Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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beständigen Bevölkerungszuwachs kam diese Entwicklung im Jahr 1964 zum Stillstand. Es begannen Entwicklungen, die auch heute noch anhalten, wie die kontinuierliche Abnahme der Einwohnerzahl und ein deutlicher Rückgang bei den Geburtenzahlen ab Mitte der 1960er Jahre. In keinem Jahr wurden in Oberhausen so viele Kinder geboren wie 1959, nämlich fast 5.000. Im Jahr 1970 waren es dagegen nur noch 3.000 Mädchen und Jungen, die in Oberhausen das Licht der Welt erblickten. Die Abnahme um jährlich etwa 200 Geburten bis in die Mitte der 1970er Jahre auf dann nur noch 2.200 Geburten wird häufig mit dem Schlagwort vom „Pillenknick“ erklärt. Ursächlich für diese Entwicklung waren neben der Verfügbarkeit der Antibabypille aber auch die Bevölkerungs- und Geburtenausfälle des 1. und 2. Weltkrieges und ein Wandel gesellschaftlicher Einstellungen.

      Das Jahr 1959 markiert einen bis in die späten 1980er Jahre anhaltenden Trend in der Bevölkerungsentwicklung. Erstmals nach dem Kriegsende 1945 zogen in diesem Jahr mehr Menschen von Oberhausen fort als es Zuzüge nach Oberhausen gab. 1968, im Jahr der Schließung der Zeche Concordia, erreichte die Abwanderung mit über 13.000 Personen einen historischen Höchstwert. Allein aus der Differenz zwischen Zu- und Fortzügen ergab sich in diesem Jahr ein Bevölkerungsverlust von fast 6.000 Einwohnern11.

       Tabelle 3: Bevölkerung nach Altersgruppen

       * Rückschreibung auf Grund der Volkszählung vom 6. Juni 1961.

       ** Fortschreibung auf der Basis der Volkszählung vom 27. Mai 1970.

       Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen

      Städtische Planungen gingen zu Beginn der 1960er Jahre von einem Ansteigen der Einwohnerzahl auf 320.000 bis 340.000 bis zum Jahr 1990 aus. Tatsächlich nahm die Bevölkerung im Gegensatz zur Prognose vom Höchststand Anfang 1964 bis zum Jahresende 1969 um mehr als 10.000 Personen auf nur noch 249.000 ab. In Erwartung einer massiven Bevölkerungszunahme wurden zwischen 1961 und 1964 für den Sterkrader Norden Bebauungspläne aufgestellt, die in der Walsumermark, in Schmachtendorf und Königshardt zusätzlichen Wohnraum für mehr als 20.000 Menschen schaffen sollten. Die teilweise vorgesehene Bebauung mit bis zu acht Geschossen wurde aus heutiger Sicht glücklicher Weise nur an wenigen Stellen, wie z. B. an der Oranienstraße oder das „Blaue Haus“ in Königshardt, realisiert.

       Tabelle 4: Wohnungsbestand nach Stadtbezirken 1970 bis 2010

       Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen

      Der gesamtstädtische Bevölkerungsrückgang und die rege Bautätigkeit im Norden der Stadt führten im Zeitraum von 1961 bis 1970 in Alt-Oberhausen (minus 11.700) und Osterfeld (minus 4.700) zu deutlichen Einwohnerverlusten, während die Bevölkerungszahl in Sterkrade um 6.400 Personen zunahm. Eine Entwicklung, die sich noch bis in die Mitte der 1980er Jahre in ähnlichem Umfang fortsetzen sollte: Von 1970 bis 1985 sank die Bevölkerungszahl in Alt-Oberhausen um weitere 16.100 Personen und in Osterfeld um 8.400 Einwohner, während sie sich in Sterkrade um 3.400 Einwohner erhöhte.

      Der mit Ausnahme weniger Jahre nahezu beständige Rückgang der Einwohnerzahl seit 1964 wäre ohne die Zuwanderung von Ausländern noch deutlich höher ausgefallen. Das am 20. Dezember 1955 unterzeichnete Abkommen mit Italien über die Anwerbung und Vermittlung italienischer Arbeitskräfte nach Deutschland markiert den Beginn einer grundlegenden Veränderung der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und auch in Oberhausen. In den Jahren des fortdauernden wirtschaftlichen Aufschwungs und der Vollbeschäftigung etwa seit 1957 fehlten insbesondere im Bergbau und in der Industrie qualifizierte Arbeitskräfte. Diese Situation wurde durch die Abwanderung jüngerer Menschen in den Süden Deutschlands noch verstärkt. In Oberhausen erhöhte sich nach dem Abschluss weiterer Anwerbeabkommen mit den Ländern Griechenland, Spanien, Türkei und Jugoslawien die Zahl der hier lebenden Ausländer von 2.800 im Jahr 1955 auf 11.200 (1970). Zu dieser Entwicklung trug der in den 1960er Jahren beginnende Familiennachzug erheblich bei. Die auffälligste Entwicklung nahm die türkische Bevölkerungsgruppe, die sich von 22 (1960) auf über 2.600 Menschen in 1970 erhöhte12 (nähere Angaben siehe Tabelle 2 im Beitrag Langer).

       Tabelle 5: Ausländer 1960 bis 2010 nach Stadtbezirken

      Die Veränderungen der Oberhausener Wirtschaftsstruktur gehen in den 1970er Jahren unvermindert weiter. Rationalisierungsmaßnahmen im Bergbau führen zu weiteren Zechenschließungen. Die Stahlkrise, ausgelöst durch die massive Steigerung der Produktionskapazitäten im Ausland, insbesondere in Japan, trifft die Stadt mit unerwarteter Härte. Die Ölkrise von 1973 und die Schwäche des amerikanischen Dollars als Folge des durch den Vietnamkrieg ausgelösten hohen Zahlungsbilanzdefizits der US. lösen eine Weltwirtschaftskrise aus, von der auch exportorientierte Unternehmen in Oberhausen wie Babcock und die GHH Sterkrade betroffen sind. Gleichzeitig stärken neue Gewerbegebiete die wirtschaftliche Basis der Stadt. Die Zahl arbeitsloser Menschen steigt von 700 im Juni 1970 beständig auf über 5.500 im Jahr 1978, denen lediglich 1.000 offene Stellen angeboten werden können. Die Probleme des Oberhausener Arbeitsmarktes benennt der damalige Leiter des Arbeitsamtes, Rotscheroth, in aller Deutlichkeit: „Bemerkenswert vor allem die stetige Zunahme der älteren, im Rahmen von Sozialplänen entlassenen Arbeitnehmer“. Und weiter: „Es wird immer deutlicher, dass sich die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit ausweitet, ein harter Kern von nicht zu vermittelnden Arbeitslosen“ (WAZ, 5. Januar 1978). In den frühen 1970er Jahren herrschte dagegen noch Arbeitskräftemangel. S. sahen sich nach einem Bericht in der WAZ vom 11. Juli 1973 Klein- und Mittelbetriebe im Handel, im Handwerk, in der Gastronomie und im Bauhauptgewerbe aufgrund der angespannten Personalsituation gezwungen, Betriebsferien einzuführen.

      Ende der 1960er Jahre wurden in den damals dominierenden Wirtschaftsbereichen Kohle und Stahl unternehmerische Entscheidungen getroffen, deren negative Wirkungen auf die Wirtschaftskraft der Stadt bald auch für die Menschen als Wandel ihrer Lebens- und Arbeitssituation spürbar werden sollten. In einem Gutachten der Sozialforschungsstelle Dortmund heißt es dazu:

      „Dieser Strukturbruch beginnt im Bewusstsein der Oberhausener Bevölkerung an der Wende der 1960er zu den 1970er Jahren. Viele unserer Befragten nannten spontan 1970 oder 1971 als das ‚Schaltjahr‘. Hintergrund für diese Bewertung ist die Schließung der Zeche Concordia, verbunden mit Massenentlassungen, und die beginnende Auflösung der Hüttenwerke Oberhausen AG nach der Übernahme durch Thyssen“13.

       Das Zechensterben geht weiter

      Am 27. November 1968 wurde die Ruhrkohle AG als Konsolidierungsunternehmen der deutschen Steinkohleförderung gegründet. Alle noch in Oberhausen existierenden Bergbaubetriebe wurden in die neue Gesellschaft überführt. Der Hüttenvertrag von 1969 zwischen der Ruhrkohle AG und den deutschen Hüttenbetrieben bildete die Geschäftsgrundlage des Unternehmens.

      Wer Hoffnungen gehegt hatte, dass weitere Zechenschließungen verhindert werden könnten, sah sich schnell enttäuscht. Im Rahmen des Anpassungsprogramms der Ruhrkohle AG wurde bereits im Sommer 1971 ein Auslaufen der Förderung auf der Hausbrandzeche Alstaden bis 1975 beschlossen. Aber schon am 15. Dezember 1972 wurde nach 115 Jahren die Förderung auf der von vielen Bergleuten und Bewohnern in Alstaden „Familienpütt“ genannten Zeche eingestellt. Die Mehrzahl der zuletzt gut 500 Belegschaftsmitglieder fand auf den Schachtanlagen Osterfeld und Jacobi oder auf Prosper und Franz Haniel in Bottrop einen neuen Arbeitsplatz. Für einige Kumpel war es der Beginn des vorgezogenen verdienten Ruhestandes. Mit der Zechenschließung entfiel auch die Bereitstellung der Sole an das Solbad Raffelberg in Mülheim-Speldorf, so dass dieses ebenfalls seinen Betrieb einstellen musste (WAZ, 1. Juli 1971 und 16. Dezember 1972). Erst 1979 wurde das Bad