Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt

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Название Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen
Автор произведения Götz Schmidt
Жанр Экономика
Серия
Издательство Экономика
Год выпуска 0
isbn 9783945997154



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über Jahrzehnte der Satz: Die Struktur folgt der Strategie. Mit anderen Worten: eine sinnvolle Organisation hängt von den wesentlichen Zielen ab, die ein Unternehmen verfolgt. Seit den 1980er Jahren wurde immer stärker herausgestellt, dass auch „weiche Faktoren“, die als Kultur bezeichnet werden, bei der organisatorischen Gestaltung zu berücksichtigen sind. Es wird damit unterstellt, dass bestimmte Lösungen nur in bestimmten Kulturen wirksam werden können. Schließlich wurde immer deutlicher erkannt, dass auch die Technik – insbesondere die Informationstechnik – ganz erheblich die Organisation beeinflussen kann.

      Hier wird davon ausgegangen, dass noch weitere Faktoren entscheidend dafür sind, ob sich eine Lösung in der Praxis bewährt. Es ist die jeweilige Situation zu beachten. Vor dem Hintergrund einer konkreten Situation können die unterschiedlichsten Lösungen „vernünftig“ sein. Dieser Ansatz warnt damit gleichzeitig auch davor, Rezepte zu übernehmen, d. h. Lösungen zu kopieren, die sich anderswo bewährt haben. Die Eignung einer Lösung muss vor dem Hintergrund einer konkreten Situation beurteilt werden. Diese Situation kann relativ komplex sein, wie die Abbildung 2.01 (siehe nächste Seite) zeigt.

      Im Zentrum der Abbildung 2.01 stehen die organisatorischen Lösungen sowohl der Aufbau- als auch der Prozessorganisation. Unternehmens- oder systemübergreifend muss außerdem geregelt werden, wie gegebenenfalls mit Dritten kooperiert werden kann oder soll. Diese Zusammenhänge wurden bereits in Kapitel 1 erläutert.

      Über diesen Lösungen steht die Strategie, die sich aus einer Vision ableitet und die zu konkreten Zielen führt. Hier wird also berücksichtigt, was ein Unternehmen erreichen will. Vision, Strategie und Ziele sind die internen Erwartungen und Vorgaben, an denen sich die Lösungen immer orientieren müssen.

      Da Unternehmen und Systeme aber nicht um ihrer selbst willen bestehen, ist bei der organisatorischen Gestaltung immer auch darauf zu achten, für welchen Markt die Leistungen erbracht werden sollen. Wer sind unsere Kunden oder unsere potenziellen Kunden, was benötigen sie – vielleicht ohne dieses selbst schon zu wissen – beziehungsweise welche Produkte oder Leistungen wünschen sie?

      Auf der anderen Seite stehen der Wettbewerb und das sonstige betriebliche Umfeld, welche die organisatorischen Lösungen maßgeblich beeinflussen können. Neben den Mitbewerbern und deren organisatorischen Lösungen sind die Lieferanten und das technologische Umfeld zu beachten.

      Abb. 2.01: Übersichtsmodell – Einflussfaktoren auf die Organisation

      Schließlich gibt es selbst gesetzte oder von außen vorgegebene Restriktionen, die den Handlungsspielraum für organisatorische Lösungen einengen oder bestimmte Lösungen erzwingen. Sie können ebenso wie die innerbetrieblichen Rahmenbedingungen eine Lösung wesentlich beeinflussen.

      Als letzte große wichtige Gruppe sind hier Normen, Werte und andere kulturelle Merkmale zu erwähnen, von denen es abhängt, ob Lösungen akzeptiert werden und ob sie sich in der Praxis bewähren.

      2.2 Gesamtmodell der Organisation

      Diese eben skizzierten Sachverhalte sollen hier nun ein wenig weiter detailliert werden.

      Im Zentrum dieses Modells stehen die Inhalte der organisatorischen Gestaltung, also die Sachverhalte, für die organisatorische Lösungen gefunden werden müssen. Sie wurden bereits in Kapitel 1 erläutert und werden in den folgenden Kapiteln ausführlich behandelt.

      Organisatorische Lösungen müssen sich an den Vorstellungen orientieren, die ein Unternehmen von sich hat oder die es erreichen will. An der Spitze solcher Vorstellungen steht häufig eine Vision oder eine Mission, der sich ein Unternehmen verschreibt. In der Umgangssprache wie auch in der Fachliteratur werden diese Begriffe sehr unterschiedlich verwendet und neuerdings um den Begriff Purpose erweitert. An dieser Stelle soll kurz erläutert werden, wie diese Begriffe verstanden werden.

      Eine Vision ist eine auf die Zukunft gerichtete Leitidee über die eigene Entwicklung (MÜLLER-STEWENS/LECHNER, 2016). Sie beschreibt in kurzer und prägnanter Form, was ein Unternehmen für sich erreichen will oder was es sein möchte. Das könnten beispielsweise die Marktführerschaft, Qualitätsführerschaft, hohe Rentabilität etc. sein. Der Blick ist dabei eher nach innen gerichtet und hat weniger die Kunden bzw. den Markt im Auge. Eine Vision ist mittel- bis langfristig ausgelegt und gibt den Mitarbeitern Orientierung, Identifikation, Legitimation und Inspiration.

      Bill Gates (Microsoft): In jedem Haushalt ein PC.

      Motorola: Attain six-sigma quality (Wir wollen Six-Sigma-Qualität erreichen).

      Boehringer Ingelheim: Value through innovation (Werte schaffen durch Innovation).

      Solvay: Seit Gründung unseres Unternehmens vor 150 Jahren hat uns stets die tiefe Überzeugung geleitet, dass es unsere Aufgabe ist, mit innovativer Chemie Mitarbeitern, Kunden und Gesellschaft eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

      UVEX: Wir wollen die besten unserer Branche sein. In der UVEX-Welt wollen wir Innovationsführer sein, damit weltweit wertorientiertes Wachstum schaffen und in allen unseren Aktivitätsbereichen und Märkten aufs Siegerpodest! Value follows innovation!

      Eine Mission dient dazu, Mitarbeitern und insbesondere Dritten zu vermitteln, welchen Zweck ein Unternehmen erfüllen, welchen Nutzen es stiften will.

      BMW: Freude am Fahren.

      LBS: Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause.

      Lufthansa: Nonstop you.

      Walt Disney: Make people happy.

      UVEX: Protecting People.

      Mit der Mission soll also vor allem nach außen verdeutlicht werden, welchen Nutzen das Unternehmen stiften will. Der aufgrund des gesellschaftlichen Wertewandels heute immer häufiger verwendete Begriff „Purpose“ ist eine Fortführung von Vision und Mission. Er findet sich insbesondere in hierarchiearmen Organisationen, lässt sich am besten mit Daseinszweck oder Absicht übersetzen und betont den Sinn einer Unternehmung für Mitarbeiter, Märkte, Kunden und die Gesellschaft (der Begriff „Purpose“ wird in Kapitel 6 ausführlich erläutert).

      Bei allen Unschärfen in der Abgrenzung dieser Begriffe stehen sie für ganzheitliche, umfassende und in die Zukunft gerichtete Vorstellungen darüber, wie sich das Unternehmen sieht und was es für sich und für den Markt erreichen will. Für ein konkretes Unternehmen bedeutet es Antworten auf die Fragen „Warum gibt es das Unternehmen?“, „Was macht das Unternehmen?“, „Woran wird der Erfolg des Unternehmens gemessen?“ Vision, Mission oder Purpose sollten immer auch dabei helfen, den einzelnen Mitarbeiter zu motivieren, ihm Orientierung zu geben und neue Mitarbeiter zu gewinnen. So sollte es für jeden Einzelnen erkennbar sein, ob das, was er aus Überzeugung tut, auch auf den Unternehmenszweck einzahlt.

      Aus Vision, Mission und Purpose leitet sich die Unternehmenspolitik ab. Dazu gehören alle Entscheidungen, die das Verhalten eines Unternehmens nach außen und nach innen in allgemeiner Form bestimmen und sicherstellen sollen, dass ein Unternehmen langfristig Erfolg hat. Vision/Mission und Unternehmenspolitik gehen oft in ein Unternehmensleitbild ein, das Grundsätze, Ziele und Werte beinhaltet, an denen sich das Handeln und die längerfristige Planung eines Unternehmens ausrichten sollen.

      Aufbauorganisatorische Lösungen können wesentlich dazu beitragen, die Vision und Mission bzw. den