Название | Das Erbe von Samara und New York |
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Автор произведения | Erik Eriksson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944369099 |
Fühlte sich Hedvig von ihren Geschwistern ausgeschlossen, wurde sie von ihren Schulkameraden als anders angesehen? Auf jeden Fall wurde sie sehr früh selbständig, lernte auch, Abstand zu halten von allem Gefühlsmäßigen, von aller Hätschelei.
Als Erik Larsson krank wurde, redete man zuhause nicht darüber. Die Kinder hatten es auch so verstanden. Sie hatten die Eltern niemals über Probleme reden hören. Aber sie hatten begriffen, dass etwas Ernstes bevorstand.
Einmal fragte der jüngste Bruder Gustaf, ob Hedvig glaube, dass der Vater sterben müsse.
»Was redest du da«, antwortete Hedvig, »woher hast du das denn?«
»Ich habe gesehen, dass er zu Gott gebetet hat«, erwiderte Gustaf.
»Davon kann man wohl nicht sterben.«
»Sonst betet er doch nie.«
»Was meinst du denn?«
»Er hat zu Gott gebetet, als Großvater gestorben ist.«
»Großvater war alt.«
»Sofia ist doch gestorben, als sie erst einen Monat alt war.«
»Ja, aber Papa wird nicht sterben.«
Gustaf war sechs Jahre alt. Es war das einzige Mal, dass Hedvig mit jemandem über die Krankheit des Vaters sprach.
Erik Larsson versuchte, nach dem Dreikönigstag wieder arbeiten zu gehen, aber er fiel um, wurde von einigen Sägewerkarbeitern nach Hause gebracht. Es war ein kalter Tag, die jungen Männer, die den Zimmermann stützten, hatten rote Wangen, Erik war bleich.
Maria lud die Burschen ein, hereinzukommen und sich einen Moment auszuruhen, aber sie machten eine Verbeugung und sagten, dass sie zurück müssten. Sie hatten die Erlaubnis erhalten, sich von der Arbeit zu entfernen, aber sie wollten nicht, dass es hieß, sie würden die Gelegenheit wahrnehmen, um zu faulenzen.
Nachdem sie gegangen waren, blieb Erik auf einem Schemel in der Küche sitzen. Er hustete, Matilda fragte, ob er etwas Warmes haben wolle, sie könne etwas Suppe aufwärmen, die sie für das Mittagessen zubereitet hatte. Aber Erik lehnte ab, er wollte sich nur hinlegen, er war so schrecklich müde.
Sobald er im Bett lag, schlief er ein. Er schlief in der Küche, auf einer Bettcouch. Die Katze sprang auf das Bett und rollte sich in der Kuhle hinter Eriks angezogenen Knien zusammen.
Es war eine silbergraue Katze, sie hieß Siliam. Hedvig hatte sie so genannt. Wie sie auf diesen Namen gekommen war, wusste niemand. Hedvig hatte Phantasie, vielleicht hatte sie den Namen irgendwo gelesen. Niemand fragte sie danach. Hätte es jemand getan, so hätte Hedvig vielleicht mit den Schultern gezuckt, wie sie es zu tun pflegte, und geantwortet, das könne sie wohl nicht wissen. Vielleicht hätte sie auch gemurmelt:
»Siliam, wie Siams Lamm, wie seidener Bettstaub, dort am Ende des Weges, wohin die Sonne Strahlen sandte, wohin die Wasserkatze sich wandte.«
»Was?«
»Ach, nichts.«
»Aber du hast etwas von Siams Staub gesagt?«
»Das war nur etwas, was ich gelesen habe.«
Vielleicht hatte sie es in einer Zeitung gelesen, in der sie auf dem Gut Södra Gården hatte blättern dürfen, oder in einem Buch, das ihr die Schullehrerin geliehen hatte. Vielleicht hatte sie die Wörter und Reime auch erfunden. Es ging ihr hier vielleicht genauso wie mit den seltsamen Bildern, die sie vor dem Einschlafen sah.
Sie kamen einfach zu ihr.
Ende Februar wurde das Wetter etwas milder. Gleichzeitig fühlte sich Erik Larsson ein wenig besser. Er war aufgestanden, saß mit am Tisch und aß, hustete nicht mehr ganz so lange und anhaltend. Vielleicht ließ die Krankheit nach?
Hedvig hatte gehört, dass man in einer Fabrik in Eskilstuna Arbeiter suchte. Ein Vorarbeiter auf dem Hof Södra Gården hatte in der Pause laut vorgelesen: »Geschickte Arbeiter und Arbeiterinnen können für kürzere oder längere Dauer eingestellt werden bei Hadar Hallströms Messerfabrik AG.«
Am Abend redete Hedvig mit Hulda. Sie sollten sich vielleicht in Eskilstuna bewerben, sie konnten sicher bei dem jüngsten Bruder ihres Vaters wohnen, der dort am Rande der Stadt eine Kate hatte. Direkt neben der Kate standen eine Scheune und Ställe, dort konnten sie sicher vorübergehend unterkommen.
»Können wir Mutter mit den Kleinen allein lassen?«, überlegte Hulda.
»Vater geht es jetzt besser«, antwortete Hedvig, »wir können Ende des Sommers zurückkommen und mithelfen, wenn es nötig sein sollte.«
»Ja, Vater wird sicher bald wieder arbeiten können.«
»Wir reden morgen mit Mutter.«
Es war ihre Mutter Matilda, die zuhause das Sagen hatte, sie mussten die Mädchen um Erlaubnis fragen. Auch als der Vater noch gesund gewesen war, hatten sie nichts Wichtiges unternehmen können, ohne vorher Matilda zu fragen.
Es war Hedvig, die fragte.
Matilda antwortete nicht, sie nickte nur, so wie sie es immer tat, wenn sie über etwas nachdenken wollte. Es bedeutete, dass sie es gehört und verstanden hatte und dass bald ein Bescheid kommen würde.
Am nächsten Tag sprach Matilda mit den Mädchen. Sie konnten fahren, sie sollten selbst für ihre Unterkunft sorgen, sie waren ja jetzt fünfzehn Jahre alt.
Sie warteten, die Kälte hielt sich bis in den März hinein. Der Frühling brach auch in diesem Jahr plötzlich herein. Anfang April begann es zu tauen, das Eis brach zu Ostern auf. Da verließen Hedvig und Hulda ihr Elternhaus. Sie gaben Vater und Mutter die Hand, machten einen Knicks und sagten Auf Wiedersehen. Der jüngste Bruder Oskar Natanael war drei Monate alt. Hedvig streichelte ihm die Wange, ehe sie ging. Dies war der einzige Ausbruch von Zärtlichkeit, der beim Abschied vorkam.
Die Schwestern gingen zu Fuß nach Örebro, blieben über Nacht bei Verwandten. Am nächsten Tag machten sie sich wieder auf die achtzig Kilometer lange Wanderung nach Eskilstuna. Sie schafften es bis Arboga, suchten Unterschlupf in einer Scheune, saßen dort zusammengekauert und froren die ganze Nacht, schliefen ein, erwachten von der Kälte, gingen weiter, ehe es richtig hell wurde.
Hedvig und Hulda wurden in der Messerfabrik angestellt. Ihre Arbeit begann an einem Montag. Sie schliffen Scheren von sieben Uhr früh bis sechs Uhr abends. Ihr Tagesverdienst überstieg selten fünfzig Öre.
Die Mädchen standen nebeneinander an der langen Arbeitsbank, wo Schleifscheiben mit Hilfe von Lederriemen von einer mächtigen rotierenden Welle angetrieben wurden. Man konnte sich nicht unterhalten, die Funken sprühten von den Stahlscheren, der Schleifstaub machte das Atmen schwer, der Lärm war durchdringend und betäubend.
Etwas weiter entfernt an der Bank stand ein junger Bursche. Er war in Hedvigs Alter. Sie hatten einander schon einige Male gegrüßt.
Der Junge hieß Karl Gustaf Eriksson.
Er und Hedvig trugen denselben Nachnamen. Das sollte in Zukunft sowohl zu einer Verwirrung als auch zu einer Vereinfachung führen.
Sie waren immer noch Brüder und Schwestern
Der Sommer wurde feucht und warm. Nachts regnete es, am Tage schien die Sonne, die Natur nahm alles in sich auf, gab zurück wie selten zuvor. Der Saft lief aus den Birken, die Grabenränder waren voll von Walderdbeeren, die Weidenzweige berührten das Wasser an den Ufern des Eskilstuna-Flusses zwischen Entenküken und schaukelnden Schwanenfedern.
Hedvig und Hulda gingen oft am Fluss entlang, der außerhalb der Stadt an der Kate des Onkels vorbeifloss. Sie wohnten über dem Stall, er hatte ihnen geholfen, Schlafstellen auf dem Heuboden einzurichten. Sie schliefen eingerollt in ihre Decken.
Es waren diese Spaziergänge zwischen ihrem derzeitigen Zuhause und der Fabrik, die das Beste von allem waren. Es gab so viel Neues zu betrachten, Villen, in denen die Beamten wohnten, riesige Fabrikhallen, hohe Schornsteine mit qualmendem Rauch und dampfende Schmelzöfen, wo die Mädchen aus sicherer Entfernung sehen