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einem Mädchen in einem kleinen Boot auf einem Fluss voller glänzender Fische. Es hat den Rhythmus von Wind und Wasser. Jungs Patientin war verzaubert. Seit dieser Nacht war ihre Schlaflosigkeit wie weggeblasen. Ihr Hausarzt wollte wissen, was Jungs Geheimnis war. Er fragt sich, wie er dem Hausarzt hätte erklären können, dass er einfach nur auf sein Inneres gehört hatte? Er war auf dem Meer. Wie hätte er dem Mann sagen können, dass er der Patientin nur mit der Stimme seiner Mutter ein Gutenachtlied vorgesungen hatte? Eine Verzauberung dieser Art sei die älteste Form von Medizin.24

      Jung, der Traumschamane, wusste und bestand darauf, dass Träume uns zeigen, was die Seele im Leben will. In Erinnerungen, Träume und Gedanken schreibt er, ihm kämen den ganzen Tag über aufregende Ideen und Gedanken. Doch er beziehe nur die in seine Arbeit mit ein, zu denen seine Träume ihn leiten würden. Er war immer bereit, sich durch seine Träume in Bewegung zu versetzen und Kurskorrekturen von ihnen anzunehmen.

      Während er heilige Stätten in Indien aufsuchte, wurde er plötzlich auf eine wichtige Mission zurück nach Europa geschickt. In seinem Traum befindet sich Jung mit Freunden auf einer Insel an der Südküste von England. Er steht unter dem Schutzwall eines Schlosses, das von Kerzen erleuchtet ist. Er erkennt das Schloss als Heimat des heiligen Grals. Doch der Gral ist noch nicht da. Im Traum erfährt Jung, dass seine Mission darin besteht, in der Dunkelheit zu einem leeren, abgeschiedenen Haus zu schwimmen, den dort versteckten Gral zu bergen und ihn zu seinem wahren Zuhause zu bringen. Jung deutet den Traum als Aufforderung, als westlicher Mensch zu sehen und zu handeln. Er schreibt, es sei, als würde ihn der Traum fragen: ›Was machst du in Indien? Suche lieber für dich und deine Mitmenschen das heilende Gefäß, salvator mundi, das ihr so dringend braucht.‹25

      Ein Traum lieferte Jung ein Kraftbild zur Selbstheilung, als er nach einer Herzembolie im Jahr 1946 dem Tod nahe war. Er schrieb in seinem Bett mit Bleistift an einen englischen dominikanischen Priester (Victor White) über einen Traum, der ihm Hoffnung machte. Das Traumbild war ein bläulicher Diamant im Himmel, der sich in einem stillen, runden Teich spiegelte. Die ruhige Schlichtheit dieses Bildes nach den komplexen Stürmen seines früheren Lebens und seiner »Konfrontation mit dem Unbewussten« gab ihm Kraft und Zuflucht.

      Nahe dem Ende seines Lebens wurde Jung von einem Traum zu einem entschiedenen Schritt angespornt, sein Werk Lesern außerhalb des recht kleinen Kreises von Akademikern, Wissenschaftlern und Analytikern zugänglicher zu machen.

      Trotz des Überflusses an neuen Ausgaben und Auswahlbänden aus seinem Werk, die man in fast allen Buchhandlungen findet, lesen und verstehen heutzutage nicht viele Leute C. G. Jungs eigene Schriften (im Gegensatz zu jungianischen Erörterungen). Seine umfangreiche Lehre, einschließlich der Klassiker - deren Griechisch und Latein er für seine Monografien verwendet hat - ist für viele zu unförmig und abschreckend.

      In seinem letzten großen Essay hat Jung es jedoch geschafft, seine besten und originellsten Ideen so zu formulieren, dass sie für eine breite Leserschaft einfach genug sind, ohne irgendetwas zu verwässern oder zu vereinfachen. Er tat dies aufgrund eines Traums.

      1959 nahm Jung an mehreren sehr menschlichen gefilmten Interviews mit John Freeman von der BBC teil. Nachdem der Regisseur Aldus Books sie gesehen hatte, kam ihm eine glänzende Idee: Warum nicht Jung bitten, ein Buch für die Allgemeinheit zu schreiben? Als Freeman Jung auf Anweisung des Regisseurs fragte, war dessen Antwort ein glattes Nein. Er war mittlerweile über achtzig und wollte die Zeit, die ihm noch verblieb, nicht mit Bücherschreiben verschwenden. Doch dann träumte Jung, er würde an einem öffentlichen Ort stehen und vor einer bunten Menge von Menschen eine Vorlesung halten. Sie hörten nicht nur aufmerksam zu, sondern verstanden auch, was er sagte.

      Durch diesen Traum änderte Jung seine Meinung. Er setzte sich an das Buch, das nach seinem Tod unter dem Titel Beiträge zur Symbolik des Selbst veröffentlicht wurde. Er sah es als ein Gemeinschaftsprojekt an und bat Kollegen, denen er vertraute - wie zum Beispiel Marie-Louise von Franz -, eigene Kapitel beizusteuern. Sein persönlicher Beitrag war ein langer Essay mit dem Titel »Annäherung an das Unbewusste« über das Unbewusste. Der Aufsatz ist das Einfachste, was Jung je verfasst hat. Das heißt, wenn Sie auf den ersten Seiten auf einen Begriff wie z. B. Misoneismus (Angst vor dem Neuen) stoßen, dann bleiben Sie gelassen.

      In seinem Essay geht es hauptsächlich um Träume. Er hat ihn nur zehn Tage vor dem Beginn seiner letzten Krankheit verfasst; daher kann man diesen Text als sein Testament bezeichnen. Der Essay bezeugt vor allem die vorrangige Wichtigkeit, die Träume in Jungs Tiefenpsychologie und seiner Vision von der menschlichen Natur und ihrer Evolution einnehmen. Jung macht die unvergessliche Aussage, es sei eine uralte Tatsache, dass Gott hauptsächlich durch Träume und Visionen spreche.26

      EINE SCHAMANISCHE TRÄUMERIN TRÄUMT SICH IN GÖTTLICHE GNADEN

      Sandra Ingerman ist eine der authentischsten und wichtigsten schamanischen Lehrmeister und Heiler, die ich kenne. Auch gehört sie zu denen, die am meisten zu unserem Wissen beigetragen haben, warum die Seele den Körper verlässt und was wir tun müssen, um sie zurückzuholen und bei uns zu halten. Im Jahr 1991 fuhr ich in die Gegend von Boston, um an einem ihrer Workshops teilzunehmen, kurz nachdem ihr so schöpferisches Werk Auf der Suche nach der verlorenen Seele. Der schamanische Weg zur inneren Ganzheit erschienen war. Ich fasste auf Anhieb Vertrauen zu ihr. Hier war ein Mensch ohne Maske, eine integere Person, die für ihre Berufung lebte. Außerdem freute es mich sehr, einer Träumerin zu begegnen. Sandra sprach darüber, wie Träume ihr eigenes Leben gelenkt hatten. Sie schlug vor, dass die Workshop-Teilnehmer in der ersten Nacht um Träume bitten sollten, um sich auf die Durchführung der Seelenheilung am nächsten Tag vorzubereiten.

      Als ich Sandra nach dem Workshop in Santa Fe besuchte, erzählte sie mir von einem Traum, in dem sie Tiefenheilung erhalten hatte. Aufgrund eines Symptoms, das kein Medikament bisher geheilt hatte, hatte sie chronische Schmerzen und betete um einen Heiltraum. Er kam nicht über Nacht. Sie betete über einen Monat lang Nacht für Nacht darum. Schließlich träumte sie, dass ein Indianer hinter dem Sofa in ihrem Wohnzimmer hervorkam. Er hatte eine durchsichtige blaue Rassel in der Hand. Er deutete mit der Rassel auf den Körperteil, der ihr wehtat. Er schüttelte die Rassel über der Stelle, bis der Schmerz in ihrem Traumkörper verschwunden war. Als sie aus dem Traum aufwachte, war auch der Schmerz in ihrem physikalischen Körper verschwunden. Als ich Sandra zwanzig Jahre später an dieses Ereignis erinnerte, sagte sie mir, dass sie seitdem schmerzfrei geblieben sei. Eine Lektion dieser Erfahrung ist die Notwendigkeit, beharrlich zu bleiben, wie wir beide feststellten.

      Wenn Sie das, worum Sie bitten, nicht über Nacht bekommen, dann versuchen Sie es immer wieder. Ein Traum gab Sandra den Anstoß für ihr zweites Buch Die Heimkehr der verlorenen Seele, in dem es darum geht, was man tun muss, um nach tiefschürfender Arbeit an sich selbst die Seele im Körper zu halten. Mehrere Jahre lang tauchte in ihren Träumen wiederholt eine Botschaft auf, die auf einer Grundbedingung für Heilung bestand: »Der Erfolg jeder Heilung beruht auf der Fähigkeit des Klienten, die Heilung anzunehmen.«27 Sie hat es »kapiert«, als sie im Traumzustand vollständig fühlen konnte, wie es ist, auf der Zellebene Heilenergie zu erhalten.

      Nach ihrem ersten Aufenthalt in Ägypten folgte ihr ein Wesen aus dem kollektiven Geist des altertümlichen Ägyptens nach Hause. Es war Anubis, den jedes Kind, das jemals eine ägyptische Museumsausstellung besucht hat, als Gestalt mit dem Kopf eines Hundes oder Schakals kennt. Für die alten Ägypter (und Menschen, die sich dieser Tradition verbunden fühlen) ist Anubis ein wichtiger Torwächter, Öffner der Wege zwischen den Welten und Schutzherr des Träumens und Astralreisens. In einem Traum stellte sich Anubis Sandra als »der Gott, der die Ebenen zwischen den Welten bewacht«, vor. Er wies Sandra darauf hin, dass in ihrer Arbeit etwas fehle: der fehlende Schlüssel war die »Transfiguration«.28 Auch wenn Schüler des Neuen Testaments (und Harry-Potter-Fans) das Wort kennen dürften, konnte sich Sandra nicht daran erinnern, es vor dem Traum jemals gehört zu haben. Der Hinweis aus ihrem Traum von Anubis führte zu der Entdeckung, dass Transfiguration »Shapeshifting« (eine andere Gestalt annehmen) bedeutet - und zwar auf Ebenen, die über ihre bisherige Praxis als Schamanin hinausgingen. Der Begriff bedeutet die Anhebung und Projektion von Licht, wie Jesus es tat, als er seinen Jüngern Licht einflößte.