Medienpsychologie. Sabine Trepte

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Название Medienpsychologie
Автор произведения Sabine Trepte
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170391567



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im Hinblick auf unterschiedliche Merkmale verglichen oder im Längsschnitt betrachtet wird.

      Die besondere Herausforderung medienpsychologischer Experimente liegt in der Auswahl der Medienstimuli. Die Auswahl der Stimuli hat das Ziel, die untersuchte unabhängige Variable möglichst gut zu repräsentieren. Medienstimuli sind komplex und repräsentieren nicht nur die interessierenden Variablen. Möchte man untersuchen, wie die Gewalthaltigkeit eines Computerspiels auf die Aggressivität wirkt, so gilt es zunächst, die Gewalthaltigkeit eines Computerspiels zu definieren, relevante Variablen zu isolieren und schließlich eine geeignete Operationalisierung zu finden (siehe image Abb. 2.1 zum Forschungsablauf). Vielleicht zieht man einen Ego-Shooter mit vielen Gewaltszenen für die experimentelle Bedingung »Gewalt« heran und ein Lernspiel für die experimentelle Bedingung »keine Gewalt«. Dies ist eine extern valide Operationalisierung (vgl. Definition unten). Problematisch an dieser Auswahl ist, dass die Spiele sich nicht nur im Hinblick auf ihre Gewalthaltigkeit unterscheiden, sondern auch im Hinblick auf andere Störvariablen, die ebenfalls auf die abhängige Variable wirken und systematisch mit der unabhängigen Variable kovariieren können. So könnte beispielsweise der Ego-Shooter deutlich anregender sein als das grafisch einfach gestaltete Lernspiel. Das wiederum könnte Aggressivität beeinflussen. Man misst also möglicherweise den Einfluss der Grafik oder auch der Handlung oder Hintergrundmusik und nicht den Einfluss des Gewaltgehalts auf die Aggressivität. Alternativ zu diesen echten Spielen können sog. Vignetten verwendet werden, also kurze Beschreibungen eines Spiels. Dies ist eine intern validere Operationalisierung. Damit sind Hintergrundmusik oder Ästhetik des Medienangebots nicht erlebbar, die Anzahl der Störvariablen ist also reduziert und kontrolliert. Gleichzeitig sind jedoch Stimuli in Vignettenform wenig repräsentativ für echte Computerspiele, weil sie viele Aspekte des Medienangebots nicht widerspiegeln. Damit ist dann die externe Validität deutlich reduziert. Für das Experiment muss die Frage gestellt werden, ob der internen oder externen Validität größere Bedeutung beigemessen werden soll (Trepte & Wirth, 2004). Die interne und externe Validität des medienpsychologischen Experiments beeinflussen die Ergebnisse.

      Definitionen

      Interne Validität betrifft die Frage, ob und wie gut die Störvariablen kontrolliert sind.

      Externe Validität betrifft die Frage, ob und wie weit sich das Ergebnis auf andere Gegebenheiten verallgemeinern lässt. Repräsentieren die Eigenschaften der verwendeten Medienstimuli die in der Problemstellung interessierenden Medieninhalte? Sind die experimentellen Kontextfaktoren für andere Kontexte außerhalb der Experimentalsituation repräsentativ? Je besser die Gegebenheiten übertragbar sind, umso höher ist die externe Validität.

      Anhand der genannten Definitionen wird bereits deutlich: Die Forderungen der internen und externen Validität widersprechen sich. Sollen die Medienstimuli aktuelle Medienangebote in ihrer vollen Komplexität und »Reichhaltigkeit« repräsentieren und damit extern valide sein? Oder gilt es, die interne Validität zu bewahren, indem möglichst wenige Störvariablen einfließen? Beide Fragen können nie gleichzeitig mit »Ja« beantwortet werden. Die Konsequenz ist also, für das spezifische Studiendesign Prioritäten zu setzen und geschickt abzuwägen – sowohl bei der Gestaltung der eigenen Studie als auch bei der Lektüre und Bewertung wissenschaftlicher Studien, die andere durchgeführt haben.

      Medienpsychologische Forschung ist ganz besonders an dem Erleben von Medienangeboten, ihren Genres und Inhalten interessiert. Mit dem Experiment können wir Menschen die Medienangebote, Genres und Inhalte präsentieren und ihre Reaktionen darauf untersuchen. Echte Laborexperimente sind aufwändig und teuer, da die Teilnehmenden in das Labor kommen und dort betreut und angeleitet werden müssen. Deshalb werden sie trotz ihrer Möglichkeit, Störeinflüsse zu kontrollieren immer weniger durchgeführt. Viele Forscher:innen greifen auf Online-Experimente zurück, die sie in Befragungen einbetten. Dieses Vorgehen ermöglicht eine einfachere, kostengünstigere Rekrutierung und Durchführung – dies aber eben mit einer schlechteren Kontrollierbarkeit von Störeinflüssen.

      2.3 Standardisierte Befragung

      Mit Befragungen werden in der medienpsychologischen Forschung zahlreiche Variablen erfasst: Rezeptionserleben, Nutzungsmotive, Meinungen, Einstellungen, psychologische Merkmale oder Verhaltensweisen. Standardisierte Befragungen sind ökonomisch, erlauben das gleichzeitige und zügige Erfassen einer Vielzahl von Variablen und sind in allen medienpsychologischen Themenbereichen einsetzbar. Darüber hinaus ermöglichen Online-Befragungen die vereinfachte und nutzerfreundliche Einbettung von audiovisuellen Medieninhalten, sodass die Befragung für die medienpsychologische Forschung in sehr vielfältiger Weise angewendet werden kann. Zu den am häufigsten verwendeten Verfahren gehören die standardisierte, querschnittliche Befragung, die längsschnittliche Befragung und das qualitative Interview (Möhring & Schlütz, 2019).

      Definition

      Unter dem Begriff Befragung werden Verfahren subsumiert, die durch die Konfrontation mit gezielten Fragen auf die Erfassung individueller Merkmale einer Person abzielen. Von der individuellen Reaktion auf die Fragen wird auf die Ausprägung bestimmter Eigenschaften geschlossen.

      Eine notwendige Voraussetzung für die Durchführung von Befragungen im Forschungsprozess besteht ebenso wie im Experiment in der Übersetzung der »Forschungsfragen« in sogenannte »Testfragen« (Kromrey, 2016, S. 347). Wenn beispielsweise die Forschungsfrage darauf abzielt, ob Personen mit stark ausgeprägter Extraversion eher Tinder nutzen, so müssen die einzelnen in der Forschungsfrage enthaltenen Variablen operationalisiert werden (image Abb. 2.1). In unserem Beispiel wird zum einen die psychologische Eigenschaft Extraversion und zum anderen die Verhaltensweise Nutzung von Tinder operationalisiert.

      Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Formen der Befragung unterscheiden. In standardisierten Befragungen gibt man den Befragten das Thema, den Ablauf und die Antwortmöglichkeiten weitgehend vor. Demgegenüber lassen nicht standardisierte Befragungsformen erheblichen Freiraum beim Ablauf der Befragung und der Frageformulierung. Diese Art der Befragung findet sich häufig im Bereich der qualitativen Forschungsmethoden (z. B. in Form von Expert:innen-Interviews oder Gruppendiskussionen, image Kap. 2.5).

      Befragungen können sowohl mündlich als auch schriftlich durchgeführt werden. Bei mündlichen Befragungen liest ein Interviewer oder eine Interviewerin die Fragen in einem persönlichen Gespräch (persönlich-mündliches Interview) oder am Telefon (Telefonbefragung) vor und notiert die Antworten der Befragten. Mündlich-persönliche bzw. telefonische Befragungen werden im Rahmen von bevölkerungsrepräsentativen Studien, z. B. zur repräsentativen Erfassung der Mediennutzung, eingesetzt. So wird im Rahmen der »ARD/ZDF-Onlinestudie« seit 1997 jährlich die Online-Nutzung in Deutschland mittels repräsentativer Telefonbefragungen ermittelt (Frees & Koch, 2018).

      Bei der schriftlichen Befragung wird der Fragebogen den Befragten in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt und diese füllen ihn selbständig aus. Aufgrund der kostengünstigen Durchführbarkeit und der starken Standardisierung dominieren in der Medienpsychologie computergestützte Befragungen (im Labor oder im Feld). Die am häufigsten verwendete Methode ist die Online-Befragung. Von Vorteil ist die kostengünstige Durchführung, und dass auf diese Weise auch sensiblere Themen anonym abgefragt werden können.

      Eine Variante der Befragung, ist die Längsschnittbefragung. Diese kann ebenfalls mündlich und schriftlich via Online- oder Paper-Pencil-Befragung durchgeführt werden.

      Definition

      Mit einer Längsschnittbefragung untersucht man Fragestellungen im Zeitverlauf über mehrere