Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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Folge weiterer Rationalisierungsmaßnahmen beschloss die Thyssen AG den Hochofen A am 13. August 1979 stillzulegen und beendete damit die traditionsreiche Roheisenerzeugung in Oberhausen. Das gesamte Werksgelände südlich der Essener Straße wurde für die Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben zur Verfügung gestellt. Dies war für die Wirtschaftsförderung der Stadt eine außerordentlich wichtige Entscheidung, denn das Festhalten der Unternehmen an nicht genutzten Industrieflächen war das entscheidende Hindernis bei den Bemühungen um die Neuansiedlung von Betrieben wie für die Verlagerung von Oberhausener Firmen, insbesondere bei Erweiterungsabsichten.

      Erhalten blieb dagegen die Stahlbasis in Oberhausen durch den Bau eines Elektrostahlwerks mit einer monatlichen Kapazität von 50.000 Tonnen, das mit Investitionen in Höhe von 135 Millionen Mark, darunter allein 25 Millionen für Umweltschutzmaßnahmen, errichtet wurde (WAZ, 4. August 1979).

      Der Beschäftigungsabbau im Bereich der Eisen- und Stahlerzeugung in Oberhausen hatte sich, nach dem Verlust von 3.500 Arbeitsplätzen in den 1960er Jahren, auch in den 1970er Jahren mit dem Abbau von weiteren 3.200 Arbeitsplätzen fortgesetzt. In nur zwei Jahrzehnten hatte sich damit die Belegschaftszahl halbiert.

       Die GHH Sterkrade AG verliert ihre Selbständigkeit

      Nachhaltig wirkende organisatorische Entscheidungen betrafen in den späten 1960er Jahren auch die GHH Sterkrade AG.

      „Am 1. Juli 1969 straffte die GHH den maschinenbauenden Konzernbereich, die GHH Sterkrade AG kam als hundertprozentige Tochter zur M.A.N. AG. Die von Hermann Reusch, von 1947 bis 1966 Vorstandsvorsitzender der GHH, erbittert bekämpfte Entflechtung des GHH-Konzerns nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich im nachhinein eher als glückliche Fügung. Sie konzentrierte die gesamten Konzernkräfte auf den zukunftsträchtigen Sektor Weiterverarbeitung und ersparte der GHH langjährige Ertragsbelastungen durch Strukturkrisen in den Grundstoffbereichen, wie dem Zechensterben und der Stahlflaute“17.

      Eine ganz offensichtlich zutreffende Einschätzung, denn schon im Januar 1972 konnte der Vorstandsvorsitzende Dr. Heinz Krämer von einer stark verbesserten Finanzsituation der GHH Sterkrade berichten. In dieser Zeit wurden verstärkt Komponenten für Kernkraftwerke gebaut, aber auch das größte Hochofengebläse Europas oder Anlagen zum Schachtausbau in einer britischen Kaligrube (WAZ, 14. Januar 1972).

      Wie eng manchmal positive und negative Unternehmensentwicklungen zusammenhängen, zeigt folgendes Beispiel: Während die HOAG-Mitarbeiter um die Fortführung des Hochofens A bangten, freute man sich in der nur wenige Kilometer entfernten GHH Sterkrade über den Auftrag der ATH zum Bau des größten Hochofens der Welt in Schwelgern (WAZ, 18. März 1972). Nur sieben Jahre später, 1979, wurde der Hochofen A in Oberhausen stillgelegt und die Roheisenproduktion eingestellt.

      In den frühen 1970er Jahren, also vor der ersten Ölpreiskrise im Oktober 1973 und der damit verbundenen wirtschaftlichen Abschwächung der Konjunktur, beeindruckte die GHH Sterkrade mit positiven Berichten über das Unternehmen. Zum Bericht über das Geschäftsjahr 1972/​73 äußerte sich der GHH-Konzern-Vorsitzende Dr. Friedrich Wilhelm von Menges zuversichtlich im Hinblick auf das Sterkrader Werk. Dieses habe „seine Rolle als führender Lieferant modernster Bergwerksanlagen ausbauen können“. Als weitere Produktionsschwerpunkte nannte er den „Auftrag von drei Dampferzeugern für ein Kraftwerk in der Schweiz“, „den Auftrag für den Neubau des Sauerstoff-Aufblas-Stahlwerks der Usimas in Brasilien“, die „Entwicklung der Heliumturbine mit geschlossenem Kreislauf für das neue Heizkraftwerk [der EVO, M. D.] in Sterkrade“ und wies auf den fast neunzigprozentigen Exportanteil des Turbo-Maschinenbaus hin (WAZ, 22. Januar 1974).

      Während das Inlandsgeschäft in den folgenden Jahren weitgehend stagnierte, wurde das Exportgeschäft immer wichtiger. Aufträge aus China, der UdSS. und aus Jugoslawien, um nur einige zu nennen, sorgten für volle Auftragsbücher und steigerten den Exportanteil auf 56 Prozent (WAZ, 24. Juni 1974).

      Die Konjunkturschwäche der deutschen Wirtschaft in der Mitte der 1970er Jahre beeinträchtigte auch die Geschäftsentwicklung der GHH Sterkrade. Am 23. März 1976 lautete die Überschrift in der NRZ über die Betriebsversammlung: „Spürbar weniger Aufträge zu Beginn dieses Jahres“. Der nachfolgende Hinweis „Bei noch befriedigender Auslastung in den Kernbereichen zeichnen sich insbesondere für Fertigungen, die vornehmlich von der Nachfrage inländischer Auftraggeber getragen werden, Beschäftigungslücken ab“, war mehr als nur ein Warnsignal für die Zukunft. Denn weitgehend unbemerkt in der Öffentlichkeit hatte die GHH Sterkrade allein im Zeitraum 1970 bis 1975 von 8.600 Arbeitsplätzen rund 1.100 abgebaut. Obwohl man sich verstärkt um Auslandsaufträge bemühte, konnten im Geschäftsjahr 1975/​76 „die rückläufigen Bestellungen aus dem Inland nicht voll durch Auslandsaufträge ausgeglichen werden“. (WAZ, 15. Oktober 1976)

      Schon ein Jahr später informierte das Vorstandsmitglied Franz Sieverding die Belegschaft, „daß bei der derzeitigen Auftragslage in den verschiedenen Betriebsbereichen mit Kurzarbeit und Stellenreduzierung gerechnet werden muß“. Dies galt auch für die GHH-Verwaltung, wo in den nächsten 18 Monaten 200 Arbeitsplätze abgebaut werden sollten, vornehmlich durch „normalen Abgang“. (NRZ, 29. März 1977)

      Von der Belebung der Konjunktur in den Jahren 1978 und 1979 profitierte die GHH Sterkrade, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie der GHH-Konzern. Im Oktober 1979 betonte der Vorstands-Vorsitzende des GHH-Konzerns, Dr. Manfred Lennings, in den neu gestalteten Innenräumen des Verwaltungsgebäudes an der Essener Straße gegenüber der Stadtspitze die Verbundenheit mit dem Standort Oberhausen mit den Worten: „Wir bleiben in Oberhausen engagiert“. (NRZ, 24. Oktober 1979)

      Völlig überraschend entschied der MAN-Aufsichtsrat am 14. November 1979 die GHH Sterkrade vollständig in die MAN einzugliedern und ab 1. Januar 1980 als „MAN Unternehmensbereich GHH Sterkrade“ weiterzuführen. Als Betriebsabteilung der MAN hatte die GHH Sterkrade damit ihre unternehmerische Selbständigkeit verloren (NRZ, 17. November 1979).

      Zu den berechtigten Sorgen der Mitarbeiter, denn das Unternehmen hatte allein im Zeitraum von 1970 bis Ende 1979 über 1.700 Arbeitsplätze abgebaut, äußerte der Vorstandsvorsitzende Dr. Thiele die Überzeugung, „dass die neue Struktur langfristig Arbeitsplätze stabilisiere“ (NRZ, 24. November 1979). Eine Einschätzung, die durch die Entwicklung im nächsten Jahrzehnt leider nicht bestätigt wurde.

       Ruhrchemie AG steigert Beschäftigtenzahl

      Das seit 1927 in Holten ansässige Unternehmen war der einzige Oberhausener Großbetrieb, der seine Mitarbeiterzahl in den 1970er Jahren steigern konnte, und zwar von 2.700 (1970) auf 2.800 am Jahresende 1979. Neben der 1929 begonnenen und bis 1990 fortgeführten Produktion von Düngemitteln war die 1938 von Otto Roelen entdeckte Oxo-Synthese der wichtigste Produktionsbereich. „Die mit diesem Verfahren gebildeten Aldehyde (Oxo-Verbindungen) finden in der Kunststoffindustrie starke Verwendung, so zum Beispiel für die Produktion von Verpackungsfolien“18.

      Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dieses Verfahrens und die ständige Weiterentwicklung von Produkten und Produktionsanlagen, wie beispielsweise die 1977 errichtete Großversuchsanlage zur Steinkohlevergasung, sorgten trotz einiger Rückschläge in der Mitte der 1970er Jahre für eine im Vergleich zu Kohle und Stahl positive Belegschaftsentwicklung in diesem Jahrzehnt.

       Babcock: Weltweite Expansion und Arbeitsplatzabbau in Oberhausen

      Die 1898 in Berlin gegründete und mit ihrer Fertigung von Beginn an in Oberhausen ansässige „Deutsche Babcock & Wilcox Dampfkessel-Werke Aktien-Gesellschaft“ verfolgte insbesondere unter dem Vorstandsvorsitzenden und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Hans L. Ewaldsen eine ausgeprägt beteiligungsorientierte Unternehmensstrategie. Unter Ewaldsen wurde „Babcock von einem Dampfkesselhersteller zu einem weltweit operierenden Konzern mit den Schwerpunkten Energie-, Umwelt- und Verfahrenstechnik sowie Spezialmaschinenbau umstrukturiert“19.

      „Ende der Expansion bei Babcock nicht in Sicht“ titelte die WAZ am 18. Februar 1971. Zu diesem Zeitpunkt gehörten zur Babcock-Gruppe bereits 44 Unternehmen