Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt

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Название Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen
Автор произведения Götz Schmidt
Жанр Экономика
Серия
Издательство Экономика
Год выпуска 0
isbn 9783945997154



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werden, müssen sich die Verantwortlichen auch mit diesen Werten und Normen auseinandersetzen.

      Beispielhaft sollen hier die folgenden Werte und Normen kurz angesprochen werden:

      Wir-Gefühl und Vertrauenskultur

      Wertschätzung der Kunden

      Innovations- und Risikobereitschaft

      Fehlerkultur

      Quellen der Macht

      Mitarbeiterorientierung

      Qualitätsorientierung.

      Gerade junge, aufstrebende Unternehmen entwickeln oft ein ausgeprägtes Wir-Gefühl, das sich insbesondere darin äußert, dass jeder bereit ist, in gewissem Umfang eigene Interessen denen des Unternehmens unterzuordnen oder Kollegen zu helfen, wenn dies notwendig ist. Das wird auch als Vertrauensorganisation bezeichnet. In einem solchen Umfeld gibt es normalerweise größere Entscheidungsspielräume für Einzelne, weniger formelle Regelungen, mehr situative Abstimmungen und einen freieren Informationsfluss, was zu einer verstärkten Flexibilität führt, die ein wesentliches Element des Wettbewerbsvorteils solcher Unternehmen darstellt.

      Es gibt aber auch Beispiele für das extreme Gegenteil, Unternehmen in denen eine ausgeprägte Misstrauenskultur herrscht. Diese zeigt sich häufig in älteren Unternehmen, die eine lange, oft schmerzvolle Geschichte hinter sich haben. Das Fehlverhalten Einzelner hat immer wieder dazu geführt, dass umfangreiche Regelungen, Kontrollen und aufbauorganisatorische Strukturen geschaffen wurden, um zukünftig derartiges Fehlverhalten zu vermeiden. Das herrschende Menschenbild lautet: „Traue niemandem“.

      Unternehmen unterscheiden sich auch in der Wertschätzung, die sie ihren Kunden entgegenbringen. Das ist zum einen daran erkennbar, wie gut sie überhaupt ihre Kunden und deren Vorstellungen kennen, zum anderen daran, wie weit sie bereit sind, auf diese Vorstellungen einzugehen und schließlich und nicht zuletzt, wie freundlich und serviceorientiert das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Kunden ist oder wie mit Beschwerden umgegangen wird.

      Auch hinsichtlich der Innovationsbereitschaft gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Unternehmen. Wie offen Unternehmen für Neuerungen sind, wie groß die Veränderungsbereitschaft ist und damit auch die Bereitschaft, neue Strukturen auszuprobieren, das hängt von der Risikofreude und Flexibilität ab. Solche Einstellungen können sich insbesondere dann entwickeln, wenn Unternehmen Fehler verzeihen und als Chancen zum Lernen akzeptieren können.

      Unternehmen unterscheiden sich auch darin, welche Quellen der Macht als gültig angesehen werden. In manchen traditionellen Unternehmen dominiert die sogenannte Positionsmacht. Die Macht eines Einzelnen, das Verhalten und die Einstellungen Dritter zu beeinflussen, beruht in diesem Fall auf seiner hierarchischen Einordnung und den damit verbundenen Kompetenzen. Dominiert als Wert demgegenüber die sogenannte Expertenmacht, ist nicht die Position dafür entscheidend, wer sich durchsetzt. Vielmehr setzt sich derjenige durch, der in dem konkreten Fall die besseren Argumente oder die größere Erfahrung besitzt. Je nachdem welche Norm gilt, sind bestimmte aufbauorganisatorische Regelungen mehr oder weniger geeignet. So lassen sich komplexe Leitungsstrukturen oder selbstorganisierte, agile Strukturen mit einer vorherrschenden Norm „Der Chef hat immer Recht“ kaum erfolgreich einführen.

      Von dem Verständnis dessen, welche Quellen der Macht es gibt, hängt auch die Mitarbeiterorientierung ab: Wie werden Mitarbeiter geschätzt, wie ernst werden die Bedürfnisse der Mitarbeiter genommen, welche Freiräume werden zugestanden, welchen Stellenwert hat die Teamarbeit? Werden Teamfähigkeit, Loyalität oder Kooperationsbereitschaft als gegeben angesehen, so liegt eine gute Voraussetzung für aufbauorganisatorische Lösungen vor, in denen Delegation, Teamarbeit, Projektarbeit und Formen vernetzter Arbeit im Vordergrund stehen.

      Unternehmen unterscheiden sich u. U. auch deutlich darin, welche Bedeutung für sie beispielsweise die Qualität ihrer Produkte hat. Qualitätsführerschaft kann ein Unternehmen nur erreichen, wenn die weit überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter das gemeinsame Ziel teilt, Spitzenqualität abzuliefern, und auf diese Qualität obendrein stolz ist. Aufbauorganisatorische Regelungen zu Kompetenz- und Kontrollsystemen werden in einem solchen Unternehmen sicherlich anders aussehen als in Unternehmen, die als Massenanbieter eher weniger qualitätsorientiert sind, dafür aber die Kostenführerschaft anstreben.

      Je größer Unternehmen werden, desto eher verselbstständigen sich Organisationseinheiten, Unternehmensbereiche oder Abteilungen und bilden eigenständige oder zumindest differenzierte Kulturen aus. So entwickeln sich häufig etwa in Rechnungswesen, Marketing, Entwicklung, Produktion und Human Resources ganz eigene Kulturen. Die unterschiedlichen Denkweisen und die Werthaltungen der Mitarbeiter verschiedener Bereiche werden immer dann besonders deutlich, wenn Vertreter verschiedener Organisationseinheiten in Projekten zusammenarbeiten. Das führt leicht zu kulturellen Auseinandersetzungen, die sich an einzelnen Sachfragen aufhängen. Aufbauorganisatorische Lösungen müssen solche Bereichskulturen berücksichtigen. Es ist daher sinnvoll, bereichsübergreifende Reorganisationsprojekte von Anfang an durch umfangreiche Change-Management-Maßnahmen zu begleiten, wenn die Einführung einer organisatorischen Lösung nicht scheitern soll.

      Gesellschaftliche und kulturelle Trends

      Gesellschaftliche Werte und Normen sind Erwartungen einer ganzen Gesellschaft an Individuen, Gruppen, aber auch an die Unternehmungen. Erwartungen breiter gesellschaftlicher Kreise, die sich oft aus Werten oder Normen ableiten, fordern beispielsweise konkrete Regelungen zur Ausgestaltung von Bonussystemen und zur Vergütung von Spitzenverdienern, zum Engagement bei der Integration von Flüchtlingen etc.

      Da Unternehmen in einem gesellschaftlichen Umfeld tätig werden, können sie Erwartungen ihres Umfeldes nicht einfach ignorieren. Dazu ist es gar nicht nötig, dass diese Erwartungen in Gesetzen und Verordnungen formell festgelegt sind. Wenn die Unternehmen für sich Nachteile vermeiden wollen, müssen sie auf die Erwartungen reagieren. Das hat nicht nur sachliche Gründe wie beispielsweise der zunehmende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der zu innovativen Schulungsangeboten zwingt. Der bewusste Umgang mit und die Berücksichtigung von gesellschaftspolitischen Entwicklungen hat darüber hinaus auch einen erheblichen Einfluss auf das Ansehen von Unternehmen und damit auch auf dessen Wettbewerbsfähigkeit.

      Mit dem steigenden Bewusstsein für Klimawandel und Umweltschutz haben immer mehr Unternehmen dieses Thema aufgegriffen, dafür eigene Zuständigkeiten geschaffen und innerbetriebliche Regelungen in Kraft gesetzt. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in der Gesellschaftspolitik. Das in der jüngeren Generation verstärkte Bewusstsein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie auch veränderte Formen der Arbeitsteilung zwischen Partnern haben neue organisatorische Lösungen hervorgebracht, indem beispielsweise vermehrt Arbeitsangebote unterbreitet werden, die nicht mehr dem klassischen Acht-Stunden-Tag entsprechen (flexible Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle, Home Office, Coworking-Büros etc.).

      Aufbauorganisatorische Fragestellungen werden durch solche gesellschaftlichen Werte und Normen meistens eher indirekt beeinflusst, sie sollten aber von den Verantwortlichen im Auge behalten werden. Zunehmend kritisch setzt sich die Öffentlichkeit mit Themen wie Renditeziele, nachhaltiges Wirtschaften, Gleichberechtigung nicht nur von Männern und Frauen, sondern auch von anderen Bevölkerungsgruppen, auseinander oder es kommen Fragen auf, welche sozialen oder gesellschaftlichen Leistungen Unternehmen erbringen sollten. Das sind nur einige Beispiele für Erwartungen, die die Öffentlichkeit an die Unternehmen richtet. Besonders deutlich werden die organisatorischen Konsequenzen, wenn beispielsweise die Verlagerung von Unternehmensteilen geplant ist oder massiv Stellen abgebaut werden sollen. Schaltet sich hier die Presse ein, entsteht häufig Handlungsdruck, bestimmte Lösungen zu unterlassen oder andere zu wählen, die aus rein innerbetrieblicher Sicht u. U. wenig wünschenswert sind.

      2.2.7 Kunden und Markt

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