Название | Kahlbergs Talfahrt |
---|---|
Автор произведения | Joe Wentrup |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944369693 |
Wiesenkötter schielte rasch auf seine Uhr. »Meine Leute sind wahrscheinlich gerade bei ihr.«
»Ah, gut«, sagte Kahlberg erleichtert, wobei er allerdings im Stillen annahm, sie würde nach der Rosskur, die ihr diese Provinzspezialisten im Begriff waren zu verabreichen, für lange Zeit ein Wrack sein. Aber insgeheim war er froh, es nicht selber tun zu müssen, hatte er doch eigentlich vorgehabt, Wiesenkötter genau dies anzubieten.
Der musterte ihn abschätzig, bevor er säuselte: »Sehen Sie, Kahlberg, wir kommen hier sehr gut auch ohne Sie zurecht. Vielleicht sollten Sie doch lieber nach Hause zurückfahren?«
Kahlberg hielt Wiesenkötters Blick ungerührt stand. »Ich glaube, Sie sollten jetzt einen ihrer Beamten rufen. Mein Verhör ist erst mal beendet.«
Wiesenkötter seufzte und gab dem jungen Beamten einen Wink. Der stand sogleich auf, öffnete die Tür und machte ein Zeichen in den Flur, woraufhin der Kollege erschien, der Kahlberg in das Verhörzimmer geführt hatte.
»Führen Sie ihn ab«, sagte Wiesenkötter genüsslich, wobei er mit seinem flachen Kinn auf Kahlberg wies. »Und sorgen Sie dafür, dass es ihm nicht zu gut geht, damit er hier nicht einzieht.«
Wiesenkötters schrilles Kichern verfolgte Kahlberg, bis sich die Tür hinter ihm schloss.
Im leeren Flur lockerte der Beamte seinen Griff an Kahlbergs Arm. Es war ihm deutlich peinlich, einen Vorgesetzten wie einen Verbrecher zu behandeln, selbst, wenn es nur der Tarnung diente.
Kahlberg blieb stehen und fragte vertraulich: »Wo kann ich die Verhöre mitverfolgen?«
»Äh, nun, ich weiß nicht, ob ...«, erwiderte der Beamte zögerlich.
»Hören Sie, ich kann mir auch die Erlaubnis dafür von ganz oben besorgen«, sagte Kahlberg noch immer freundlich. »Aber dann muss ich auch angeben, warum man mich nicht einfach so gelassen hat.«
Der Beamte zögerte noch immer.
»Also, was ist jetzt?« Kahlberg setzte seinen Verhörblick auf, mit dem er schon die härtesten Typen weichgekocht hatte.
Der Beamte knickte ein.
»Na gut, kommen Sie hier entlang.«
Er führte Kahlberg in einen Raum, der ebenso karg eingerichtet war wie das Verhörzimmer. Nur dass sich hier keine Kamera befand, sondern ein Computer mit zwei Bildschirmen, der Kahlberg entfernt an einen Videoschnittplatz erinnerte.
Da die Verhöre ohnehin ununterbrochen auf die Festplatte des Computers aufgezeichnet wurden, musste der Beamte lediglich die Bildschirme einschalten. Sofort erschien auf einem davon das Verhörzimmer, in welches gerade der nächste Verdächtige geführt wurde. Ein Mann mit zurückgekämmten Haaren und bleistiftdünnen Koteletten, die in einen spitzen Kinnbart übergingen. Nolte, der Fahrer des Mustangs.
Kahlberg nickte dem Beamten zu. Der begriff und verließ beflissentlich den Raum.
Als er alleine war, nahm Kahlberg auf dem Stuhl vor dem Computer Plate und setzte den Kopfhörer auf, der über einem der Bildschirme hing. Dann konzentrierte er sich auf das Bild, das auf einem der Monitore zu sehen war.
Man hatte Nolte zu dem Stuhl am anderen Ende des Tisches geführt und ihn dort Plate nehmen lassen. Wiesenkötter legte sofort mit Volldampf los.
»Was hattest du mit deinem Mustang vor dem Club zu suchen?«, fragte er mit drohender Stimme.
Nolte saß ungerührt auf seinem Stuhl.
»Gesucht?« Er grinste und lehnte sich gemächlich zurück. »Nichts. Ich bin nur etwas spazieren gefahren, so ein Mustang braucht nun mal Auslauf.«
»Und woher kennst Du Ted Jones?«, schnaubte Wiesenkötter.
»Ted wer?«, erwiderte Nolte mit Unschuldsmiene.
Der junge Beamte zog ein Foto von Ted Jones aus einer Mappe und hielt es Nolte unter die Nase. Die Augen des Fotografen blickten wie unbeteiligt ins Leere, das Bild endete oberhalb des Schnittes, der sich über seinen Hals zog. Nolte sah sich das Foto einen Moment genau an. »Ist der etwa tot?«
»Allerdings«, grollte Wiesenkötter.
Nolte zuckte mit den Schultern. »Ja, den habe ich gesehen, der ist in letzter Zeit öfters in der Gegend gewesen. Aber ich habe keinen Schimmer, wer das ist. Und wenn Sie glauben, dass ich …«
»Und trotzdem grüßt du ihn wie einen alten Bekannten?«, unterbrach ihn Wiesenkötter.
»Er hat mich gegrüßt«, knurrte Nolte. »Muss wohl an meinem Wagen liegen, dass mich alle kennen.« Er lehnte sich noch weiter in seinem Stuhl zurück und grinste herausfordernd, während er mit seinen abgetragenen Bikerstiefeln wippte.
Wiesenkötter baute sich breitbeinig vor ihm auf. »Du kommst dir wohl sehr schlau vor«, zischte er, beugte sich vornüber und legte seine Hand auf die Stuhllehne. Eine kleine Bewegung, und Nolte würde rücklings auf dem Boden landen.
»Wenn Sie auch nur andeuten, was Sie da vorhaben, ist unser kleines Gespräch beendet«, sagte dieser seelenruhig.
Kahlberg beugte sich gespannt zum Bildschirm vor. Der Typ hatte Nerven.
»Gespräch?«, fauchte Wiesenkötter. »Das ist ein Verhör!«
»Ach ja, und wie lautet die Anklage? Dass ich mit meinem Wagen durch die Gegend gefahren bin und mich ein wildfremder Mann gegrüßt hat?«
»Dir werden Deine Sprüche noch im Hals stecken bleiben.« Wiesenkötter nahm die Hand nicht von der Lehne. Stattdessen drosch er mit der anderen auf den Tisch, worauf der Jungbulle vor Schreck fast vom Stuhl fiel. »Was zum Teufel weißt du über Ted Jones? Wer war der Typ mit dem Schnäuzer? Was bedeuten die Buchstaben MA?«, schrie Wiesenkötter mit sich überschlagender Stimme und sein Gesicht färbte sich purpurrot, während Nolte ungerührt die Brüllattacke aussaß.
Kahlberg durchfuhr die Pein des Fremdschämens. Wiesenkötter, der Panzer im Tulpenfeld. Er legte einfach die Karten offen, anstatt Details wie die Buchstabenkombination im Ungewissen zu lassen. Oft genug rutschte einem Verdächtigen bei der entsprechenden Menge Druck ganz ungefragt etwas heraus, das er eigentlich nicht wissen konnte. Gleiches galt für die Beschreibung des Mörders. Aber es hätte Nolte von selbst über die Zunge kommen müssen, dass der einen Schnäuzer trug. Sollte er tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun haben, seine Verteidigung müsste nur die Aufzeichnungen des Verhörs nehmen, um zu zeigen, wie der Herr Polizeihauptkommissar sämtliche Indizien vor Nolte ausgebreitet hatte. Ganze Geständnisse waren so schon widerrufen worden.
Doch Wiesenkötter war noch nicht fertig.
»Wenn wir das Handy und die Kamera in deinen Hehlerkreisen finden, bist du dran!«, schnaubte er.
»Halt deine Klappe!«, stöhnte Kahlberg den Bildschirm an und knallte seine Handflächen auf die Tischplatte.
Fast schien es, als hätte Wiesenkötter ihn gehört, denn tatsächlich nahm er die Hand von der Lehne, reckte sich und blickte für einen Moment in die Kamera. Dann aber fuhr er ungerührt fort mit dem Verhör, welchem der Nachwuchspolizist noch die Krone aufsetzte, indem er Nolte in cooler TV-Cop-Pose fragte, ob er in jüngster Zeit Websites mit Abhörapps besucht habe.
Kahlberg ließ sich ächzend in den Stuhl zurücksinken. Es war sowieso zu spät, um etwas zu unternehmen. Am liebsten hätte er die Bildschirme vor sich ausgeschaltet, aber er wollte wissen, wann er ungestört das Zimmer verlassen und auf dem Hof hinter dem Gebäude eine Zigarette rauchen konnte, ohne Nolte plötzlich im Flur zu begegnen. Je weniger der davon Wind bekäme, dass er Bulle ist, umso besser.
Endlich wurde das unfruchtbare Verhör beendet und man ließ Nolte, in Ermangelung an Beweisen, geschweige denn eines handfesten Verdachtes, ziehen.
Nachdem einige Minuten verstrichen waren, stellte Kahlberg die Bildschirme ab, verließ den Raum und trat vorsichtig auf den Flur. Er war leer. Kahlberg musste grinsen. Er, der