Название | Die Gottesversprecher |
---|---|
Автор произведения | Ute Aland |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783765571923 |
Ich erinnere mich an diese Cartoons, wo Engelchen und Teufelchen sich streiten, und lache bei der Vorstellung auf, in den Reihen hinter mir könnten alle die beiden auf meiner Schulter miteinander streiten sehen. Ich jedenfalls höre die beiden diskutieren.
„Wenn du die Nase gestrichen voll hast von Heuchelei, von dem ewigen Gejammer über deine Sünde, wenn du dich nach echtem Leben und nach der spürbaren Kraft Gottes sehnst, dann bist du ganz auf Gottes Linie. Der Schöpfer des Universums hat nämlich kein Interesse an den jämmerlichen Aktivitäten, mit denen Menschen glauben, ihm zu gefallen. Erinnern wir uns an Jesus: Mit wem hat er ständig Zoff gehabt, als er Mensch war? Klar – mit den Religiösen. Da ging der Herr richtig ab. Was Gott will, ist unbändiges, schöpferisches Leben, ist echte Beziehung zu seinen grandiosen Geschöpfen.“
Mir fällt auf, dass ich gebannt auf Dan starre. Habe mit einem Mal alles um mich herum vergessen. Der Typ ist echt gut! Seine Mimik, seine klaren, knappen Gesten, der Klang seiner Stimme, alles strahlt Souveränität aus. Der Mann weiß, wovon er spricht.
„Auch Gott hasst Religion!“, ruft Dan ins Plenum. „Lass dir von niemandem einreden, dass du nichts als ein kraftloser, armer Sünder bist! In Christus sind wir eine neue Kreatur, berufen, die Werke zu tun, die er getan hat.“
Dan schlägt die Bibel auf.
„Im Johannesevangelium Kapitel 10, Vers 10 heißt es, dass Jesus kam, damit wir das Leben in Fülle haben. Er kam in diese Welt, uns Menschen zurück zum Vater zu führen, die Werke des Teufels zu zerstören, die Macht der Sünde und des Todes zu zerbrechen und den Menschen die Liebe Gottes zu offenbaren. Jesus Christus kam, damit wir die Fülle Gottes erfahren, das heißt, er kam, um uns in eine völlig neue Dimension unseres Menschseins zu führen und eine neue Lebensqualität zu geben, uns vollkommen zu machen. Durch ihn erhalten wir den Frieden, die Liebe, die Freude und die Kraft, die nur Gott geben kann. Jesus erfüllt uns durch den Heiligen Geist mit der ganzen Fülle Gottes. Was bedeutet das konkret? Durch Christus sind uns alle Reichtümer der geistlichen Welt zugänglich, und wir dürfen aus diesen schöpfen!“
Immer herausfordernder dringen die Worte auf mich ein, den ganzen Saal hat er in seinen Bann gezogen, und erst jetzt merke ich, dass ich genauso aufmerksam auf meiner Stuhlkante sitze wie die anderen. Noch nie habe ich jemanden so predigen hören! Ich lechze danach, dass er weiterredet. Eine lange unterdrückte Sehnsucht nach etwas, das meinem Leben Bedeutung und Sinn gibt, ist aus den abgesperrten Ecken meines Bewusstseins nach vorne geschnellt und hungert nach diesen Worten.
„Als einzelne Christen und als Gemeinschaft der Christen sind wir Teilhaber der Herrlichkeit Gottes, und Gott vermag bei Weitem mehr zu tun, als wir jemals erdenken oder erbitten könnten. Wie sieht es in unserem Leben aus?“, fragt Dan in die Runde, sein offener Blick streift die Reihen.
„Spiegelt unser Leben diese Tatsache wider? Leben wir in dem Bewusstsein, dass Gott mit all seiner Schöpferkraft an und durch uns wirkt und es nichts gibt, was er nicht an und durch uns tun könnte?“
Dan hat aufgehört, auf der Bühne hin und her zu laufen, er rückt den kleinen Mikrofonknopf an seiner Wange zurecht, greift sich an den Gürtel, wo die Übertragungseinheit steckt. Man hört seinen Atem, so ruhig ist es im Saal. Er geht auf das Pult zu, legt beide Hände flach auf die Bibel. Dann beugt er sich langsam nach vorne, und seine Stimme ist ganz leise, so eindringlich, als meinte er jeden Einzelnen von uns.
„Das, was die Bibel ‚Fleisch‘ nennt – die größte Bastion der Sünde in unserem Leben –, ist der Stolz und die Rebellion, mit der der Mensch seinen eigenen Fähigkeiten mehr vertraut als Gottes Möglichkeiten.“
Dan macht eine kurze Pause, in der er tief einatmet. Das Mikro überträgt den leisen Luftzug in den Saal. Er steigt die drei langen Stufen hinunter und steht jetzt direkt vor der ersten Reihe. „Die perfideste Form der Rebellion des Menschen gegen Gottes Gnade ist die Religiosität. Religion ist der Versuch des Menschen, Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit durch eigene Kraft, religiöse Werke oder Zeremonien zu erkaufen.“
Mir wird heiß und kalt. Ich weiß genau, was Dan meint. Meine ganze Kindheit und Jugend habe ich im mulmigen Schlamm frommer Verhaltensweisen überlebt, mich abgemüht, fromme Ansprüche zu erfüllen, und gegen den Gedanken angekämpft, dass wir uns was vormachten. Ich habe immer vergeblicher den Versuch unternommen, das Gefühl niederzuringen, dass wir als Gläubige gar kein Ass gezogen hatten, wie man uns predigte, sondern die Arschkarte. Hier bestätigt endlich mal jemand, wie recht ich hatte! Und das in einer Kirche.
Meine Weltsicht steht Kopf.
„Im Grunde nährt Religiosität den menschlichen Stolz, sie ist der Versuch, sich von der Gnade unabhängig zu machen. Was bleibt, ist ein Glauben an sich selbst, seine eigene Leistung und Streben, überzogen mit frommer Tünche. Die Kirche hat über lange Zeit vergessen, dass sie eine gute Nachricht für die Welt hat. Sie hat den Menschen Regeln auferlegt, indem sie ihre Angst vor Gott ausnutzt, um Menschen zu manipulieren und zu beherrschen. Dabei lautet die Nachricht, die die Kirche verbreiten sollte: Der Weg zum Frieden mit Gott geht nicht über unser Bemühen. Christus hat alles aus dem Weg geräumt, was zwischen uns und Gott stand! Deshalb ist Jesus so hart gegen die Hüter der Religion vorgegangen – und tut es noch: Sie versperren Menschen den freien Zugang, den Gott geschaffen hat, und lästern somit das Kreuz.“
Ich nicke die ganze Zeit. Genau das habe ich erlebt! Ist das krass!
„Wie konnte es geschehen, dass das Evangelium von Gottes Gnade so pervertiert wurde?“, fragt Dan in den Saal. „Das Evangelium ist die gute Botschaft, dass allein der Glaube, also die vertrauensvolle Annahme des Heils, uns vor Gott untadelig macht. Wie konnte daraus der billige Versuch werden, Menschen zu unfreien, freudlosen, verklemmten frommen Korinthenkackern zu dressieren?“
Mittlerweile hat Dans Gesicht einen beinahe schmerzhaften Ausdruck angenommen, als litte er körperlich. Ich glaube in seinen Augen eine Tiefe der Empfindung wahrzunehmen, die mich bei einem Prediger überrascht. Ich habe von Predigern viel Lehrreiches, Spitzfindiges und Ermahnendes vorgetragen bekommen, aber bei Dan spüre ich ein Feuer. Sicher, er ist klug, sehr eloquent, irgendwie beeindruckend, aber das alles macht nicht die Faszination aus. Das, was er sagt, scheint direkt aus ihm herauszusteigen, er will uns nicht einfach anpredigen – der Mann hat eine Berufung!
Aus diesem Holz müssen die Männer sein, die die Welt verändern.
Dans Stimme wird noch eindringlicher, und als wolle er uns vor schlimmen Fehlern bewahren, fleht er beinahe: „Achtet genau darauf, dass ihr euch niemals etwas auf eine bestimmte Form der Frömmigkeit einbildet und glaubt, dafür besondere Segnungen zu erhalten. Wenn wir diese Einstellung bei uns feststellen, müssen unsere Alarmglocken läuten! Wir sind dann nämlich weiter von Gott entfernt, als wir meinen.“
Er steigt die drei Stufen wieder hoch, geht zum Pult und fährt mit ruhiger Stimme fort: „Wie oft begegnet man Christen, die zwar wissen, dass sie aus Gnade gerettet sind, dann aber glauben, sich alle weiteren Segnungen verdienen zu müssen. Die selig machende Erkenntnis ist doch, dass uns alles –“, Dan breitet seine Arme weit aus, „der ganze überragende Reichtum des Reiches Gottes allein aus Gnade durch den Glauben geschenkt wird.“
Dan wirft dem Bandleader einen kurzen Blick zu, der mit einem leichten Nicken antwortet.
„Der Herr ist gut! Halleluja“, ruft Dan und erklärt: „Der Herr hat uns im Leitungsteam während der Gebetszeit gezeigt, dass er heute zu ganz bestimmten Menschen direkt sprechen will. Und deshalb bitte ich alle aufzustehen, die sich und anderen nicht länger verlogene Religiosität vorspielen wollen. Ich rufe auch die auf, die nicht länger mit dem nutzlosen Versuch Zeit verplempern wollen, Gottes Nähe durch fromme Leistungen zu erwerben, und diejenigen, die die unbeschreibliche Gnade, die bedingungslose Einladung Gottes an uns, heute annehmen wollen.“
Die Band beginnt leise zu spielen, der zarte Klang einer Geige mischt sich mit Rascheln, dem Scharren von Stühlen und