Traum-Heiler. Robert Moss A.

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Название Traum-Heiler
Автор произведения Robert Moss A.
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783941435506



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      Er hört einer Stimme zu, die den Wahn anpreist, einer Stimme, die er als seine Seele identifiziert. Laut C. G. Jung ist Wahn eine besondere Form des Geistes, die sich an alle Lehren und Philosophien klammert, noch mehr jedoch an das tägliche Leben, da das Leben an sich unlogisch ist.

      In der Nacht bewegt sich alles in seinem Zimmer in schwarzen Schwaden. Die Wände werden zu furchterregenden Wellen. Nun befindet er sich im Raucherzimmer eines großen Ozeandampfers, in dem der dicke, kleine Professor prachtvoll gekleidet wieder auftaucht und ihm einen Drink anbietet, während er ihm eröffnet, dass er, Jung, vollkommen verrückt sei und in eine Anstalt eingewiesen werden müsse. Sein apathischer Zimmernachbar taucht auf und verkündet, er sei Nietzsche und zugleich der Erlöser.

      Jung schreibt, dass in dieser Nacht alle Dämme brachen, dass sich die Steine in Schlangen verwandelten und alles Lebendige erstarrte. Zurück in seiner verschlossenen Zelle im Irrenhaus kämpft er gegen verstrickende Spinnweben aus Worten und Gedanken. Er ermahnt sich, nichts, was er tut, zu einem Gesetz zu machen, denn das ist die Überheblichkeit der Macht. Dennoch merkt er, dass er ein Gesetz des Lebens nach dem anderen ausspricht, in der Art von Nietzsche, dessen Identität der Irre zu seiner Linken angenommen hat.

      Jung weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist, als er einen rauschenden Wind hört und gleich darauf eine hohe dunkle Wand, die immer näher kommt. An ihr kriecht ein grauer Wurm aus Tageslicht entlang. Er hat ein rundes Gesicht und lacht. Jung öffnet die Augen und blickt auf in das fröhliche rundliche Gesicht der Köchin. »Sie haben fest geschlafen«, sagt sie zu ihm. »Sie haben über eine Stunde geschlafen.«

      Jung glaubt zwar, wach zu sein, aber er befindet sich natürlich immer noch in einem Traum und entrückt von seinem physikalischen Zuhause. Anders als in den Klischeegeschichten, in denen das Unmögliche erklärt wird und die Handlung wieder aufgegriffen wird, sobald der Schlafende aus seinem Traum erwacht, gibt es hier nur das Erwachen innerhalb eines enormen, schnellen, unentrinnbaren Traums.

      Der Augenblick, in dem ich nahe dran war, Das Rote Buch in die Ecke zu werfen, kam an dem Punkt, an dem C. G. Jung beschreibt, wie er von einer Frau, die sich seine Seele nannte, dazu gedrängt wurde, ein Stück der Leber eines ermordeten Mädchens zu verspeisen.16 Ich war angeekelt und hätte mich fast erbrochen. Doch ich zwang mich dazu, weiterzulesen, jeden Schritt mit Jung auf seiner beängstigenden schamanischen Reise durch die vielen Zyklen der Unterwelt zu gehen.

      Wie Jung zugegeben hat, könnte jeder, der die letzten Kapitel von »Liber Primus«, dem ersten Teil des Roten Buchs, aus dem Zusammenhang gerissen liest, den Verfasser für verrückt halten. Zwar brillant und lehrreich, aber dennoch verrückt. Doch aus solchen gefährlichen Abenteuern jenseits des eingezäunten Gebiets des gesunden Menschenverstands leitete Jung seine Vorstellungen von »psychologischer Objektivität« ab, einem der stimulierendsten Elemente seiner späteren Arbeit. Aus seinen Dialogen mit seinen Traumfiguren und seinen Versuchen, die Kräfte, die mit ihnen einhergingen, zu integrieren und ins Gleichgewicht zu bringen, entwickelte er seine Praxis der aktiven Imagination. Wie er dem holländischen Dichter Roland Holst sagte, hatte er sein Werk Psychologische Typen aus dreißig Seiten seines Roten Buchs heraus entwickelt.17 Das waren offensichtlich die Seiten, auf denen die Begegnungen mit Elias und Salome stattfinden und auf denen - nachdem Jung so lange von einer riesigen schwarzen Schlange fest umschlungen wird, bis das Blut aus ihm herausspritzt und sein Kopf sich in einen Löwenkopf verwandelt - Salome zu ihm sagt: »Du bist Christus.«18

      Auf diese Episode in seinem transpersönlichen Innenleben im Jahr 1925, die auf der Scheidelinie des katastrophalen Weltkriegs lag, den mehrere seiner Visionen vorausgenommen hatten, blickte C. G. Jung auf einem Seminar zurück, als er sagte, man könne sich dieser unbewussten Fakten nicht bewusst werden, ohne sich ihnen hinzugeben. Wenn man seine Ängste vor dem Unbewussten überwinden und sich fallen lassen kann, dann bekommen diese Fakten ein Eigenleben. Es kann passieren, dass man von den Vorstellungen so gepackt wird, dass man wirklich verrückt oder fast verrückt wird. Die Bilder formen einen Teil der uralten Mysterien. Es sind genau Fantasien, die die Mysterien geschaffen haben.19

      In seinem Schlusswort zu Das Rote Buch schrieb er fast ein halbes Jahrhundert später, dass er tatsächlich verrückt geworden wäre, wenn er es nicht geschafft hätte, die überwältigenden Kräfte der ursprünglichen Erlebnisse zu absorbieren. Manche der Prozesse, die er dadurch entwickelte, sind für uns alle geeignet. Er schrieb sich durch die Phase hindurch, indem er alles notierte und dann seine Tagebücher schrieb. Er suchte nach und schuf Bilder der Ausgewogenheit und Integration, aus denen eine faszinierende Reihe von Mandalas wurde. Und er entwickelte die Technik, die er aktive Imagination nannte. Statt die Gestalten und Inhalte unserer Träume und Fantasien abzulehnen, arbeiten wir bei dieser Methode mit ihnen und tragen das Drama weiter zur Heilung und Erlösung.

      Er sei ins Mysterium gefallen, sagt Jung, nachdem er von der schwarzen Schlange fast zerdrückt und von Salome salutiert wurde.20 Das Rote Buch zeigt uns den enormen Preis, den Jung für seine Erkenntnisse bezahlt hat, und das Ausmaß seines Muts und letztendlich seiner meisterhaften Selbstbeherrschung. Es ist die Dokumentation eines tiefgründigen schamanischen Abstiegs in die Unterwelt sowie eines langen Tests und einer ausführlichen Einweihung in Räumen des Dunklen, aus denen ein weniger starker Geist und eine schwächere Seele womöglich nie mehr den Weg zurück gefunden hätte.

      ***

      Aus der schamanischen Tiefe seiner persönlichen Erfahrungen, die auf der Wissenschaft, den Lehren und der analytischen Praxis beruhen, entwickelte Jung eine Tiefenpsychologie, in der Träume im Mittelpunkt stehen. Er erkannte, dass die meisten von uns nur ein oder zwei Stockwerke des Gebäudekomplexes bewohnen, aus dem unsere Psyche besteht, und sich der vielen anderen Ebenen und Räume gar nicht bewusst sind. Wie wir sehen werden, werden wir in unseren Träumen von Häusern (und anderen Träumen) wach für die Dinge, die sich auf den anderen Stockwerken befinden. Jung schuf den Begriff Individuation für den Prozess des Erkennens und Integrierens dessen, was in den restlichen Räumen unseres persönlichen Wohnhauses zu finden ist.

      Außerdem erfand er einen Wortschatz für das, was auf den verschiedenen Ebenen dieser Wohnhäuser lebt. Viele Begriffe sind dank der Arbeit von Jungs Anhängern wohl bekannt, wenn auch nicht immer richtig angewandt. Es gibt die Schattenseite, die einen oder mehrere Teile unseres Selbst darstellt, den oder die wir nicht mögen, nicht kennen und auch nicht kennen lernen wollen. Der Schatten kann negativ oder positiv sein. Dann gibt es die Anima, die Frau im Mann, und den Animus, den Mann in der Frau. In seinen späteren Jahren sagte Jung, den Schatten zu erkennen sei das, was er die Lehre nennt. Aber sich mit der Anima auseinanderzusetzen sei das, was er das Meisterwerk nenne, das nicht viele erreichen würden.21 Konflikte unter den Hausbewohnern sind genauso unvermeidbar wie Konflikte und »Widersprüche« in unserer Welt. Es gäbe keine Auflösung, nur das geduldige Ertragen von Gegensätzen, die sich letztendlich aus dem eigenen Wesen ergeben, schrieb Jung in einem Brief. Man selbst ist ein Konflikt, der in sich und gegen sich wütet, um seine unvereinbaren Substanzen - das Männliche und das Weibliche - im Feuer des Leidens miteinander zu verschmelzen und so die feste, unveränderbare Form zu erschaffen, die das Lebensziel ist. Wir werden so lange zwischen den Gegensätzen gekreuzigt und der Folter ausgeliefert, bis das versöhnende Dritte Gestalt annimmt.22 Und was ist dieses »versöhnende Dritte?« Es ist die Bewegung auf das Selbst zu (das wir das Höhere Selbst nennen können). Es bezieht die »Annäherung an das Göttliche« mit ein, die Jung als das Herzstück seines Werks definiert hat. Wie er sagte, galt das Hauptinteresse seiner Arbeit nicht der Behandlung von Neurosen, sondern vielmehr der Annäherung an das Göttliche ... Für Jung war die Annäherung an das Göttliche die wahre Therapie und insofern man die göttliche Erfahrung macht, wird man vom Fluch des Pathologischen befreit. Sogar die Krankheit an sich nimmt eine göttliche Eigenschaft an.23

      ***

      In der Praxis übernahm Jung mehrere der charakteristischen Methoden des Schamanen, der weiß, dass das richtige Lied oder die richtige Geschichte das Verhalten des Körpers verändern und die Kraft der Seele anrufen kann. Einmal erklärte sich Jung bereit, eine Frau mit »unheilbarer Schlaflosigkeit« zu empfangen, bei der bisher kein Mittel gewirkt hatte. In ihrer Gegenwart erinnerte