Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore

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es und kämme es danach einfach nicht“, antwortete er und legte Rays John Lee Hooker-Platte auf. Er war auf dem besten Weg, bald wie ein Rockstar auszusehen. Einige Wochen lang hatte ich ihn nicht gesehen und währenddessen muss irgendeine Veränderung in ihm vorgegangen sein. Posierte er etwa schon?

      Der Blues füllte den Raum. Jim ging zum Fenster und öffnete es. Die Sonne ergoss sich ins Zimmer. Wir beide bewunderten den Blick über den Ozean.

      „Leg mal ‚Crawling King Snake‘ auf“, bat ich Jim. „Ich liebe den Groove bei ‚Crawling King Snake‘. Wenn wir unser zweites oder drittes Album aufnehmen, sollten wir meiner Meinung nach auch diesen Song bringen. Nach einem Haufen eigener Songs natürlich. Klar, dass wir vor allen Dingen zuerst einen Plattenvertrag haben müssen.“

      Meine Zukunftsvisionen machten mich ziemlich aufgeregt. Diese Leute – Ray, seine Freundin Dorothy, Jim und ihre Freunde von der Filmhochschule – waren unabhängige, kreative Studenten und ich wollte zu ihnen gehören. Wir hatten uns alle zusammen Louis Malles „Phantom India“ in der UCLA angeschaut und Ray und Jim redeten seitdem über die Neue Französische Welle in den Kinos.

      „Du solltest ‚400 Blows‘ sehen, John“, hatte Ray mir vorgeschlagen. Ich wusste, dass es ein Film eines französischen Regisseurs (Truffaut) war und der Titel machte mich an. Ich dachte, er bedeutet „400 Blow Jobs“.

      Als ich mir Rays Zimmer näher betrachtete, fühlte ich den Flair von College und Orient. Bücher, Zeitschriften über Film, Orientteppiche, indische Bettüberwürfe, erotische Fotos. Vollkommen neue Welten eröffneten sich mir hier in diesem Raum.

      Ich war zwanzig und alles war möglich.

      „Es wird geschehen“, erwiderte Jim mit lässiger Überzeugung. „Hör dir einfach mal diese Kehle hier an, Mann!“ Seine Stimme klang beinahe ehrfurchtsvoll. Wenn man an Jims Herkunft aus dem Süden denkt, machte es sogar Sinn. Er war besessen von den Stimmen schwarzer Bluessänger. Das rohe Gefühl von Pein, das sich in ihren Stimmen ausdrückte, schien in ihm widerzuhallen. Angespannt hörte er zu, wie weggetreten in einer eigenen Welt.

      Nach einigen weiteren Stücken wollte Jim zu Olivia’s zum Mittagessen gehen. Ich sprang auf. Bei dem Gedanken an deftiges Essen aus dem Süden wurde mein Mund wässrig. Kartoffelbrei mit Fleischsoße.

      „Gut, aber wir sollten nicht auch noch dort zu Abend essen“, neckte ich und rieb mir die Magengegend.

      „Ich weiß, ich weiß. Mehrmals hintereinander dort essen und du kriegst Dünnschiss. Aber es erinnert mich an das Essen in Florida!“

      „Und es ist billig!“ fügte ich hinzu.

      Um Jims Lippen kräuselte sich jenes langsame Lächeln, an dem man sich nie sattsehen konnte.

      *

      Olivia’s war ein kleines Soul Food-Restaurant an der Ecke des Ocean Park Boulevard und der Main Street. Ein Lokal am Straßenrand, das eigentlich nach Biloxi in Mississippi gehörte. Es war übervoll, wie immer. Dieses Restaurant, das Jim mit dem Song „Soul Kitchen“ unsterblich machte, wurde hauptsächlich von Studenten der UCLA­Filmhochschule besucht. Man fühlte sich wie in einem Amtrak-Speisewagen, der am Strand auf Grund gelaufen war.

      Ein junges Mädchen mit großen braunen Augen und langem schwarzen Haar schlenderte herein.

      „Hey Jim, das da ist diese Sängerin Linda Ronstadt, die in der Hart Street lebt.“

      „Yeah. Wie heißt denn ihre Gruppe?“

      „The Stone Poneys.“

      „Ich hasse Folkmusik, aber sie ist süß.“ Seine Augen fuhren wohlgefällig an ihr auf und ab.

      Das Essen kam und wir schlangen es hinunter. Dabei debattierten wir mit vollem Mund zwischen Bissen von unserem billigen Steak über die örtliche Musikszene. Meine Augen huschten im Raum umher, während Jim sprach. Es fiel schwer, bei all dem Gerede der Stammgäste und Studenten um uns herum ihm zuzuhören.

      Eine halbe Stunde später brüllte Olivia: „Schluss für heute mittag!“ Sie trug ihre übliche bedruckte Schürze über einem durchgehenden Kleid und hinkte mit ihrem rechten Bein leicht nach. Sie hatte eine warmherzige Ausstrahlung, aber die große schwarzhäutige Frau, deren Name ein Synonym für das Wort „Soul“ war, warf selbst Stammgäste bei Geschäftsschluss hinaus und verfrachtete alle, die noch zögerten, eigenhändig nach draußen. Der Verlust von ein paar Dollar mehr machte ihr nichts aus, wenn sie nur ihre Ruhepause bekam, obwohl sie es liebte, für ihre Gäste zu kochen.

      Ihr Restaurant existiert schon lange nicht mehr, aber die Legende lebt in Jims Worten weiter:

      Well, the clock says it’s time to close, now

      I know I have to go, now

      But I’d really like to stay here, all night

      Let me sleep all night in your soul kitchen

      Warm my mind near your gentle stove

      Turn me out and I wander, baby

      Stumblin’ in the neon grove

      (Nun, die Uhr sagt, es ist jetzt Zeit zu schließen

      Ich weiß, dass ich jetzt gehen muss

      Aber ich würde gern die ganze Nacht hierbleiben

      Lass mich die ganze Nacht in deiner Seelenküche schlafen

      Meinen Geist an deinem gütigen Herd erwärmen

      Wirf mich raus und ich irre umher, Baby

      Stolpere in den Neonwald.)

      „Lass uns heute abend ins Venice West Cafe gehen“, schlug Morrison vor, als wir aufstanden, um das Lokal zu verlassen. Er nahm einen letzten tiefen Schluck von seinem Carta Blanca und ich starrte aus dem Fenster auf einige vorbeigehende Mädchen.

      „Klar“, sagte ich, in Gedanken an die Mädchen da draußen vertieft, „da bin ich noch nie gewesen.“ Als kein Girl mehr zu sehen war, fuhr ich fort: „Werden dort noch immer Gedichte vorgetragen?“

      „Ich weiß nicht, aber das kriegen wir raus.“

      An einem der ersten Julitage war ich wieder mit Jim zusammen und fuhr ihn in Venice mit meinem Singer Gazelle herum, einem europäischen Wagen, den ich gegen den Ford eingetauscht hatte. Das Auto sah genauso aus wie ein Hillman Minx und hatte zudem noch ein wesentlich besseres Benzin-Kilometer-Verhältnis. Da Benzin nur 35 Cents pro Gallone kostete, kam ich mit Benzin im Wert von einem Dollar durch die ganze Stadt. Mein Dad kam mit mir zum Autohändler, weil ich noch nie zuvor einen Wagen mit Schaltgetriebe gefahren hatte. Nachdem ich es geschafft hatte, aus dem Gebrauchtwagenplatz herauszuruckeln, fragte Dad nochmals, ob ich ihn nicht besser fahren lassen wollte.

      Ich kratzte 29 Dollar zusammen und ließ den Wagen bei Earl Scheib nach dem Stones-Song „Paint It Black“ schwarz spritzen. Die Arbeit wurde so nachlässig ausgeführt, dass sie sogar die Reifen schwarz besprühten, aber mir gefiel das Blitzen des Hochglanzes sehr.

      Jim besaß kein Auto, aber er hatte einige interessante Freunde. Sie waren alle ein oder zwei Jahre älter und ich bewunderte sie. Wir besuchten Felix Venables Haus bei den Kanälen, einer etwas schäbigeren Ausgabe von Venedig, die ihre besten Tage in den 20er Jahren gesehen hatte, inklusive herumwatschelnder Enten. Heute watscheln immer noch Enten dort herum. Felix sah wie ein gealterter Surfer aus, der zuviel Zeit in Mexiko verbracht hatte, aber er war sehr freundlich, liebte es zu feiern und lebte mit einer Frau zusammen, die mich sehr antörnte. Sie war älter als ich – hübsches Gesicht und gute Figur.

      Einige Stunden später schauten wir bei Dennis Jacobs rein, einem weiteren Filmstudenten. Dennis lebte in einem Dachappartement in der Brooks Street, einen halben Block vom Ozean entfernt. Sein Lieblingsthema war der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche. Ich nahm mir eines von Nietzsches Büchern, „Die Geburt der Tragödie“, und las einige Absätze, während Jim und Dennis miteinander redeten. Ich konnte nicht begreifen, warum irgendjemand so ein zweideutiges Geschwätz in Buchform überhaupt liest. Dennis schien verrückt zu sein, aber seine Lust am