Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore

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Tommy war ein ziemlich introvertierter Typ, aber Robby schwatzte ihm diesen „Appetitmacher“ förmlich auf. Robby war nur ein Jahr jünger als ich, aber auch er hatte manchmal seine spitzen Seiten. Hartnäckigkeit war Robbys Achillesferse.

      Wir gingen nach draußen und redeten mit den Blumen; jeder wollte gerne Grants Freundin besteigen, blieb aber erfolglos. Dann drehte Tommy durch. Abwechselnd zeigte sein Gesicht Freude und Terror, während er pausenlos sagte: „Ich bin erleuchtet … oh nein, ich sterbe!“ Als die Wirkung nachließ, wurde sein Gemüt wieder normaler, schien sich aber nie wieder vollständig zu stabilisieren.

      Bill Wolf war ein Gitarrist aus der Gegend mit einem gesunden Sinn für Humor und wir beide kamen ausgezeichnet miteinander aus. Wir diskutierten über Gott und über Nichtigkeiten und lachten viel. Er berichtete mir von einem wilden Tier – er hielt es für einen Tiger –, das ihm im Nacken säße und dass er sich schwer konzentrieren müsse, nicht gefressen zu werden. Nach diesem Abend beschlossen Robby, Grant, Bill und ich, eine Band mit dem Namen „The Psychedelic Rangers“ zu gründen. Im Frühjahr 1965 beherrschten die Beach Boys mit ihren Surfliedern die Hitparaden und es gab Gemurmel über unsere Jungs, die in einem weit entfernten Land namens Vietnam kämpften, scheinbar Lichtjahre entfernt vom sonnigen Südkalifornien.

      Unsere erste Übungssession fand im Wohnzimmer von Robbys Elternhaus statt. In einer Art Folkrock-Stil schrieben wir einen Song mit dem Titel „Paranoia“. Grant verfasste einen absurden Text mit den Zeilen „… das schwarz-weiße Fieber macht dich nervös …“, was sich auf die Bullen bezog. Abgesehen davon, dass die Proben immer viel Spaß machten, dachten wir weniger daran, Karriere zu machen, obwohl „Paranoia“ es sicherlich geschafft hätte, wenn sogar Barry McGuire mit „Eve of Destruction“ einen Hit landen konnte.

      Ein Freund von Grant besaß eine 8-mm Filmkamera und wir beschlossen, zu unserem potenziellen Hit einen kleinen Film zu drehen. Es war auch Grants Idee, nach Chinatown zu fahren und grellfarbene Kimonos als Kostüme zu besorgen. In der ersten Szene des Films war ich zu sehen, wie ich mit hinter mir herflatterndem Kimono von einer Mauer auf meinen Schlagzeugschemel sprang und die ersten Trommelschläge des Songs hämmerte. Am Ende des Streifens hatte Grant sein elektrisches Klavier über den Haufen geworfen und wir saßen alle hysterisch lachend zwischen unserer zerstörten Anlage (und das, bevor wir überhaupt jemals die Who gesehen hatten!).

      Die Band fiel schließlich auseinander, weil wir keine Auftritte bekamen, aber wir hingen immer noch zusammen herum. Wir waren überzeugt, dass wir nicht nur einfach Drogen nahmen, sondern eine andere Realität erforschen. „The Rangers“ gingen in Liquor Stores, Plattenläden und Coffee Shops wie Uncle John’s Pancake House und staunten, wie ernst alle anderen Leute waren. Wahrscheinlich dachten die Außenstehenden, dass wir nur ein Haufen kichernder Teenager seien, aber wir praktizierten unseren eigenen Kult. In diesem Frühjahr machte Robby Bill Wolf, Tommy und mich auf einen Meditationskurs aufmerksam. Mir gefiel die erweiterte Wahrnehmung, die mir das Acid gab, aber ich konnte es natürlich nicht pausenlos schlucken. Zweifellos war ich auf einem Weg, aber ich wusste auch, dass die Droge wegen ihrer Macht nicht missbraucht werden sollte. Meine Intuition riet mir, auch meine Umgebung miteinzuplanen, bevor ich einen Trip einschmiss (in die Berge zu gehen oder an den Strand), was wesentlich dazu beitrug, einen Horrortrip zu vermeiden. Diese Überlegungen wurden mir später durch Carlos Castaneda in seinem Buch „Die Lehren des Don Juan“ bestätigt, in dem der Yaquiindianer als Experte halluzinogener Pflanzen rät: „Du musst dich vorbereiten. Das ist kein Scherz. Mescalito benötigt eine sichere Grundlage.“

      Meditation schien ein weniger zermürbender Weg zu sein. Wir begaben uns zu einigen Vorbereitungsseminaren im Wilshire Distrikt und hörten uns einen sanften Mann in einem Anzug an. Sein Name war Jerry Jarvis und seine Augen strahlten eine bemerkenswerte innere Zufriedenheit aus.

      Nachdem wir die Seminare absolviert hatten, waren wir befähigt, in die Transzendentale Meditation des Maharishi Mahesh Yogi eingeführt zu werden. Auf der Fahrt zur Einweihung machten wir Witze darüber, dass wir nun für nur 35 Dollar in das sofortige Nirwana stolpern sollten. Tommy, bei dem sein Acidtrip immer noch Nachwirkungen zeigte, dachte anscheinend, dass Meditieren ihm die Antwort auf alle seine Probleme geben würde. Ich machte mir ständig Sorgen um ihn, war aber ebenfalls neugierig zu erfahren, was es mit dem Meditieren auf sich hatte. Man bat uns, Blumen, Früchte und ein weißes Taschentuch mitzubringen. Wir würden jeder ein eigenes Mantra bekommen, ein altindisches Wort, das wir im Geist immer und immer wieder aufsagen müssten. Unsere Lehrer bedeuteten uns, dieses Wort nicht laut auszusprechen oder es aufzuschreiben. weil es sonst an Kraft verlieren würde.

      Ich fühlte mich während meiner ersten Meditationsübung ziemlich benommen und war gespannt auf das Folgetreffen nach unserer TM-Einweihungsstunde. Jeder berichtete von seinen Erlebnissen und dem Gefühl von Ruhe und Gelassenheit, während Jarvis erklärte, was bei der Meditation in einem vorgeht (damit es auch alle richtig machen).

      Er erzählte, wie aufgrund der Natur unseres Geistes ein Gedanke dem anderen folgen würde. Stimmen des Verstandes. Er meinte, dass das Mantra einen Gedanken von der Oberfläche unseres Geistes zu seinem Ursprung zurückführen würde. Doch bei mir passierte während des Meditierens nicht allzu viel. Keine farbigen Lichter waren zu sehen und nichts explodierte in meinem Kopf. Ich hatte eigentlich dieselbe schnelle und überraschende Wirkung wie durch LSD erwartet, doch im Grunde wusste ich, dass in den meisten östlichen Religionen man erst nach Jahren ständigen Meditierens zur Erleuchtung gelangen würde, wenn überhaupt. Das einzige, was ich bemerkte, war die Tatsache, dass der Straßenlärm anscheinend während meiner 15- oder 20-minütigen Meditation unhörbar wurde.

      Ich muss also irgendwo hingelangt sein – aber wohin?

      Wenigstens war die ganze Sache interessanter als meine Kommunion in der Kirche.

      Bei dem Treffen saß auch ein blonder Typ mit seiner japanischen Freundin dort, wedelte Jarvis pausenlos mit seiner Hand zu und rief: „Keine Erleuchtung, keine Erleuchtung!“

      Es war ärgerlich. Er tat so, als wenn er sich betrogen fühlte. Scheinbar erwartete er, sich schon am ersten Tag in einen Buddha verwandeln zu können. Nun hatten wir alle gehofft, dass es nicht allzu lange dauern würde, aber er war besonders ungeduldig.

      Nach der Stunde kam derselbe Typ auf mich zu und meinte: „Ich höre, du bist Schlagzeuger. Wollen wir eine Band gründen?“

      „Klar, warum auch nicht?“ antwortete ich. Ich spielte schon in einer Reihe anderer Gruppen, ließ aber keine Gelegenheit zum Spielen aus. Jamming war fast immer eine tolle Sache und bedeutete mir viel.

      „Meine Brüder und ich haben da so eine Kneipenband im Turkey Joint West in Santa Monica. Wir wollen da was Neues aufziehen. Der Zeitpunkt ist jetzt noch ungünstig, aber gib mir schon mal deine Telefonnummer und ich werde dich in einigen Monaten anrufen.“

      Der Zeitpunkt ist noch ungünstig? Worauf steht dieser Typ – Astrologie oder so? Interessanter Kerl. Definitiv voll drauf. Sein Name war Ray Manczarek, so schrieb er sich jedenfalls damals.

      *

      In diesem Frühjahr wechselte ich mehrmals meine Fächer am Valley State College. Ich wusste, dass ich Betriebswirtschaftslehre hassen würde, war aber der Ansicht, dass ich es zum Verdienen meines Lebensunterhalts gut gebrauchen könnte. Ich hörte nicht auf meine wahren Gefühle. Ich ließ andere Leute Einfluss auf mich ausüben. Aus diesem Grund kam ich auf eine für mich absurde Idee.

      Ich war gerne mit anderen Leuten zusammen, wollte ihnen helfen. Vielleicht war Soziologie etwas für mich.

      Aber schon bald hasste ich auch dieses Fach.

      Wegen zwei bestimmter Professoren schrieb ich mich danach in Anthropologie ein. Fred Katz war ethnologischer Musiklehrer und spielte beim Chico Hamilton Jazzquintett Cello. Professor Katz gab automatisch jedem Teilnehmer des Seminars die beste Note und man brauchte noch nicht einmal eine Seminararbeit anzufertigen oder ein Schlussexamen abzulegen. Aber nicht nur deswegen war der Kurs so beliebt, sondern Katz war auch ungeheuer interessant. Er war in der Welt herumgekommen und kannte sich mit dem Leben aus. Manchmal kamen seine Musikerkollegen in die Klasse und spielten mit ihm für uns. Jeder kriegte für einen Augenblick mit, was in der wahren Welt vor sich ging. Natürlich