Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt

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Название Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen
Автор произведения Götz Schmidt
Жанр Экономика
Серия
Издательство Экономика
Год выпуска 0
isbn 9783945997154



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es naheliegend, organisatorische Einheiten zum Ausbau der Kernkompetenzen zu schaffen und deren Einfluss auf das Unternehmen zu sichern.

      Art der zu erfüllenden Aufgaben

      Es macht nur dann Sinn, die Zuständigkeit für Aufgaben und die Form der Aufgabenerfüllung organisatorisch zu regeln, wenn sich die Aufgaben wiederholen. Bei Aufgaben, die sehr häufig wiederkehren, bietet es sich an, sie zu automatisieren oder spezialisierten Aufgabenträgern zu übertragen. Dieser Weg wurde in der Vergangenheit sehr häufig beschritten, seit Ford mit seiner Fließbandfertigung von Automobilen bei dem T-Modell so großen Erfolg hatte. Eine Spezialisierung macht also nur dann Sinn, wenn die Aufgaben sehr häufig gleichartig wiederkehren. Bei Aufgaben, die nur einmal oder sehr selten vorkommen, ergeben sich kaum Spezialisierungs- und Lerneffekte. Kommen Aufgaben sehr häufig vor, steigt darüber hinaus die Tendenz zur Formalisierung, d. h. die betreffenden Regelungen systematisch zu erarbeiten und auch zu dokumentieren.

      Mit steigender Größe eines Unternehmens oder eines Systems nimmt normalerweise insgesamt die Wiederholungshäufigkeit von Aufgaben zu. Wiederkehrende Aufgaben finden sich besonders oft auf den unteren Ebenen einer Unternehmung oder Verwaltung, während sie normalerweise seltener werden, je mehr man sich der Spitze der Hierarchie nähert.

      Treten bestimmte Aufgaben immer in der gleichen Form auf (z. B. Auslieferung von Produkten), ergeben sich andere Konsequenzen für die Strukturierung als wenn zwar gleichbleibende Aufgaben zu erfüllen sind, die Anforderungen an die Erfüllung sich aber ständig verändern (z. B. Vermögensberatung oder Rechtsberatung von Kunden/Mandanten). Im letztgenannten Fall kann die Aufgabe nur bedingt formalisiert werden. Dem Mitarbeiter müssen Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden, insbesondere wenn Aufgaben sehr komplex sind.

      Die Auslieferung eines Buches ist eine wenig komplexe Aufgabe, die Aufnahme eines neuen Titels in das Verlagsprogramm jedoch eher komplex, da hier der Autor, die Redaktion, die Herstellung, das Marketing usw. beteiligt sind, deren vielschichtige Aufgaben aufeinander abzustimmen sind.

      Je komplexer die Aufgaben einer Unternehmung oder eines Bereichs sind, desto mehr müssen Koordinationsmaßnahmen ergriffen werden, z. B. Prozessbeauftragte ernannt, Projektleiter eingesetzt, Abwicklungsverfahren formalisiert werden usw.

      Aufgabenträger

      Das Bild, das man sich vom Menschen macht, etwa die Unterstellung über die Motive eines „normalen“ Mitarbeiters, kann die gewählte Organisation beeinflussen. Hier sind vereinfacht zwei Komponenten zu berücksichtigen: die Leistungsfähigkeit (Qualifikation) und der Leistungswille.

      Aufgabenträger unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit. In Organisationseinheiten, in denen tendenziell hoch qualifizierte Aufgabenträger eingesetzt sind, werden weniger strenge Formalisierungen benötigt, Entscheidungsbefugnisse können delegiert, Kommunikationsbeziehungen freigegeben und Kontrollen vermindert werden. Je besser ein Mitarbeiter ausgebildet ist, desto größer wird tendenziell der Freiraum der organisatorischen Gestaltung. Neuere Konzepte wie die Agile Organisation lassen sich überhaupt nur mit sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern umsetzen.

      Neben der Qualifikation ist die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter maßgeblich für den Erfolg. Der Leistungswille eines Menschen hängt u. a. von seinen Werten und davon ab, in welchem Umfang er eigene Ziele in einer Unternehmung erreichen kann. Sucht ein Mensch Anerkennung, strebt er nach Aufstieg, sieht er Chancen voranzukommen, dann lässt er sich auch durch mehr Verantwortung, mehr Delegation, mehr Information motivieren. Sieht jemand demgegenüber den Beruf nur als notwendiges Übel, um anderen Neigungen nachgehen zu können, so wird mehr Delegation nicht das erwünschte Engagement bewirken. Bei der Entscheidung für konkrete aufbauorganisatorische Lösungen ist deswegen auch immer zu prüfen, ob bei den betroffenen Mitarbeitern diese Voraussetzungen erfüllt sind, die für eine aufbauorganisatorische Lösung unterstellt werden.

      Wirtschaftliche Situation

      Die wirtschaftliche Situation, in der sich eine Unternehmung befindet, kann die jeweilige organisatorische Lösung beeinflussen. Es ist eine einfache Lebensweisheit, dass gravierende organisatorische Veränderungen ein Mindestmaß an „Leidensdruck“ voraussetzen, andernfalls sind die Beharrungskräfte zu groß und viele sinnvolle und gut gemeinte Vorhaben lassen sich nicht durchsetzen. Darüber hinaus erfordern bestimmte organisatorische Lösungen finanzielle und personelle Ressourcen, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation u. U. nicht bereitgestellt werden können. Dann muss vielleicht die beste der zweitbesten Lösung weichen oder es wird eine punktuelle Veränderung anstelle einer grundlegenden Neuerung gewählt. Umgekehrt kann bei entsprechend massiven Problemen oft nur eine fundamentale Neuerung das Überleben sichern. Gerade in der Strukturkrise der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war es – und bei der disruptiven Digitalisierung und Umstellung auf Industrie 4.0 ist es unumgänglich – alte Lösungen über Bord zu werfen und sich grundlegend neu zu „erfinden“.

      Technische Ausstattung

      Art und Umfang der eingesetzten Sachmittel können im Fertigungs- wie im Dienstleistungsbereich erhebliche Einflüsse auf die Aufbauorganisation haben. Die im Unternehmen vorhandene Informationstechnik (IT) spielt hier eine herausragende Rolle. Allgemein bekannt ist, dass der frühere Trend zur Zentralisierung der IT-Funktionen in den ersten Jahrzehnten dieser Technologie umgekehrt wurde, als leistungsfähige dezentrale Rechner und Netzwerke und Cloud Computing aufkamen. Die fortschreitende Entwicklung effizienter Informationssysteme und die Verlagerung von IT-Unterstützung in das Netz haben dazu geführt, dass ungeheure, früher kaum für möglich gehaltene Spielräume bei der Stellenbildung und bei der Bearbeitung von Prozessen entstanden sind.

      Ein umfassend zuständiger Kundenberater in einer Bank kann ganzheitlich Kunden bearbeiten, weil ihm die notwendigen, aufbereiteten Informationen jederzeit zur Verfügung stehen. Für eine komplexe Kreditgewährung waren zuvor u. U. 4 bis 6 Spezialisten notwendig, jetzt kann er zusammen mit einem Entscheidungsberechtigten den Vorgang fallabschließend bearbeiten. Standardkredite können ohne Einschaltung von Menschen durch Systeme von der Antragstellung bis zur Auszahlung vollautomatisch bearbeitet werden.

      Offenkundig beeinflusst oder ermöglicht also die eingesetzte IT aufbauorganisatorische Lösungen.

      War früher der typische Mitarbeiter an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden, so löst sich diese enge Bindung immer weiter auf. Home-Office-Regelungen, Coworking Spaces, netzbasierte Konferenzen und Meetings, globales Outsourcing von Dienstleistungen sind Belege dafür, wie stark die Technik in organisatorische Strukturen eingreift und diese beeinflusst.

      Alter und Entwicklungsstadium der Unternehmung

      Start-ups haben schon aufgrund ihres Alters eine weniger formalisierte Organisation als ältere Unternehmen. Die Mitarbeiter müssen am Markt und miteinander Erfahrungen sammeln, ehe sie überhaupt sinnvoll im Detail organisieren und Regeln dokumentieren können. Viele Probleme müssen gemeinsam diskutiert werden. Jeder kümmert sich um alles. Die Spezialisierung ist wenig entwickelt. Je mehr ein Unternehmen reift, desto größer wird die Arbeitsteilung, desto größer werden auch die Koordinationsnotwendigkeiten, d.h. formale Regelungen z. B. darüber, wer wen in welcher Form zu informieren hat. Damit entstehen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollsysteme, die sich in vielfältigen Regelungen und Detailvorschriften zeigen. Der Organisationsgrad (die Anzahl der Regelungen) wie auch der Grad an Formalisierung (formelle Dokumentation organisatorischer Lösungen) steigen mit zunehmendem Alter eines Unternehmens normalerweise deutlich an.

      Nicht nur die einzelnen Mitarbeiter selbst, sondern ganze Organisationseinheiten unterscheiden sich deutlich von anderen hinsichtlich der dort vorherrschenden Werte und sozialen Normen.

      Werte im sozialen Umfeld von Unternehmungen sind Vorstellungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen von Individuen und Gruppen, die den Wertenden als wichtig erscheinen. Werden solche Werte von der Mehrheit geteilt, entwickeln sie sich zu Normen, d. h. zu Erwartungen der Mehrheit an alle anderen Mitglieder. Werte und Normen sind zentrale Elemente der Unternehmenskultur.

      Bei einem Blick über die Unternehmen hinaus wird deutlich, dass ganze Gesellschaften von Wertvorstellungen geprägt