Gamer. Группа авторов

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Название Gamer
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957770714



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würde betrügen, die Leute ausnehmen.«

      »Was du auch tust«, werfe ich ein.

      »Nur so, dass sie es nicht merken.«

      »Scheinbar ja schon.«

      »Die meisten kennen dich. Wenn jemand mitkriegt, dass du gegen Neulinge spielst ...«

      »Kann dir das nicht egal sein?«

      »Damit die Leute einem anderen ihren Kies schenken?« Er öffnet eine der Metalltüren im Gang, dahinter ein kleines Kabuff mit einer einzelnen Liege. Ich trete ein, und bevor ich noch etwas erwidern kann, fällt die Tür hinter mir zu. Ich atme aus. Merke erst jetzt, dass ich die ganze Zeit viel zu flach geatmet habe. Ich verliere keine Zeit, ziehe mich aus und den Anzug an, der mit der Liege verbunden ist, und setze mich. Danach den VR-Helm. Das Programm startet, ich werde in die virtuelle Welt gezogen, merke einzig und allein meine Hand auf der Maus, die Tastatur vor mir. Der Joystick direkt daneben. Battles immer erst ab acht. Sein Geld alleine verzocken kann man aber bereits vorher. Ich sollte es nicht vor den eigentlichen Spielen einsetzen, kann es aber nicht lassen. Zu groß die Versuchung. Und es ist ja nur zum Warmzocken. Dann starte ich mein Lieblingsspiel. Mit Greifarmautomaten. Eine reine Glückssache, dabei zu gewinnen. Ich setze einen Point: lieber nicht zu viel riskieren. Nur je geringer der Einsatz, desto geringer auch die Gewinne. Ich lege meine Hand auf den Joystick, wie auf die Schaltung im Auto, wenn du die ganze Kraft des Motors spürst. Die Kuscheltiere liegen direkt vor mir, keine Plastikwand, die mich von ihnen trennt. Ich kann die schlechte Verarbeitung in den Nähten sehen, einen Faden, der herausschaut, und den Staub an den Seiten: die Realität in der Virtualität.

      Ich visiere ein Zehn-Point-Kuscheltier an: ein kleiner lilafarbener Hund. »Bereit, wenn Sie es sind«, zitiere ich einen meiner Lieblingsfilme, und drücke meine Hand sachte noch vorne, bis sie auf gleicher Höhe mit dem Hund ist. Einatmen, ausatmen – und nach links weiter. Der Haken stoppt, öffnet sich, fährt langsam hinunter, legt seine metallenen Arme um das Kuscheltier und schließt sich. Er ist drin! Ich juble innerlich. Mein ganzer Körper tobt vor Glücksgefühlen. Als könnte ich fliegen. Und nur der Himmel ist die Grenze. Der Greifarm fährt nach vorne zum Ausgabefach, öffnet sich wieder, das Kuscheltier fällt hinunter und verhakt sich an einem vorstehenden Affen, liegt nun knapp auf der Kante. Ich fluche. Aber mein Ehrgeiz ist geweckt, noch mal diesen Kick zu spüren. Und ich weiß ganz genau, dass es beim nächsten Mal klappen wird. Also setze ich erneut einen Point. Visiere diesmal einen blauen Elefanten an, mit einem Wert von vier Points. Danach einen Sieben-Point-Elefanten. Beide verfehlt! »Nur noch einmal«, sage ich zu mir. Versuche es mit dem Zwei-Point-Hund. Der Greifarm nimmt das Kuscheltier auf, zieht es hoch, fährt zum Schacht, und lässt es fallen. Mitten auf den lilafarbenen Hund von zuvor. Das Gewicht drückt beide hinunter und ich höre ein »Ping«. Zwölf Points wandern auf mein Konto. Ich lächle selig.

      Dann reißt mich plötzlich ein scharfes Klingeln aus der virtuellen Umgebung. »Scheiße«, fluche ich, nehme den Helm ab und greife nach meinem Handy. Schon wieder vergessen, lautlos zu machen.

      »Ja?«

      »Ich warte immer noch auf die Miete.« Die wöchentliche Warnung vom Vermieter. Ich seufze.

      »Ich hab das Geld fast zusammen. Wirklich.«

      »Nächste Woche. Sonst fliegst du.«

      Und schon wieder aufgelegt. Diesmal meint er es ernst, daran hege ich keine Zweifel mehr. Oder er hetzt mir seine Geldeintreiber auf den Hals. Kommt davon, wenn man in irgendeiner Absteige ein kleines Apartment nimmt. Obwohl die Wohnung den Begriff nicht wert ist: nur ein winziger Raum mit Kochnische und angrenzendem Bad. Barzahlung. Dafür stellt niemand Fragen. Nicht mal die Nachbarn, die haben ihre eigenen Probleme. Kein Small Talk in den Gängen, nur die Hoffnungslosigkeit der Verlorenen trieft von den Wänden.

      Ich stelle mein Handy lautlos, lege es beiseite und kehre zurück: Sofort schiebt sich die schillernde Welt vor meine Augen, so viel bunter als die Wirklichkeit. Nicht so trist, so grau, keine Wolken, die nicht mal die Sonne vertreiben kann. Ich seufze erneut. Schalte den Greifarmautomaten weg und rufe die Liste der Spielernamen auf. Die Halle scheint voll zu sein. Es ist kurz vor acht. Die Kategorien kann niemand einsehen, aber bei meiner ersten Einladung erkenne ich bereits, dass es sich um einen Neuen handelt. Pong. Jeder Anfänger denkt, bei diesem einfachen Spiel könne man nichts falsch machen. Mein Gegner wettet einen Point, ich tue es ihm gleich. Dann beginnt es. Der quadratische Ball setzt sich in Bewegung, und lange Zeit hört man nur das Aufprallen auf die Paddel. Dann lasse ich den Ball einige Male durch. Mein Gegner wird sich freuen, hat er doch gerade einen Point gewonnen. Bei der nächsten Runde setzt er fünf Points, fühlt sich sicherer. Und ich setze drei, um ihn nicht zu verstören. Denn jetzt lasse ich den Ball nur zweimal durch und setze dann zum Gegenschlag an. Bewege die Paddel schneller, sodass auch der Ball rast. Er kommt nicht mit. Kurz darauf hab ich seine fünf Points. Und er fordert mich ein weiteres Mal heraus. Ich achte auf die Zahlen, aber irgendwann wird es mir zu langweilig. Und ich gewinne einige Male hintereinander, bis mein Gegner die Lust verliert und sich wahrscheinlich einem anderen Spiel widmet.

      Dann lade ich einen Spieler zu Pacman ein. Es gibt zwei Pacmans und nur zwei Gespenster, vor denen wir ausweichen müssen. Wir jagen uns gegenseitig. Wenn alle Punkte im Labyrinth weg sind und beide noch leben, gewinnt der, der die meisten Punkte eingesammelt hat. Ich spiele fünf, sechs Runden, und auch das wird mir dann langweilig. Versuche es mit weiteren Spielen, erst Froggy, dann Bomberman. Man spielt wieder gegeneinander. Es gibt aber auch generell die Möglichkeit, alle Spiele allein zu spielen, nur stehen bei Battles die Gewinnchancen höher. Wenn du gut bist – und dein Gegner schlecht.

      Mein Konto zeigt schließlich fünfhundertdreiundsechzig Points an, aber es war zu einfach. Mir fehlt der Kick, den ich bei den Greifarmautomaten habe. Und ich strebe nach etwas, das neuer und riskanter ist. Lebendiger. Um mich selbst lebendig zu fühlen. Ich beobachte die Spielerliste: Es werden wieder weniger. Die Uhr zeigt nach Mitternacht. Ich überweise das Geld auf mein richtiges Konto und logge mich aus. Kurz überlege ich, noch etwas am Greifarmautomaten zu verprassen. Aber die Vernunft siegt. Oder die letzte Warnung vom Vermieter.

      »Hast dich gut geschlagen.« Croc kommt in den Raum, als ich gerade meinen VR-Helm abnehme. Er grinst. »Die Jünglinge sind ganz wild darauf, wieder zu kommen.« Ich lege den Helm beiseite und steige aus dem Anzug. Im vollen Bewusstsein, dass ich dann in Unterwäsche vor ihm stehe. Ziehe extra langsam meine Jeans über und lasse ihn dabei nicht aus den Augen. Alles nur ein Spiel. Croc mustert mich, meinen Körper. »Sag mal, wie alt bist du eigentlich?«

      Sofort fühle ich mich unwohl, sehe zwar mit meinen vierunddreißig Jahren noch viel jünger aus und bin recht gut in Form geblieben, trotzdem falle ich bei der Frage sofort in mich zusammen und schlüpfe schneller als gewollt in mein Oberteil.

      »Bleib locker«, meint er und grinst anzüglich, wird dann ernst: »Hast du damals auch schon gezockt?«

      »Als Kind? Klar.«

      »Bock auf einen richtigen Retro-Battle?«

      Ich schaue ihn fragend an.

      »So ähnlich wie jetzt auch. Man wettet, wie weit man kommt. Nur mit alten Konsolen und so. Ich werfe einen Jackpot von viertausend Points ein.«

      »Bin dabei!« Und denke sofort daran, meine Schulden abbezahlen zu können, mein Zimmer zu behalten. Endlich wieder vernünftig essen. Mal wieder mehr als eine Platte für Industriedosen zu verwenden. Richtig kochen, mit frischem Gemüse, das immer teurer wird.

      »Und du brauchst einen Partner. Dann noch der Vertrag.«

      Ich winke ab. »Bekomm ich hin.«

      »Nächsten Freitag, 16 Uhr.« Er schaut mich kurz von oben bis unten an, bleibt an meiner Oberweite hängen, grinst, dreht sich dann um. »Dirk lässt dich raus.« Dann verschwindet er, grinst immer noch, und in meinem Bauch macht sich ein unwohles Gefühl breit. Aber ich schiebe es beiseite.

      Ich laufe durch den Gang hinaus, die Tür steht offen, und ich nicke Dirk zum Abschied zu, dränge mich an den anderen vorbei und schleiche aus dem Untergrund, die Treppen hinauf zur Oberfläche, nicht weiter hinunter zur U-Bahn. Ich wähle den Weg zu Fuß, auch wenn es länger dauert. Vorbei an