Gamer. Группа авторов

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Название Gamer
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957770714



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bearbeitete.

      Butterfly ging an ihm vorbei, kickte eine Pappschachtel beiseite, sah auf die Uhr. Spät dran. Sie eilte zum Diner. Nicht, weil sie die Laune ihres Chefs fürchtete oder weil sie Angst hatte, ihren Job zu verlieren. Nein, das hatte sich geändert. In den letzten Wochen hatte sie den Laden schleichend übernommen, während ihr Boss nur noch körperlich anwesend war, seinen fetten Körper kaum mehr hinter dem Tisch in der Ecke hervorhievte. Seit einer Woche fand sie ihn jeden Morgen dort vor, ohne dass er das Diner in der Nacht verlassen hätte. Eingeklemmt hinter dem Kunststofftisch, umrahmt von zerknüllten Verpackungen und verkrusteten Tellern. Wenn er die Einnahmen sah, die die Tageskasse hergab, zuckte er mit den Schultern, grunzte, holte sich einen Kaffee und verzog sich an seinen Tisch mit dem eingebauten Schirm, um wieder online zu gehen. Dass immer weniger Geld hereinkam, bemerkte er gar nicht, es schien ihn auch überhaupt nicht zu kümmern. Dafür wuchs das Bündel an Scheinen, das Butterfly zu Hause, hinter der Plast-Wand ihrer winzigen Küche, versteckte. Jeden Tag ein bisschen. Sie musste aufpassen, durfte nicht übertreiben. Wenn der Boss etwas mitkriegte, war es vorbei. Oder wenn ihr Freund Zed das Versteck fand. Auch wusste sie nicht, wie lange sich ihr Boss noch so seltsam verhielt – jeden Tag konnte er aus seinem Zustand aufwachen. Jeden Morgen, wenn sie das Diner betrat, fürchtete Butterfly, er wäre wieder der Alte, mürrisch, jähzornig und nur darauf konzentriert, ihr an den Arsch zu fassen. Doch ständig war er online, vertieft in seine neue Leidenschaft. Das ging nicht nur ihm so, immer mehr Verlierer hingen vor Bildschirmen und waren auf der Jagd nach Schätzen. Der neuste Scheiß. Satellitenverbindung, mobiles Terminal, et voilà, willkommen in den Ruinen des alten Internets. Seit Jahren lebte die Welt ohne, nachdem die Menschen es mit all der Macht, mit der sie es aufgebaut hatten, wieder zerstörten. Kein großer Knall, sondern ein leiser, digitaler Tod. Daneben hatten Kriege getobt, wahrscheinlich brauchten die Leute ein Ventil, mussten Blut und Zerstörung sehen können, statt nur gelöschten Daten nachzuweinen.

      Jetzt hoffte jeder auf den großen Wurf, auf sensationelle Funde, die er dann zu Geld machen konnte. Die meisten brachten nur Müll zutage, Fragmente alter Pornos, Chat-Protokolle oder völlig uninteressante Log-Dateien, die schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung niemanden interessiert hatten. Die wertvollen Funde wie noch funktionierende Kreditkartendaten oder vergessene Kontoinformationen waren wohl äußerst selten, wenn es sie überhaupt gab. Butterfly wollte ihre Zukunft nicht auf einer so vagen Hoffnung aufbauen. Sie musste zäh sein, um sich aus ihrer üblen Lage zu befreien und wieder fliegen zu können. Aber die Legenden, die sich um solche Funde rankten, um die Millionen, die manch einer mit ihnen gemacht hatte, die waren es, die die Leute an die Schirme fesselten. Auch Zed war auf den Zug aufgesprungen. Hatte sich einen alten Rechner besorgt und hing jetzt den ganzen Tag in der Bude. Faselte davon, dass er wie ein Schatztaucher durch Fragmente einer verlorenen Zeit glitt und ihre Geheimnisse ans Tageslicht holte. Dass er sie reich machen würde, ganz einfach. Aber das lag wohl eher an dem Sniff, den er sich reinzog. Immerhin schlug er sie nicht, solange er damit beschäftigt war.

      Als sie heute die Tür zum Diner aufschloss, war irgendwas anders. Sie trat ein, die Glocke an der Tür klingelte leise. So weit alles normal, die schlecht gewischten Tische mit Fetträndern, die Bänke mit zerschlissenen und bekritzelten roten Polstern. Der Tresen, dahinter die Küche. Ihre Schuhe klackerten laut über den Fliesenboden, als Butterfly den Raum durchquerte. Dann fiel ihr auf, was anders war: der Geruch. Unangenehm. Faulig. War die Kühlung ausgefallen? Sie schaltete das Licht ein. Strom war da.

      Flackernd erwachten auch die Terminals an den Tischen zum Leben, ihre Schirme bekritzelt und verkratzt, darunter die übergroßen und knallbunten Icons, die zum Surfen im Newnet einluden. Eine saubere, staatlich kontrollierte und grenzenlos uninteressante Cyberwelt. Ignoriert und vergessen.

      Dann sah sie Danny. Nach vorn auf den Tisch gesunken, auf dem Screen liegend, als wolle er seine Wange an ihn pressen, eine Liebkosung erzwingen. Doch das Auge, das zur Seite starrte, war tot. Kleine Fliegen schwirrten um ihn herum. Als Butterflys Gehirn den Geruch und seine Ursache begriff und in Zusammenhang brachte, kotzte sie ihren Takeaway-Kaffee auf die Fliesen.

      Kurz darauf saß sie in der Küche, während vorne zwei Sanitäter und ein Polizist die Leiche bargen. Ob der Kerl wirklich ein Bulle war? Für Butterfly sah er eher aus wie ein Organhändler, Facetattoo, bulgarischer Imitat-Goldschmuck. Aber egal, Hauptsache, sie schafften Dannys Kadaver fort.

      Sie war verunsichert, ihre Hand zitterte leicht, als sie ihren Kaffeebecher zur Hand nahm. Tee, sie sollte doch Tee trinken, wegen ihrem Magen. Und dem Kind. Sie spürte keine Trauer, kein Mitgefühl. Für sie war er immer nur der Fettsack gewesen, der sie bezahlte und ihr dafür ab und zu mal an den Arsch packen durfte. Egal. Wie sollte es jetzt weitergehen? Sie war sicher, dass das Diner nicht Danny gehört hatte, es musste also irgendwo einen Besitzer geben, der nun womöglich hier aufräumen wollte. Butterfly beschloss, erst einmal so weiterzumachen wie bisher. Jetzt konnte sie sich noch gründlicher an den Einnahmen bedienen. Umso schneller kam sie hier raus. Sie schnappte sich einen Lappen. Frühschicht.

      »Wo ist Danny?« José kam kurz vor Mittag in den Laden.

      »Tot.«

      »Mhmm.« Er hörte gar nicht zu, schaute auf das Display seines Smartphones, während er sich die Jacke auszog. Akrobatisch, um nicht den Sichtkontakt zum Bildschirm zu verlieren.

      Butterfly seufzte. »Hast dir jetzt auch diesen Scheiß besorgt?«

      José löste seinen Blick von dem Gerät in seiner Hand und schaute sie unter seinem blondierten Schopf kritisch an. »Was?«

      »Bist du jetzt auch so ein Spinner geworden?«, antwortete sie und deutete auf sein Phone.

      »Ach so. Ja, haben jetzt alle. Ist aber scheiße, werd’s wieder löschen. Davon kackt mein altes Teil immer ab. Obwohl ich mir geile Zugänge besorgt hab.«

      Butterfly nickte. »Will ich hier auch nich sehen. Du sollst kochen, sonst nix.«

      José runzelte die Stirn. »Machst du jetzt auf Boss, oder was? Was is’n mit Danny?«

      »Tot. War kein Witz.«

      José schluckte. »Echt? Puh. Das ist schräg.«

      »Schräg?«

      »Ja, erst gestern sind zwei Leute in meinem Block draufgegangen.«

      »Und?«

      »Beim Surfen. Echt unheimlich. Die Kontaktnetze hingen ihnen noch am Schädel. Hirn gegrillt.«

      »Und du hast das gesehen, oder hat dir das einer von deinen schlauen Freunden erzählt?«

      Er beugte sich näher zu Butterfly. »Die hatten sich richtig krasse TLDs besorgt. .hk und .tw. Da gibt’s eine Menge zu holen. Nicht nur so zerfledderte Fragmente wie auf .de und so.«

      »Du spinnst.«

      »Ey, was weißt du denn schon? Kennst du dich aus? Wohl nicht, oder?«

      Butterfly hielt ihm den ausgestreckten Mittelfinger ins Gesicht.

      »Schon gut. Ey, sag mal – was is’n jetzt? Ich mein, wenn Danny tot ist? Wie geht das hier weiter?«

      »Ich übernehm den Laden.«

      »Ach du Scheiße.«

      Level 2

      Der Krieger trifft auf ein Tor, davor eine steinerne Brücke, grün von Moos. Das Tor wirkt winzig in der endlos hohen Mauer, deren grauer Fels irgendwo in den Wolken den Himmel durchbricht.

      Das Fell der Wölfe dampft, sie keuchen und legen sich ins Laub, während der Krieger nur kurz verharrt, die Brücke und den Eingang in Augenschein nimmt und dann mit weiten Schritten im Dämmerlicht dahinter verschwindet. Als er den Torbogen durchschreitet, blitzen die Klingen der Schwerter auf, die er aus ihren Scheiden zieht.

      Am Abend kamen die ersten Gläubiger. Eher so Mafiatypen, Schutzgeld kassieren. Sie waren zu zweit, ein bulliger Riese, sah aus wie ein russischer Boxer. Der andere war klein, trug einen Anzug, nach hinten gegeltes Haar. Einen fiesen Ausdruck in den Augen. José hatte sich nicht blicken lassen, seit sie mit Putzen angefangen hatte. Die Küche sah aus wie Sau, er war