Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore

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wie es ist -unendlich.“ Als ich dies hörte, war ich überzeugt, dass wir einen wahren Poeten in der Band hatten.

      The Doors. Ich mochte die Schlichtheit dieses Namens.

      „Was sollen wir eigentlich auf der Bühne tragen?“, fragte Jim mit unbewegter Miene. „Wie wär’s mit Anzügen?“

      „Ich weiß nicht so recht … mal sehen, wie’s sich entwickelt“, brummte ich und dachte, dass Jims Vorschlag mit der Garderobe das Blödste war, was er jemals gesagt hatte.

      Manchmal war Jim ganz schön naiv, dachte ich. Manchmal schlug es eben durch, dass er aus Jacksonville in Florida kam. Nicht unbedingt hip. Eher provinziell.

      *

      Was uns noch als Letztes im Weg stand, war die Einberufung zur Armee. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, das Töten lernen zu müssen. Genauso beängstigend war die Gefahr, dass die Gruppe auseinanderbrechen würde, falls auch nur einer von uns gezogen werden würde. Vietnam beherrschte inzwischen die Schlagzeilen. Einige unserer Freunde hatten bereits einen Einberufungsbescheid. Ich begriff nicht, dass durch den Einmarsch von Kommunisten in ein fernöstliches Land am anderen Ende der Welt unsere Regierung die nationale Sicherheit bedroht sah.

      Ray brauchte nicht mehr zu schwitzen, er hatte seinen Dienst schon abgeleistet. Seine Story zu diesem Thema hatte er ziemlich autobiografisch während seines Studiums zu einem Film mit dem Titel „Induction“ verarbeitet. Weil er wegen einer ehemaligen Freundin deprimiert war, hatte er sich freiwillig gemeldet (Er muss wohl ziemlich fertig gewesen sein. Was für ein Mädchen!). Doch Ray wollte nach einem Jahr wieder raus, nachdem er in Asien gelernt hatte, Marihuana und die sogenannten Thai-Sticks zu rauchen.

      Ray schluckte also ein kleines Aluminiumkügelchen, das auf dem Röntgenschirm wie ein Geschwür aussah. Dann gab er vor, homosexuell zu sein und man schickte ihn nach Hause.

      Im Sommer 1965 bekamen Jim, Robby und ich die Vorladung zur Musterung. Robbys eilfertige Eltern bestachen einen Psychiater, der ein Gutachten aufsetzte, dass Robby ungeeignet sei. Damit schickten sie ihn nach Tucson in Arizona zur Armeeverwaltung, die damals noch nicht gegen solche Ausflüchte von Kriegsgegnern immun war. Ich musste mich bei der Musterungsbehörde in Los Angeles vorstellen; Jim war eine Woche später vorgeladen.

      Die ärztliche Untersuchung dort zählt zu den Tiefpunkten meines Lebens. Die Schlagzeilen der Los Angeles Times berichteten von dem ersten Kriegsdienstverweigerer, der ins Gefängnis gesteckt wurde. Es handelte sich um den Freund eines Freundes, den ich mal getroffen hatte. Mit solchen Dingen im Kopf nahm ich Methedrin, das Robby vorsorglich besorgt hatte, konnte tagelang nicht schlafen und las Kenneth Patchens „Journal of Albion Moonlight“ zur Inspiration. Mit pazifistischen Sprüchen im Rücken und Bob Dylans Mundharmonika im Kopf, die „God on Our Side“ spielte, versuchte ich mir einzureden. dass ich die Standhaftigkeit eines Quäkers hätte. Doch als mich meine Eltern schließlich bei der Musterungsbehörde in der Innenstadt absetzten, war ich ein nervöses Wrack. Mit meinem blau-lila gestreiften Hemd und braunen Cordhosen, die wochenlang nicht gewaschen worden waren, öffnete ich die Schwingtür der großen und lauten Armeezentrale und stellte mich meinem Schicksal. Meine Klamotten rochen so übel, dass ich selbst kaum den Gestank ertragen konnte.

      „So, ihr Männer“, bellten uns die Rekrutieroffiziere an, als wären wir schon in der Armee. „Füllt dieses Formular aus und geht dann zur Untersuchung nach oben!“

      Ich füllte die Testbögen so nachlässig wie möglich aus und befürchtete, dass ich durchdrehen würde, wenn man mich nicht zurückstellen würde. Mit Hilfe von LSD konnte ich Frieden in einer verrückten Welt finden. Doch hier bei derArmee war ich dem Verrücktwerden schon bedrohlich nahe. Meine musikalische Karriere sah ich vor meinen Augen bereits schwinden.

      Als ich mit den Formularen fertig war, kam Ed Workman, ein alter Kumpel aus der Highschool, dreist quer durch den Raum auf mich zu. Er war dazu fähig, meine Maskerade zu entlarven. Ich wandte mein Gesicht ab.

      „He, John. Weißt’e was? Werd dich wohl in ’Nam treffen, Mann!“ Von seinem Machohumor war ich absolut nicht begeistert. Ich zog eine Grimasse und vermied, ihn anzuschauen, da er wahrscheinlich merkte, dass ich normalerweise anders aussah. Glücklicherweise starrte er nur kurz auf meine schäbige Verkleidung, schüttelte den Kopf und zog wieder ab.

      Nachdem er weg war, begab ich mich nach oben zu weiteren Tests. Leider fiel mir erst auf dem Weg zum Urintest ein. dass ich meine Probe mit etwas hätte würzen können – wenn ich vorher daran gedacht hätte, etwas mitzubringen.

      Ich musste von einem Büro zum nächsten. Als ich mich in die Schlange der Leute einreihte, die auf die psychiatrische Untersuchung warteten, beschlich mich Verzweiflung. Jetzt wurde es ernst und so langsam verließen mich die Ideen. Wenn man jetzt meinen Puls gemessen hätte, wäre ich bei der medizinischen Untersuchung mit Sicherheit durchgerasselt.

      Ein weiblich wirkender schwarzer Dandy tänzelte vor mir herum, während wir auf unsere Sitzung bei dem Seelenklempner warteten. Der Typ war laut und ungeduldig und äußerst affig. Ich hätte hundert Dollar wetten mögen, dass er zurückgestellt wird.

      Doch er gab mir die Inspiration, auf die ich gewartet hatte.

      Steif ging ich in das Büro des Psychiaters. Mit verworrenen Gedanken, meinem rasenden Herzen und meinen schwabbligen Knien trippelte ich zum Schreibtisch. Ohne ihm in die Augen zu schauen, zog ich den Stuhl vor dem Tisch an mich und zerrte ihn in die gegenüberliegende leere Ecke, wo Fotos von Präsident Johnson und einer B-52 hingen.

      Ich setzte mich mit dem Gesicht zur Wand auf den Stuhl.

      „KOMM HIERHIN, DU ARSCHLOCH!“ brüllte der Psychi­ater.

      Zitternd vor Angst, aber entschlossen, mein improvisiertes Verhalten beizubehalten, rückte ich den Stuhl so geziert wie möglich wieder vor ihn. Dann lehnte ich mich quer über seinen peinlich aufgeräumten Schreibtisch bis ich nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Mein Atem hätte wahrscheinlich auch die Jets an der Wand zum Absturz gebracht. Eine Woche lang hatte ich nicht geduscht.

      „Willst du in die Armee?“, fragte er und lehnte sich nach Luft ringend zurück.

      „Nein, Sir, das könnte ich nicht ertragen“, antwortete ich gewissenhaft, vor Aufrichtigkeit triefend. In meinen Augen sammelten sich Krokodilstränen. Ich spielte zum ersten Male in meinem Leben Theater und wusste es noch nicht einmal.

      „Das würde dir aber gut tun!“, sagte er und schüttelte vor Abscheu seinen Kopf. Er setzte seinen Stempel auf meine Papiere, mein Laurence Olivier-Theater nicht beachtend.

      Er händigte mir die Blätter aus und dirigierte mich zum nächsten Büro. Auf wackligen Beinen verließ ich ohne Hoffnung den Raum.

      Kurz darauf fand ich mich vor einem langen Tisch wieder, auf dem die kompletten Formulare gesammelt wurden. Eine schwarze freiwillige reckte die Hand, um meine Papiere in Empfang zu nehmen. Sie war etwa fünfzig Jahre alt und schien die Nähte ihrer Uniform zu sprengen, hatte aber das erste freundliche Gesicht, das ich an diesem Tag sah. Als ich ihr meine Formulare gab, schien sie meine Niedergeschlagenheit zu bemerken und zog mich zur Seite. Sie deutete vielsagend auf das Kästchen mit den „homosexuellen Tendenzen“ auf dem Formular und fragte: „Gibt es noch was, das du überprüfen willst?“ Ich schaute sie an, erst verblüfft, dann hoffnungsvoll und sie nickte in Richtung der Papiere, als wenn sie sagen wollte: „Überprüf’s doch noch mal!“ Ich weiß nicht, ob sie ernsthaft dachte, ich sei schwul oder nur zu zart für das Militär. Der Blick ihrer mütterlichen Augen sagte mir, dass ich nach der „Überprüfung“ dieses Kästchens verschont werden würde.

      Ein paar Stunden später hatte ich meine Einstufung: 1Y! Der Sekretär teilte mir mit, dass ich in einem Jahr nochmals wiederkommen müsste, aber in der Zwischenzeit war ich FREI! Ein 4F wäre mir lieber gewesen, denn es hätte eine dauerhafte Untauglichkeit bedeutet, aber ich wollte möglichst schnell dort weg und nicht noch großartig mit den Typen diskutieren.

      An der Ecke des MacArthur-Parks holte mich meine Mutter ab. Mein Gestank war mir peinlich, als ich ins Auto stieg, aber nachdem ich ihr schließlich den Grund erzählt hatte, war sie genauso