Название | Kahlbergs Talfahrt |
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Автор произведения | Joe Wentrup |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944369693 |
Als er das Innere des Clubs betrat, war Kahlberg aufgestanden und die beiden Männer gaben sich so überschwänglich die Hand, dass die Berührung ein leichtes Klatschen hervorbrachte.
»Bist ja seit Monaten nicht mehr zu uns gekommen«, sagte Ted mit breitem Grinsen und britischem Akzent.
»Es gab viel zu tun, zwei Mal wurde mir mein Dienstfrei gestrichen«, seufzte Kahlberg.
»Klingt spannend.«
»Für dich wäre es frustrierend. Wenn wir eintreffen, sind alle schon tot.«
»Na ja«, warf Ted ein und grinste nun noch breiter. »Bei deinem letzten Einsatz hier in der Gegend hast du aber allerhand Life Action geboten.«
Nun musste auch Kahlberg grinsen. Ein ziemlich turbulenter Fall hatte ihn nach vielen Jahren zurück in seine Geburtsstadt Himmel geführt und er hatte seitdem, ganz gegen seine ursprünglichen Pläne und trotz seiner tiefen Abneigung gegen alles Kleinstädtische, begonnen, an jenem Ort wieder ein paar Wurzeln zu schlagen, welche ihn immer wieder dorthin zogen. Dünne Wurzeln wohlgemerkt, die ihm nicht das Gefühl gaben, durch sie gebunden zu sein, sondern sie jederzeit durchtrennen zu können. Vielleicht verbarg aber gerade diese Annahme ihr allmähliches Wachstum.
Die beiden Männer setzten sich an den Tisch am Fenster, die Bedienung kam herbei und Ted bestellte einen Tee.
Nach all den Jahren immer noch ganz der Brite, dachte Kahlberg und fragte ihn: »Was gibt’s Neues in Himmel?«
Ted zog die Augenbrauen hoch und wiegte den Kopf, als wolle er damit andeuten, dass nichts, was er nun sagen würde, Kahlberg auch nur im Entferntesten beeindrucken würde.
»Die Stadt ist eine einzige Baustelle, sie soll ja wieder zu der Perle werden, die sie wohl mal gewesen ist und diejenigen, die jetzt das Sagen haben, scheinen diese Pläne tatsächlich auch im Sinne der Bürger umzusetzen.« Dann rückte er mit dramatischem Schweigen seine Brille zurecht und fügte hinzu: »Und der Pub ist abgebrannt.«
»Wie denn das?«, rief Kahlberg überrascht.
Ted genoss es für einen Augenblick, doch eine überraschende Nachricht bei seinem Gegenüber gelandet zu haben und sagte dann: »Ganz unspektakulär, ein dämlicher Kurzschluss.«
»Und nun?«
»Trinken wir woanders«, lachte der Brite und fügte beschwichtigend hinzu: »Aber keine Sorge, der Wirt bleibt uns erhalten, spätestens Silvester macht er wieder auf.«
»Same procedure as every year.«
»Yep!«
Als ihr Lachen verstummt war, blickten sie sich ernst an. Beide wussten, dass die Zeit der Begrüßungsfloskeln vorbei war und sie nun zur Sache kommen würden.
»Ich bin auf was gestoßen«, legte Ted los und räusperte sich. »Auf was Dickes.«
»Hier? In dieser verträumten Gegend?«
»Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.«
»Schieß los!« Kahlberg ließ sich nicht gerne auf die Folter spannen. »Bestimmt hast du Fotos gemacht.«
»Auch. Aber das Allerwichtigste habe ich hier«, Ted tippte sich an den Kopf. »Und hier, damit ich nicht die ganze Kamera mit mir rumschleppen muss.« Er zog sein Mobiltelefon hervor und legte es auf den Tisch.
Kahlberg blickte gespannt auf das Smartphone, mit dem Teds Finger auf der Tischplatte spielten. »Keine Sicherungskopien?«
Ted schüttelte den Kopf. »Wir haben früher immer alles bei uns getragen oder besser noch im Oberstübchen behalten. So konnten wir sicher sein, dass die Story nur uns gehörte.«
»Und warum willst du mich sehen und gehst nicht direkt zur Presse?«
»Ich brauche deinen Rat«, antwortete Ted, beugte sich zu Kahlberg vor und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Es geht um Folgendes ...«
Die Bedienung kam mit dem Tee und stellte ihn vor Ted, der eilig das Telefon wieder in der Tasche verschwinden ließ. Dann stand er auf.
»Ich bin die ganze Zeit nur gefahren«, sagte er entschuldigend. »Bin sofort wieder da und dann reden wir in Ruhe.«
Kahlberg nickte und sah Ted nach, während der im Eingang der Toilette verschwand. Ted Jones, der Enthüllungsjournalist. Alter Kater lässt das Mausen nicht. Nun war Kahlberg wirklich gespannt, was er ihm zu erzählen hatte.
KAPITEL DREI
Die Terrasse ging auf ein enges, stilles Tal hinaus, dessen frisches Wiesengrün sich bis zu dem weit unten rauschenden Bach zog, während dunkle Fichten den gegenüberliegenden Hang bestanden.
Der Blick des Alten verlor sich in der vor ihm liegenden Natur und für Momente kam ihm jegliches Gefühl für Raum und Zeit abhanden, empfand er sich als ewiger, untrennbarer Teil dieser Landschaft. Wäre nicht sein Misstrauen allem Unbekannten gegenüber aufgeflammt wie das orangefarbene Warnlicht eines sich schließenden Fabriktores, er hätte sich wohl dieser Auflösung seines Selbst hingegeben in der Hoffnung, den Punkt ohne Wiederkehr endlich zu überschreiten.
Doch nun spürte er wieder seinen Körper, jenes alte, gebrechliche Gehäuse, das ihn noch immer mit dieser Welt verband und vor allem mit diesem Rollstuhl, auf dessen Lehnen seine Arme wie knorrige, morsche Äste lagen. Er versuchte tief einzuatmen, doch sein Brustkorb hob sich nur matt, obwohl ihm die Anstrengung herkulisch vorkam. Auch stellte sich die Belohnung in Form einer Extradosis Frischluft nicht ein, denn die ihm zusätzlich durch einen dünnen Schlauch unterhalb seiner Nase zuströmende Sauerstoffmenge blieb, unabhängig von seinen Bemühungen, konstant.
Es kam ihm vor, als würde er täglich mehr Teil einer sich langsam in seinen Rest Leben drängenden Maschine, bis der Rollstuhl ein Bett und die Sauerstoffzufuhr eine Beatmungsmaschine geworden wäre.
Er verscheuchte diesen Gedanken und ließ sich erneut treiben, nicht mehr wie ein lebensmüder Argonaut entlang der stürzenden Wasser des Weltenrandes, sondern über die vergleichsweise seichten Lagunen der Erinnerung. Aus ihnen drang ein Kinderlachen hervor und ein Junge, noch im Vorschulalter, tollte die Wiese hinab Richtung Bach.
In den Mundwinkeln des Alten spielte ein Lächeln. Vor dem Jungen rollte ein großer, bunter Plastikball und so sehr die kleine Gestalt sich auch beeilte, sie konnte ihn nicht mehr erreichen mit ihren zarten Beinen, die aus einer kurzen Lederhose ragend durch das hohe Gras stolperten. Der Junge blieb stehen und blickte dem davonrollenden Ball nach, der kleiner und kleiner wurde, bis er schließlich mit einem kaum hörbaren Klatschen im Bach landete und von der Strömung davongetragen wurde. Die kleine Gestalt drehte sich um, blickte zu dem Alten hinauf und machte mit entschuldigender Miene eine hilflose Geste.
Das Lächeln des Alten erstarb.
»Sei nicht so hart mit ihm«, sagte eine sanfte Stimme dicht hinter ihm.
Ihr reiner, weiblicher Geruch stieg ihm in die Nase, er spürte ihren Atem an seiner Wange. Immer nahm sie den Jungen in Schute, nie hielt sie ihn an, für etwas zu kämpfen, sich anzustrengen, ein Ziel zu erreichen. Ihr Geruch aber war betörend schön.
»Lass ihn die Dinge auf seine Weise erfahren, lass ihn seinen eigenen Weg gehen und du wirst sehen, wie er Probleme lösen und wie er glücklich werden wird.«
Die knorrigen Hände des Alten krampften sich zornig in die Lehnen des Rollstuhls. Sie hatte ihn immer in Schute