Название | Wunder wird es hier keine geben |
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Автор произведения | Goran Fercec |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783701746538 |
2
Er schlief und träumte in Farben. Der Traum duftete nach zerbröselter Erde und Angst. Im Traum trägt er einen Pyjama, er ist einer sommerlichen Nachmittagshitze ausgeliefert, er sitzt im hinteren Teil eines offenen Militär-Jeeps, neben ihm zwei Typen in Uniform. Sie bringen ihn irgendwohin, er kann die Landschaft nicht erkennen. Die Männer haben ihm nichts gesagt, er weiß gar nicht, wie er hier gelandet ist. Er denkt, das könnte ein schmerzloses Ende seiner Reise sein. Die untergehende Sonne brennt auf seinen Rücken. Er muss weglaufen, aber die Wächter halten ihn fest. Sie führen ihn ins Unbekannte. Er ist überzeugt, dass er nicht viel tun kann, um sich zu retten, aber der Traum ist auf seiner Seite, und so muss einer von den beiden Typen, der rechte, seine Blase entleeren. Das Fahrzeug hält an. Das ist die Gelegenheit, die er ausnützen muss. Er schlägt dem linken, tollpatschigeren Wächter auf den Kopf, mit einer Kraft, die nur in Träumen existiert. Der Wächter fällt tot um. Er selbst läuft in ein weiches Gestrüpp, das am Straßenrand wächst, und fällt hin, dann rollt er über die Blätter wie über Wasser. Er lacht, weil genug Licht da ist, dass er seine Hände sehen kann, und wenn es Licht gibt, dann ist auch die Rettung nah. Er springt auf, läuft auf die leere Straße hinaus, schnurstracks den beiden Männern, vor denen er davongelaufen ist, in die Arme. Der rechte, der seine Blase entleert hat, fasst ihn am rechten Unterarm, der linke, lebendig und unverletzt, am linken. Sie zwingen ihn, wieder in den Jeep einzusteigen, und fahren weiter. Er wendet sich an sie und sagt, er glaube, vor ihnen sei schon jemand auf diesem Weg gegangen. Die beiden schweigen zunächst, dann unterhalten sie sich miteinander in einer Sprache, die er erkennt, jedoch nicht versteht. Die stumpfen Sätze, die er aufschnappt, während der Wind in seinen Ohren rauscht, lassen ihn schlussfolgern, dass die Männer ihn an den Ort seines Anfangs führen. Ganz leise, wie ein Kind, das sich mit Unterwürfigkeit Schokolade erschleichen möchte, beginnt er zu bitten, sie mögen ihn freilassen. Und sie lassen ihn frei. Er steht auf der Straße, schaut zu, wie der Jeep weiterfährt, und sieht sich selbst, wie er zwischen den beiden Typen sitzt. Ein anderes Ich. Er dreht sich um, um dorthin zu gehen, wo er herkommt. Er sieht riesige Buchstaben auf einer Werbefläche, durch die die Sonne scheint. Im Kopf reiht er einen Buchstaben an den anderen. AIVALSOGUY. Er steht auf der falschen Seite. Man hat ihn zurückgebracht. Dann wacht er auf. Es ist schon wieder passiert. Es beginnt in den Fingerspitzen und steigt allmählich hinauf in die Schultern. Eine Lähmung, wie wenn man die eigenen Glieder vernachlässigt und die halbe Nacht mit den Armen unter dem Oberkörper geschlafen hat. Er hat es schon vergessen und gedacht, es würde nicht wieder vorkommen. Seiner eigenen Erfahrung nach wiederholt sich jeder Zustand und dauert eine bestimmte Zeit lang. Jetzt ist es wieder soweit. Beim ersten Mal hat er Angst verspürt. Jetzt ist es ihm egal. Er ist wütend auf die Fähigkeit seines Körpers, Signale zu wiederholen, die unzweideutig darauf hinweisen, dass das, was war, jetzt nicht mehr ist. Wenn etwas verschwindet, dann sollte es nicht mehr sein. Sein Körper signalisiert, dass die Häufigkeit eines Symptoms nichts mit seinem geistigen Willen zu tun hat. Er versucht, seinen Körper zu drehen, als gäbe es keine Kraft, die ihn festhält, an das Bett drückt. Er liegt auf dem Bauch, die Beine gespreizt, den Kopf zur Seite gedreht. Das Bett übernimmt seine Körperwärme. Er würde sich gerne von der Bettoberfläche abstoßen und auf den Füßen landen, so geschickt, als lenkte der Wille eines unsichtbaren Puppenspielers seinen Körper, als wären seine Hand- und Fußgelenke mit dünnen, unsichtbaren Fäden irgendwo befestigt. Das würde bestätigen, dass der Verzicht auf den eigenen Willen endlich Früchte getragen hat. In der Tat gibt es weniger Willensstärke in seinem Geist, und auch sein Körper ist träger als noch vor fünf oder zehn Jahren. Daraus folgert er, dass das gesamte philosophische Denken des Westens zwar gute Gründe hat, das eine mit dem anderen verbinden zu wollen, aber er selbst weiß davon nicht mehr als das, was er bislang aus seinem eigenen gespaltenen Wesen erfahren hat. Mit der linken Hand versucht er, die Finger der rechten Hand aufzuwärmen. Die Angst hat ihn dazu getrieben, sich zu berühren. Sonst würde er das nicht tun. Er vermeidet es tunlichst, seine eigenen Hände zufällig zu berühren. Er meidet Momente, in denen der Körper sich mit sich selbst beschäftigt und sich in seiner Selbstgenügsamkeit zeigt. Immer schon erschauerte er davor, wie einfach es ist, mit der Hand sein eigenes Knie zu umfassen und zu massieren, oder davor, wie schnell seine Hände in der Lage sind, die Finger miteinander zu verflechten, ein perfektes Fischgrätenmuster zu bilden und damit Wärme zu speichern. Es fällt ihm schwer, die Symmetrie des menschlichen Körpers zu ertragen. Des eigenen langweiligen Körpers. Eines langweiligen Körpers, der seinen eigenen Willen durchsetzen will. Er bewegt seine Finger, als würde er einen unsichtbaren Gummiball kneten, und streckt seine Hand wie zum Protest in die Luft. Die Nervosität lässt seinen Hinterkopf brennen. Er hat den Nachmittag verschlafen. Er hebt seinen Oberkörper an und setzt die Füße auf dem Boden ab. Es ist am sichersten, die Stunden, die unmittelbar auf den Schlaf folgen, am Bettrand zu beginnen. Durch das Doppelfenster mit Betonrahmen dringt das Nachmittagslicht, dermaßen verdünnt, dass man sich am Geiz dieses Lichts gar nicht sattsehen kann. Das äußere Glas, überzogen von der Gravur, die das inzwischen getrocknete Regenwasser hinterlassen hat, sieht aus wie ein kleines Kirchenfenster für den Hausgebrauch, für einen einzigen Gläubigen. Wenn er lange genug das Glas betrachtet, dann sieht jeder zufällige Fleck irgendwann wie eine Erscheinung Gottes aus. Vielleicht fehlt Gott ein Auge. Vielleicht fehlt ihm ein Finger, aber wenn Gott den Menschen nach seinem eigenen Bild geschaffen hat, dann kann der Mensch das Antlitz Gottes auch seinem eigenen Ebenbild anpassen. Bender hebt seinen Hintern vom Bett, um einen Furz zu befreien. Die