Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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Einwohner, im Land NRW dagegen 8.390 DM, in Essen 9.760 DM und in Duisburg 10.630 DM.

      Und eine weitere Schwäche der Oberhausener Wirtschaft wurde ebenfalls in der 1970 vorgelegten umfangreichen Unterlage für die Arbeitsgruppe „Kommunale Neugliederung im Ruhrgebiet“ aufgezeigt, nämlich unterdurchschnittliche Einzelhandelsumsätze und deutliche Kaufkraftabflüsse in die Nachbarstädte. Während der Einzelhandel in Oberhausen 1966 lediglich einen steuerpflichtigen Jahresumsatz von 1.829 DM je Einwohner erzielte, waren es insbesondere aufgrund der dort ansässigen Großhandelskonzerne in Mülheim 6.684 DM und in Essen sogar 7.876 DM. Im Landesdurchschnitt waren es 2.666 DM.8

       Tabelle 2: Beschäftigtenentwicklung in ausgewählten Wirtschaftsbereichen in Oberhausen

       * Stilllegung der Zeche Osterfeld 1992

       Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wohlen

       Dramatischer Beschäftigungsabbau

      In den Jahren von 1961 bis 1970 erlebte Oberhausen den höchsten Abbau von Industriearbeitsplätzen in der gesamten Stadtgeschichte. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 18.600 Arbeitsplätze abgebaut. Betroffen hiervon waren neben dem Bergbau, mit dem Verlust von über 8.000 Arbeitsplätzen, insbesondere die Betriebe der Eisen- und Metallerzeugung sowie des Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbaus mit einem Rückgang der Mitarbeiterzahl um 7.000 Personen.

      Die 1958 beginnende Strukturkrise des Steinkohlenbergbaus wurde ausgelöst durch die Einfuhr preiswerter amerikanischer Kohle und ständig zunehmende Erdölimporte. Mitte der 1960er Jahre standen die Bergbauunternehmen in Oberhausen vor massiven Absatzproblemen, in deren Folge es 1968 zur Schließung der Zeche Concordia, auf der 1961 noch über 4.000 Bergleute arbeiteten, kam sowie zu einem Belegschaftsabbau auf der Zeche Osterfeld von 6.100 (1961) auf 3.100 Beschäftigte im Jahr 1970. Die weltweiten Überkapazitäten insbesondere beim Massenstahl führten bei der Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG) seit 1965 zu einschneidenden Anpassungsmaßnahmen. Die Belegschaft am Standort Oberhausen verringerte sich von 13.600 (1961) auf 10.100 (1970) Mitarbeiter. Auch in den stark exportorientierten Oberhausener Betrieben des Maschinen-, Fahrzeug- und Anlagenbaus wurden in den 1960er Jahren Arbeitsplätze abgebaut. Von 1961 bis 1970 nahm die Belegschaftszahl bei der GHH Sterkrade AG von 9.200 auf 8.600 ab. Im gleichen Zeitraum reduzierte sich die Beschäftigtenzahl bei der Deutsche Babcock AG von 7.100 auf 6.800.

      Bei der Ruhrchemie wurden in Folge der 1958 begonnen Neuordnung des Unternehmens von 1958 bis 1970 rund 400 Arbeitsplätze abgebaut. 1967 zog die Unternehmensleitung jedoch eine positive Bilanz des Konsolidierungsprozesses: Das Umsatzvolumen des Geschäftsjahres 1966/​67 hatte sich gegenüber dem Vorjahr um mehr als sechs Prozent gesteigert, 40 Prozent der Produktion gingen ins Ausland, das Aktienkapital wurde zum 1. Juli 1967 auf 84 Mill. DM erhöht und den Aktionären wurden 14 Prozent Dividende gezahlt (WAZ, 18. August 1967).

      Auch im Bereich der Konsumgüterindustrie wurden in erheblichem Umfang Arbeitsplätze abgebaut: 1965 stellt die Polstermöbelfabrik Carl Hemmers mit 1.000 Beschäftigten die Produktion ein. Lediglich rund 150 Mitarbeiter finden bei der Polstermöbelfabrik Profilia in den ehemaligen Hemmers Werkhallen einen neuen Arbeitsplatz (NRZ, 23./​24. März 1967). Der Verlust von so vielen Industriearbeitsplätzen wirkte sich auch auf andere Wirtschaftsbereiche aus: Im Baugewerbe wurden 2.000 Arbeitsplätze abgebaut und im Handel 600.

      Diesem massiven Beschäftigungsabbau standen lediglich 2.200 neu geschaffene Arbeitsplätze im tertiären Sektor gegenüber. Ein über Jahrzehnte anhaltender Strukturwandel der Oberhausener Wirtschaft hatte begonnen, in dem sich zunächst der Anteil des tertiären Sektors von 32 Prozent (1961) auf 40 Prozent (1970) erhöhte, während gleichzeitig der Wert für den primären und sekundären Sektor zusammen von 68 auf 60 Prozent abnahm9.

      Der räumlichen Verteilung der Arbeitsstätten im Stadtgebiet entsprechend, waren die drei Stadtbezirke Oberhausens in unterschiedlicher Weise von Arbeitsplatzverlusten betroffen. Der große Verlierer war Alt-Oberhausen. Von den 1961 in Alt-Oberhausen existierenden 61.500 Arbeitsplätzen wurde fast jeder Fünfte bis 1970 abgebaut. Absolut waren dies 11.600, während in Osterfeld die Beschäftigtenzahl insgesamt nur geringfügig abnahm und Sterkrade eine leichte Zunahme verzeichnen konnte.

      Das deutlich geringere Arbeitsplatzangebot führte neben erhöhten Fortzügen aus Oberhausen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre auch zu einem erheblichen Ansteigen der Auspendlerzahlen von 19.400 (1961) auf 25.000 (1970). Die Zahl der Einpendler blieb dagegen mit 16.000 Einpendlern konstant. Der sich damit ergebende Auspendlersaldo nahm in diesem Zeitraum von 3.100 auf 8.700 Personen zu. Die intensivsten Austauschbeziehungen bestanden auch weiterhin zu den Nachbarstädten Duisburg, Essen, Bottrop und Mülheim. Die Mehrzahl der Berufspendler waren Männer im Alter von 25 bis unter 45 Jahren. Die Ein- und Auspendler nach Duisburg, Essen und Mülheim waren überwiegend im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigt, für die Auspendler nach Bottrop waren die Zechen Prosper und Franz Haniel die wichtigsten Arbeitgeber10.

       Mit der Schließung der Zeche Concordia beginnt eine neue Phase des Strukturwandels

      Von 1952 bis 1957 hatten die Oberhausener Bergbaubetriebe mehr als 19.000 Beschäftigte. Seit dem Höchststand 1957 mit einer Belegschaft von fast 19.600 wurden im Zuge der damals beginnenden ruhrgebietsweiten Kohlekrise allein bis 1961 über 5.000 Arbeitsplätze abgebaut. Wachsende Kohlehalden, Feierschichten, die Einführung der Fünf-Tage-Woche auf den Zechen, die Liberalisierung des Energiemarktes mit der Folge steigender Importe von Kohle und Mineralöl waren erste Hinweise auf eine grundlegende Veränderung der Oberhausener Wirtschaft. Trotz dieser ersten Warnsignale erwarteten in den frühen 1960er Jahren nur Wenige ein Ende des Wirtschaftswunders. Großindustrie und Bergbau waren nicht nur die mit Abstand wichtigsten Arbeitgeber, ihnen gehörten auch über 80 Prozent der Industrieflächen im Stadtgebiet. Allein der Bergbau besaß damals 11 Prozent aller Flächen in Oberhausen. Die Stadt selbst verfügte für eine eigenständige Wirtschaftsförderung bis 1967 als einzige größere Fläche nur über ein vier Hektar großes Grundstück an der Brinkstraße. Auch der Erwerb kleinerer Flächen an der Waldteich-, Kirchhellener-, Matzenberg- und Friesenstraße änderte am Flächenmangel grundsätzlich nichts. Eine Befragung aller Industrie- und Gewerbegbetriebe hatte 1967 die Erweiterungsabsicht von 35 Betrieben mit einem Flächenbedarf von etwa 240.000 Quadratmetern ergeben (WAZ, 22. November 1967).

       Abb. 4: Demonstration gegen die Schließung der Zeche Concordia auf dem Friedensplatz, 1967

      Bis 1970 gelang es der städtischen Wirtschaftsförderung, etwa 560.000 Quadratmeter für die Verlagerung und Neuansiedlung von Unternehmen, vornehmlich in Lirich, Buschhausen, Weierheide und Königshardt, bereitzustellen. Bezeichnend für die damalige Ausrichtung der Wirtschaftsförderung war, dass man insbesondere Gewerbeflächen mit Gleisanschlussmöglichkeiten erwerben wollte.

      Den dramatischen, aber letztlich vergeblichen Kampf um den Erhalt der Zeche Concordia beschreibt das Kapitel Wirtschaftswunderjahre (Peter Langer). Bergleute, Hütten- und Stahlarbeiter waren der stolze und in der Regel auch gut entlohnte Kern der Oberhausener Arbeitnehmerschaft. S. ist es nur allzu verständlich, dass der Beschluss zur erstmaligen Stilllegung einer Zeche in Oberhausen nach dem Zweiten Weltkrieg, von dem 3.500 Beschäftigte und deren Familien betroffen waren, eine bis dahin einmalige Solidarisierung der Bevölkerung und aller gesellschaftlichen Gruppen mit den Concordia-Kumpeln auslöste. Es ging nicht nur um Concordia, es ging um Oberhausen. Am 20. Mai 1967 erreichte der Protest gegen die Stilllegungspläne mit einer Massendemonstration auf dem Altmarkt, an der mehr als 10.000 Menschen teilnahmen, seinen Höhepunkt. Allein aus Herne, Bochum, Gelsenkirchen, Bottrop, Dinslaken und Essen waren 600 Bergleute in Bussen angereist. An der Spitze des Demonstrationszuges gingen unter einem Transparent mit der Aufschrift „Concordia darf nicht sterben“ Oberbürgermeisterin Luise Albertz, die Mitglieder des Stadtrates, Oberstadtdirektor Dr. Peterssen und alle Beigeordneten,