Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore

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Weg zu einem Neun-bis-Fünf-Uhr-Job in der Stadt.

      Das Problem war nur: es war nicht mein Traum. Von irgendwo aus meinem Unterbewussten rief eine Stimme: „LSD!“ Schon bald darauf sollte ich meinen ersten Kontakt mit LSD haben.

      Grant und ich gingen gerne zu Jamsessions mit örtlichen Musikern, die zusammenkamen und Jazz spielten. Zunächst hatte ich ziemliches Lampenfieber mitzumachen. Es waren immer mehrere Schlagzeuger da, die auf ihren Einsatz warteten, was mich reichlich einschüchterte. Zu gerne wollte ich meinen Elvin Jones-Trommeltrick vorführen. Nach einigen Versuchen wuchs mein Selbstvertrauen, weil ich einiges an positivem Feedback auf meine Einsätze bekam. Zudem waren diese Leute wirkliche Musiker. Das war nicht irgendeine dämliche Brüderschaftsparty, sondern ein ernsthaftes Jamming. Ein Zunicken oder ein „Gut gespielt, Mann, du bist gut bei der Sache!“ brachte es für mich. Ich habe tagelang darüber nachgedacht, ob ich wirklich gut gespielt hatte.

      Einer der Musiker bei diesen Sessions war Saxophonist. Er hieß Bud und war an den Rollstuhl gefesselt. Sein Körper war verkrümmt, aber er konnte wie Coltrane in Person spielen. Er hatte interessante Geschichten drauf, wie er im Gaslight Club in Venice Beach auftrat, wo Allen Ginsberg und andere Dichter ihre Lesungen hielten.

      Eines Tages fand eine Razzia statt und alle steckten ihr Pot Bud zu, bevor die Polizei in das Lokal stürmte. Er stopfte es in seinen Rollstuhl, wohl wissend, dass die Drogenbullen ihn nie im Leben filzen würden.

      Er war ein sanfter, freundlicher Typ, aber man schaute ungern hin, wenn er „voll drauf“ war. Er verrenkte seinen Körper beim Spielen und es schmerzte fast, ihm zuzusehen. Er hatte viel Puste, technisch gesehen, und der Zorn in seinen Soli war schonungslos. Er ließ sich keinen Augenblick zum Durchatmen, kam nicht aus seiner Rage heraus.

      Eines Tages teilte er mir mit, dass er einen Freund habe, der ihn mit etwas LSD zu unserem Haus bringen könnte. Seine Augen leuchteten für einen Moment auf. „Du siehst dann Farben in der Luft, Mann“, sagte er euphorisch. Drogen gehörten bisher nicht in mein Repertoire. Ich war neugierig darauf, hatte aber auch einige konfuse Vorstellungen davon. Lysergsäure klang eher danach, dass es meinen Arm verätzen würde als mir einen Rausch zu verschaffen.

      „Nun, versuchen wir’s…“, erwiderte ich ziemlich cool, doch im Inneren zitterte ich. Bis jetzt hatte ich noch nicht einmal Grass geraucht. Aber da war dieser Typ, der nicht laufen kann und deswegen in seinem Gehirn mit Hilfe von halluzinogenen Drogen herumreist. Je mehr er seine Reisen beschrieb, desto besser fand ich sie.

      Einige Tage später erschien er tatsächlich vor unserem Haus. Ein athletischer Schwarzer mit einem acidschwangeren Blick im Gesicht trug ihn die Treppen hoch.

      Wir setzten uns um den fleckigen Küchentisch und Grant und ich zeigten ihm voller Stolz unsere Jazz-Plattensammlung.

      Schließlich zog Bud einen Plastikbeutel hervor, in dem sich etwas befand, das wie Zahnputzpulver aussah.

      „Halbiere das Zeug“, sagte Bud. Ed, der schwarze Panthermensch, stimmte zu. „Ihr müsst mit einer kleineren Dosis anfangen, damit ihr nicht durchdreht.“

      Ed nickte wohlwollend. Er meinte es wirklich gut mit uns. Ich war froh über diese Rückversicherung.

      Nachdem sie gegangen waren, öffneten wir die Tüte. Das LSD war pulverförmig. Wir teilten es in zwei Häufchen – ich bekam noch weniger als die Hälfte – und führten etwas davon mit feuchten Fingerkuppen in den Mund. Fünf Minuten verstrichen und nichts Kosmisches geschah. Ungeduldig schluckten wir auch den Rest von dem Pulver. Mit nervösem Lachen leckten wir es vom Küchentisch.

      Ich ging ins Wohnzimmer und legte mich auf die Couch. Grant folgte mir und setzte sich in Zeitlupe in den Sessel.

      Take me on a trip upon your magic swirling ship

      My senses have been stripped, my hands can’t feel to grip

      My toes too numb to step

      Wait only for my boot heels to be wandering.

      (Mach mit mir eine Reise auf deinem magisch strudelnden Schiff

      Meine Sinne sind geöffnet, meine Hände sind erstarrt

      Meine Zehen zum Gehen zu taub

      Und warten darauf, dass meine Stiefelabsätze wieder wandern.)

      Meine Augen durchstreifen das Zimmer, vertiefen sich mit großem Ernst in das Kunstwerk an der Wand. Wir hatten ein riesiges Stück Leinwand aufgehängt, auf dem alle unsere Musikerfreunde große Klumpen Farbe kleistern durften, vielleicht Jackson Pollock zur Ehre, vermute ich.

      Hey Mr. Tambourine Man play a song for me

      I’m not sleepy and there is no place I’m going to.

      (Hey, Mann mit dem Tambourin, spiel mir einen Song

      Ich bin nicht müde und will auch nirgendwo hin.)

      Ich atmete tief den Geruch des Räucherstäbchens ein, das Grant angezündet hatte. Nun waren schon zwanzig Minuten verstrichen. Ich lugte über die ausgefranste Ecke des Sofas hinweg zum Boden und sah einen dunklen Abgrund, mindestens tausend Meter tief. lch war wieder ein Kind und hatte Angst vor den Monstern, die außerhalb meiner Krippe auf mich lauerten. Hilflos rutschte ich langsam von der Couch in den endlosen Schlund hinein. Furcht packte mich und ich schrie Grant zu, dass ich ins Leere falle.

      Take me disappearing thru the smoke rings of my mind

      Down the foggy ruins of time

      Past the frozen leaves

      The haunted frightened trees

      Out to the windy beach

      Far past the twisted reach

      Of crazy sorrow.

      (Durch die Rauchschwaden meines Verstandes

      Führe mich hinunter zu den nebligen Ruinen der Zeit

      Vorbei an gefrorenen Blättern

      Den gespenstisch verängstigten Bäumen

      Hinaus an den windigen Strand

      Weit weg vom umrankten Griff irrer Sorgen.)

      Er antwortete mit Gelächter. Je größer meine Angst wurde, desto mehr lachte er. Sein Lachen wurde so absurd, dass ich plötzlich aus meinem ersten – und einzigen – schlechten Trip herausgezogen wurde. Grant versuchte, mir die humorvolle Seite dieser Situation zu zeigen. Die ganze Geschichte dauerte nur zwei oder drei Minuten, aber mir kam sie wie eine Ewigkeit vor.

      Hey Mr. Tambourine Man play a song for me

      in the jingle jangle morning I’ll come followin’·you.

      (Hey, Mann mit dem Tambourin, spiel mir einen Song

      In dem Tingeltangel-Morgen folge ich dir.)

      Vor unserem Haus stand ein Akazienbaurn mit hellgelben Blüten. Ich zog Grant nach draußen, um die unwirklich pulsierenden Farben und Blüten zu betrachten. Unsere Schritte knirschten laut auf dem Gras. Der Lufthauch auf meiner Haut war neuartig und fremd und das Geräusch eines weit entfernten Autoauspuffs hörte sich an, als ob ein Güterzug durch unser Wohnzimmer donnern wollte. Es war wie eine Szene aus Fellinis 8 1/2, eine unglaublich surreale Komödie und wir wälzten uns lachend im Gras. Irgendwie schafften wir es ins Haus zurück, um auszuprobieren, wie man mit diesem Trip im Gehirn Musik machen konnte.

      Ich polterte mit meinen Fäusten wie ein Avantgardekomponist auf dem Klavier herum. Grant hielt das nicht aus; er bekam Seitenstechen vor Lachen.

      Später, als Grant von einem Charlie Mingus-Plattencover total aufgesaugt wurde, verschwand ich im Badezimmer und onanierte. Ich ließ mir Zeit und meine Fantasien waren sehr detailliert. Stunden schienen zu vergehen. Psychedelisches Abspritzen – das war typisch für die Sechziger Jahre.

      Acid verschaffte mir einen stärkeren Kick als die schale Oblate, die ich bei meiner ersten Heiligen Kommunion schluckte. Durch LSD hatte ich eine direkte Gotteserfahrung, oder wenigstens eine Erfahrung von etwas Außerirdischem oder Mystischem.