VirOS 4.1. Alexander Drews

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Название VirOS 4.1
Автор произведения Alexander Drews
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783957770967



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sagten Soledad und Susica unisoni, sahen sich anschließend an und kicherten los. Ohne Aufsicht konnte man einfach viel ungezwungener arbeiten.

      Als Soledad zu ihrem Wagen ging, sah die Welt zwar noch immer grau aus, sie wirkte aber aufgrund des Feierabends etwas rosiger. Soledad pfiff sogar leise vor sich hin. »Canta y sé feliz«, sing und sei glücklich, hieß die Melodie, die ihr in den Sinn gekommen war, und eigentlich hatte Peret, der die Nummer ursprünglich gebracht hatte, ja Recht. Was brachte es schon, sich immer und überall Sorgen zu machen.

      *

      »Von hier sieht das aus wie eine Raumstation«, schoss es ihm durch den Kopf.

      Nebeneinander lagen sie auf dem feuchten Erdboden und sahen zur Tankstelle hinüber, die mit ihren ausladenden Dächern und den blau leuchtenden Umrandungen wie ein Raumschiff wirkte, das hier draußen vor der Stadt, nahe der Autobahnauffahrt, auf einem Acker gelandet war.

      Er grinste. Der Vergleich traf genau ins Schwarze: Die da waren die bösen Außerirdischen, und sie beide die furchtlosen Helden, die die bereits begonnene Invasion zurückschlagen würden. Und das da drüben war das Alien-Schiff, mit dem sie anfingen.

      »Das ist kalt. Und nass«, quengelte jemand neben ihm.

      Er verdrehte die Augen und wandte sich Burkhard zu, der eigentlich Unit A hieß, was ein viel zu eleganter Deckname für ihn war. Was hatte der denn erwartet? Es war Anfang Dezember, es war kurz vor Mitternacht, und sie lagen nebeneinander in einem kleinen Graben auf der anderen Seite der Stichstraße, die als Tankstellenzufahrt diente - natürlich war es da kalt und nass. Was denn sonst?

      »Reiß dich zusammen«, zischte er. »Bernd wird es an der Nikolaikirche auch nicht viel wärmer gehabt haben«.

      »Du meinst Paranoimia«, warf Burkhard ein.

      »Ist doch egal. Wärmer war es trotzdem nicht.«

      »Das war aber am Tag. Jetzt ist Nacht.«

      »Nass war´s trotzdem.«

      »Ich halte das nicht mehr lange durch«, jammerte Burkhard.

      »Wieso hast du auch nicht die Thermowäsche angezogen?«

      »Die war so unbequem. Du, wie kalt ist das eigentlich? Ich hab gehört, dass schon Leute am Boden festgefroren sind.«

      Er ballte die Fäuste. Festfrieren? Im Nieselregen? In ihm stieg unbändige Lust auf, diesem Japperlappen eine reinzuhauen. Schon auf dem Weg hierher hatte der Kerl nur geplärrt. Wieso man denn über das dunkle Feld stolpern müsse? Wieso sie denn nicht mit dem Wagen direkt an die Tankstelle gefahren seien? Und, als sie dann an der Tankstelle angekommen waren, wieso sie denn nicht einfach reingingen?

      Geduldig hatte er ihm noch erklärt, dass es vielleicht etwas auffällig sein könnte, wenn zwei Typen in einem Auto gegenüber einer Nachttanke warten würden, dass sie sich also von jenseits des Feldes anschleichen und nun noch warten müßten, bis Toni sein Ablenkungsmanöver startete. Als Zeit dafür war genau Mitternacht vorgesehen, und die paar Minuten würde er ja wohl aushalten können.

      Bloß, dass Burkhard genau das eben anscheinend nicht konnte. Seitdem sie hier lagen - und das waren vielleicht gerade mal fünf Minuten gewesen - hatte er nicht aufgehört, darauf hinzuweisen, dass ihm kalt und nass sei. Und dunkel sei es außerdem.

      Er ballte die Fäuste so stark, dass seine Fingernägel sich in die Handinnenflächen gruben. Das hier war eine echte Geduldsprobe. Wenn er die Aktion mit Burkhard durchstand, dann würde der gesamte Rest ein Spaziergang werden. Die größte Herausforderung war einfach, nicht dem Verlangen nachzugeben, Burkhard eine reinzuhauen. Oder zwei. Oder drei. Vier. Fünf ... sechs ... nein, wenn er einmal damit angefangen hatte, würde er nicht mehr aufhören können. Er würde so oft zuschlagen, bis Burkhard wirklich einen Grund zum Jammern und Klagen hätte. Wenn der Typ doch bloß nicht so firm im Umgang mit dem Computer wäre. Aber gut, irgendwann würde der Tag kommen, wo sie Burkhard, den Superprogrammierer, nicht mehr benötigten.

      »Ich friere jetzt echt, ehrlich! Mir ist schon ganz kalt. O Gott, sag mal, spürst du deine Zehen noch? Ich spüre meine Zehen nicht mehr, spürst du deine noch?

      Diesen Tag begann er herbeizusehnen!

      Ein bronzefarbener Opel Kadett, der seine besten Jahre offenkundig bereits hinter sich hatte, rollte an die Tankstelle heran, ein junger Mann mit einem schwarzen Wuschelschopf stieg aus und begann, seinen Wagen zu tanken. Toni. Er grübelte kurz über Tonis Zweitnamen nach, aber der wollte ihm nicht einfallen. War auch schnuppe. Gab Wichtigeres.

      »Jetzt«, er stieß Burkhard an und sprang auf. Sein Kollege brauchte einen Moment, um hochzukommen, schließlich waren seine Beine aber sowas von, aua, total eingeschlafen.

      Er packte Burkhard am Arm und zog den Fettsack hoch. »Komm jetzt«, stieß er hervor, »wir haben nicht ewig Zeit.«

      Sie liefen ein Stückchen die Straße entlang, bis der Asphalt endete, dann sprinteten sie über den leeren LKW-Parkplatz und drückten sich an die rückwertige Wand des Tankstellengebäudes.

      »Mann«, keuchte Burkhard. »Solche sportlichen Einlagen bin ich gar nicht gewohnt.«

      »Ist dir denn jetzt wieder warm?«

      »Warm? Alter, ich schwitze.« Demonstrativ hob er den Arm und wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn.

      »Okay, komm jetzt«.

      Er stieß seinen Kumpel an, dann schlich er um die Ecke, bis sie das Fenster zum Büroraum der Tankstelle erreicht hatten. Um diese Zeit würde hier niemand sein; die völlige Dunkelheit hinter dem Fenster bewies es. Und Toni würde mit seinem Tankvorgang schon dafür sorgen, dass die Nachtkassiererin den Raum auch nicht rein zufällig betrat. Das fehlte noch, dass sie vorzeitig entdeckt würden, nur weil eine dumme Nachtwächterin aus unerfindlichen Gründen meinte, mal eben kurz im Zimmer des Chefs nach dem Rechten sehen zu müssen. Allerdings, wenn er das Personal richtig einschätzte, wäre die Wahrscheinlichkeit dafür eh gering gewesen. Ohne Toni würde die Tussi vermutlich auch bloß gelangweilt hinter der Kasse am Nachtschalter sitzen und darauf warten, dass die Zeit vergeht. Andererseits, lieber einmal zu vorsichtig als zu unvorsichtig sein. Es stand zuviel auf dem Spiel.

      Natürlich, die Überwachungskameras würden alles brav aufnehmen, was sie hier taten, aber das kümmerte ihn nicht - das Problem würde sich von selbst erledigen.

      Er drückte leicht gegen den Fensterrahmen und spürte, wie sich das Fenster öffnete. Gut. Hatte Olga von der Wolga also ganze Arbeit geleistet. Er drückte das Fenster einen Spalt auf, sodass er nach innen um die Scheibe herumgreifen konnte, und schob den Sicherheitsbügel über den Zapfen. Das Fenster schwang auf.

      »Hereinspaziert.«

      Burkhard besah sich das offene Fenster und warf dann einen ängstlichen Blick zur Straße. »Und wenn uns genau jetzt jemand sieht?«

      »Sollten wir uns also besser beeilen.« Er kletterte in das Innere des Gebäudes. »Jetzt mach hinne«, fauchte er, als Burkhard noch immer sich furchtsam nach allen Seiten umsehend draußen herumstand wie ein Leuchtturm.

      »Ja doch«, stöhnte er, stemmte sich auf dem Fensterbrett auf und wuchtete seinen Körper hinein. Natürlich verlor er beim Hereinsteigen den Halt und fiel auf den Boden. Das Poltern - und Burkhards Schmerzenslaut - dröhnten in seinen Ohren wie ein Kanonenschlag. Er hielt den Atem an und lauschte, während Burkhard auf dem Fußboden in seiner Position verharrte und nicht wagte, sich zu rühren.

      Erleichtert atmete er aus, als auch nach zwei endlosen Minuten keine Schritte vom Flur an sein Ohr gedrungen waren. Glücklicherweise hatte der dicke Teppich den Fall gedämpft, und Burkhards Quieklaut mochte als Katzengejammer durchgegangen sein, falls es überhaupt jemand gehört hatte.

      Wütend starrte er auf den Fettkloß zu seinen Füßen herunter.

      »Mann, echt, du Rindvieh.«

      »Ich hätte mir beinahe was getan«, wisperte Burkhard und rieb sich den Arm.

      »Ich