard würde wohl wieder nach Hause gehen. Er sah auf die Uhr. Eine halbe Stunde war vergangen, eigentlich eine ganze Menge Zeit für ... da!

      Da kamen sie!

      Sie verabschiedeten sich.

      Die Schwarze nach links, die Blonde nach rechts. Und Burkhard machte sich daran, die Straße zu überqueren. Richtung Park. Der um diese Uhrzeit und vor allem bei diesem Wetter nicht sehr belebt sein würde ...

      Burkhard sah sich noch einmal um und ging dann den Sandweg entlang, eigentlich direkt an ihm vorbei, aber natürlich ohne ihn zu bemerken.

      Er wartete, bis Burkhard die erste Kurve erreicht und hinter einer Hecke immergrüner Rhododendren verschwunden war.

      Er trat hinter dem mächtigen Stamm hervor und ging Burkhard nach. Ganz in Ruhe, denn jetzt hatte er Zeit. Mit dem gemächlichen Tempo würde der Verräter nicht sehr weit kommen. Grimmig lächelnd wog er den alten Eichenknüppel, den er vom Boden aufgelesen hatte, in der Hand. Das Holz war schon ziemlich mürbe, es musste bei dem Sturm von vor drei Tagen abgebrochen sein, aber es war ziemlich dick. Logisch würde es beim ersten Schlag zerbrechen. Aber mehr als einen Schlag würde er auch nicht brauchen ...

      *

      Es gab Momente, in denen Leon sich durchaus fragte, ob es eine gute Idee gewesen war, nach seiner Scheidung wieder in sein Elternhaus zu ziehen.

      Einer dieser Momente war das Frühstück.

      Leon saß da, an der einen Stirnseite des etwas zu lang geratenen Esstisches und war tunlichst darauf bedacht, die blitzblankblütenweiße Tischdecke nicht mit Marmelade zu bekleckern oder mit Brötchenkrümeln vollzukrümeln, während seine Mutter ihm gegenber saß, mit abgespreitzem kleinem Finger an einer blumenverzierten Kaffeetasse aus hochedlem Porzellan nippte und ihn fortwährend musterte. Sein Vater, der zwischen ihnen an der Längsseite seinen Platz gefunden hatte, studierte derweil den Wirtschaftsteil seiner Tageszeitung. Beim Essen lesen, das war etwas, was Carola überhaupt nicht leiden konnte - und es hatte Jahre gebraucht, ehe sein Vater sein Zeitungsprivilieg hatte durchsetzen können. Aber immerhin hatte er es geschafft. Leon fand das auch ganz praktisch und wünschte sich, er könnte auch etwas lesen, aber seine Aufgabe war es, seinen Vater zu ersetzen und Konversation zu machen.

      »Was hast du heute vor?« Carolas Stimme waren die hochgezogenen Augenbrauen förmlich anzuhören. Sie zog die Augenbrauen immer hoch, wenn sie etwas wissen wollte, vermutlich dachte sie, es wirke vornehm.

      »Ich muss ein paar Pressemitteilungen schreiben. Violent Angel ist so gut wie fertig, und das muss natürlich beworben werden«. Leon griff nach einem Sesambrötchen, hielt dann aber in der Bewegung inne. Er hatte nicht mehr viel Hunger, und das Brötchen würde krümeln wie sonstwas. Carola hasste Krümel. Sesam- und Mohnbrötchen waren für sie bloß zum Dekorieren gut.

      Carola stellte ihre Kaffeetasse ab: »Violent Angel«, wiederholte sie, wobei sie das »Angel« aussprach wie »Ehnschel«. Sie hielt einen Augenblick inne. »Und worum geht es da?«

      »Du bist ein gefallener Engel und versuchst, wieder in den Himmel aufgenommen zu werden. Naja, das Übliche eben, freie Welt, viele Quests, etcetera.«

      Carola seufzte. »Ich wünschte, du würdest einmal etwas Richtiges machen! Als du angefangen hast, dich für Computer zu interessieren, war das ja noch gut und schön; wir dachten ja, du würdest mal was Richtiges damit machen. Und nun bringst du diese Spiele auf den Markt. Das ist doch nichts.«

      »Er verdient damit aber ziemlich gut«, brummte sein Vater, ohne den Blick zu heben.

      »Das meine ich doch nicht«, Carola starrte zu ihm hinüber. »Du hast auch dein Leben lang die Brauerei geleitet und warst damit zufrieden und dein Sohn hätte dich eigentlich am Computer entlasten sollen. Mit Anwendungsprogrammen«. Das letzte Wort sprach Carola immer so aus, als ob sie es auswendig gelernt hatte, ohne zu wissen, was es eigentlich bedeutete.

      »Na und, jetzt macht der Junge eben Computerspiele.« Sein Vater blätterte um. »Das ist doch nicht schlecht.«

      »Bier werden die Leute immer trinken«, befand Carola spitz.

      »Na ist doch gut. Dann spielen sie Leons Computerspiele und trinken dazu das Bier seines Vaters. Schöner Synergieeffekt.« Sein Vater sah kurz auf, zwinkerte Leon zu und vertiefte sich wieder in sein Blatt.

      Leon lächelte in sich hinein. Ach, was war das für ein Drama gewesen, als er verkündet hatte, er wolle lieber Informatik studieren statt BWL. Was man denn damit anfangen solle, und was er sich denn dabei dächte, und wieso er denn nicht einfach das tun könne, was man ihm auftrüge? Dabei war Carola nur deshalb dagegen gewesen, weil sie selber keine Ahnung von Informatik hatte. Von BWL eigentlich auch nicht, aber da bildetete sie sich immerhin ein, sich auszukennen. Richtig schlimm wurde es, als Leon dann einfach mal so ein kleines Spiel programmiert hatte. Eines von diesen Casual Games, das zu seiner eigenen Überraschung ein echter Hit wurde. Von da bis hin zur Gründung der LS-Games UG - haftungsbeschränkt, und zwar deshalb, weil Carola ihm die fünfundzwanzigtausend Euro zur Gründung einer GmbH nicht vorstrecken wollte - war es dann nur noch ein kleiner Schritt gewesen, und seitdem war er auf Kurs. Ein paar Spiele und eine gescheiterte Ehe später hatte er nun fünfzehn Mitarbeiter unter sich, war sein eigener Boss und sein Unternehmen auf dem besten Wege dazu, sich als Unterhaltungssoftwarehersteller zu etablieren. Tja, aber was war das schon gegen den Titel »Brauereibesitzer«? Und leider hatte er ja auch nicht immer alles richtig gemacht, wie Carola nicht müde wurde zu betonen.

      »Jetzt seid ihr