Название | Ich war ein Roboter |
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Автор произведения | Wolfgang Flür |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870363 |
MEINE GENERATION
Menschen, versuchen uns zu unterdrücken
rede über meine Generation ...
nur, weil wir zurechtkommen und uns mucken
rede über meine Generation ...
Sachen, die sie machen, schrecklich kalt
rede über meine Generation ...
hoffentlich sterb‹ ich, bevor ich alt
rede über meine Generation ...
Das ist meine Generation
Das ist meine Generation, Baby
Warum verzieht Ihr euch nicht alle?
rede über meine Generation ...
und versucht nichts, kriegt nichts auf die Schnalle
rede über meine Generation ...
’nen großen Aufstand draus machen - nicht meine Option
rede über meine Generation ...
ich rede nur über meiner Generation
meine Generation
rede über meine Generation ...
meine Generation
das ist meine Generation, Baby
Rüdiger, unser Gitarrist, besorgte uns immer die interessantesten Songs als Single-Schallplatte aus einem Plattenladen an der oberen Königsallee, wo er in der Nähe seine Ausbildung als Bankkaufmann machte. Dann übten wir diese Lieder in einem kleinen Beat-Keller des Hauses eines unserer Klassenkameraden in der Kapellstrasse ein. Dort war unser Reich. Dort probten wir, dort träumten wir, dort rauchten wir Zigaretten wie die Irren. In kurzer Zeit entwickelten sich The Beathovens zu einer der besten Coverbands in Düsseldorf und Umgebung. Wir spielten auf wüsten Schulfeten, in dubiosen Clubs und auf Privatfesten. Alles, was wir dabei verdienten, steckten wir akribisch in unsere Anlage, die wir auf Teilzahlung beim Düsseldorfer Musikhaus Jörgensen gekauft hatten.
Zu einer festen Einrichtung wurden unsere samstäglichen Heimspiele im ›Youth Club‹ der englischen Rheinarmee. Der Club war die beliebteste Adresse der Düsseldorfer Jugend, die sich an den Wochenenden austoben wollte. Mitten im Nordpark lag das flache Gebäude der Militärbesatzer, direkt neben ihrem eigenen Globe-Kino und Warenhaus auf britischem Territorium. Die Kinder der Engländer und der Düsseldorfer hatten hier einen Treffpunkt, wo sie sich bei Musik und Tanz kennen lernen und vergnügen konnten. Wir Beathovens avancierten schnell zur beliebten Hausband, da wir immer aktuellste Beat-Musik spielten. Zum Abkühlen und Knutschen konnten die Paare zwischen den Tänzen direkt nach draußen in den Park laufen. Während der warmen Sommernächte war gegenseitiges Befummeln und Petting in den buschigen Grünanlagen sehr angesagt, allerdings störten patroullierende MPs oft die Pärchen mit ihren starken Taschenlampen und jagten die Aufgeschreckten aus den Sträuchern. Da ich immer trommeln musste, konnte ich leider nicht mitmachen, hätte mich aber auch gerne mit meiner damaligen Freundin in die Sträucher verdrückt.
Mit einem abgewrackten VW-Bus machten wir während der Schulferien 1966 und 1967 Tourneen an die Nordküste. Wir spielten im Ostseebad Dahme in einem Strandcafe nachmittags zum Tanztee und kürten unsere ›Miss Beathovens‹, eine androgyne Pariserin mit süßem Courrège-Haarschnitt, die immerhin schon zehn Jahre älter war als ich. Spitz wie der Eiffelturm vernaschte sie mich sofort danach - très delicat - auf ihre ganz französische Art in ihrem Zimmer, das sie als Hauswirtschafterin in einem Hotel hatte, und sie gab mir Unerfahrenen ›leçons erotique‹, dass ich heiße Ohren und was sonst noch alles bekam ...
Ich hatte meinen ersten weiblichen Fan und die kokette Mademoiselle reiste mir später sogar nach Düsseldorf hinterher, um sich bei meinen Eltern vorzustellen und um ihre Besitzansprüche an mich geltend zu machen. Mann, war mir das peinlich! Eine erwachsene Frau stand im scharfem Chanelkostümchen, Pelzkäppi und schlanksten Beinen in spitzen Lackpumps im Flur unserer Wohnung und hielt charmant selbstbewusst vor den Anwesenden um meine Hand an. Im Erdboden wäre ich am liebsten versunken. Sie wollte mich doch tatsächlich heiraten, das zuckrige Dämchen. Aber ich und heiraten? Da lachten ja die Hühner, ‘ne Krise bekam ich vor so was!
Weil keiner von uns Musikern den Führerschein hatte, musste mein älterer Bruder Gregor unseren VW-Bus fahren, den wir ›Flummi‹ tauften, weil er keinerlei funktionierende Stoßdämpfer mehr besaß und auf der Straße schlicht wie ein Gummiball hüpfte. Absolutes Highlight der Beathovens, deren Namen Rüdiger und ich übrigens während einer Chemiestunde kreiert hatten, war unser Auftritt als Vorgruppe eines Konzerts der deutschen Lords und der englischen Who mit ihrem immer noch stotternden Roger Daltrey in der Düsseldorfer Rheinhalle. Wir hatten uns für diesen Auftritt sogar extra beim exklusiven Herrenausstatter Seelbach orangefarbene Feincordjacketts gekauft und traten elegant mit weißen Hemden und schwarzen Krawatten auf. Es war uns sehr wichtig, dass das Bild der Beathovens auf keinen Fall rockerhaft wirkte. Die Who zertrümmerten damals nach jedem Konzert ihre Anlage und ihre Gitarren. Ich hatte aber bei den Proben nachmittags auf der Bühne dazugestellte leere Lautsprecherboxen und Marshall-Verstärker neben den echten entdeckt. Es war also nur ein Fake, alles nur Show.
Die Who zelebrierten einen ultralauten, anarchischen Auftritt, der mein ganzes Weltbild von Gehorchen, keine Widerworte geben und nicht Aufmucken erschütterte. Nun bekam ich selbst Mut, meine Wut rauszulassen. Unzweifelhaft hatte diese frühzeitliche englische Punkband mir dabei geholfen, dass ich mir in Zukunft nichts mehr gefallen lassen wollte. Die Who zertrümmerten an jenem Abend nur Leergehäuse und Billiginstrumente, die sie am Ende ihrer Show schnell ausgewechselt hatten. Einen Frevel an ihren teuren Verstärkern und den feinen Gitarren hätte ich damals auch nicht verstanden oder akzeptiert. Was die Who da so symbolisch zerschlugen, hatte ich aber schon verstanden und es war ein deutliches Zeichen für mich, meinen musikalischen Weg nun auch gegen den Willen meiner Eltern zu gehen. Nach dem Konzert kam der Schlagzeuger der Lords in unsere Garderobe und lobte uns: »Jungs, ihr habt ja richtig Format.« Wir waren überglücklich. Wie wichtig war uns doch ein Lob, dazu von jemandem, der uns auch beurteilen konnte.
Eine richtige Beat-Szene hatte sich in der Stadt gebildet, und die lokalen Zeitungen berichteten immer öfter über uns und die konkurrierenden Gruppen. Ich gründete bald darauf mit Freunden die wesentlich wüstere Band Fruit. Wir hatten die sanften Beathovens auflösen müssen, weil unser Gitarrist, vor seiner Einberufung zum Wehrdienst nach Kanada geflohen war. Ohne Rüdiger war der Geist aus den Beathovens raus, es war nicht mehr gut ohne ihn. Mit Fruit waren wir allerdings zur schärfsten Konkurrenz für die noch chaotischeren Harakiri Whoom geworden, deren Sänger ein noch unbekannter Schauspielersohn war, Marius Müller-Westernhagen. Auch Harakiri Whoom spielten Musik der englischen und amerikanischen Bands nach. Marius war ein vortrefflicher Imitator von Rod Stewart und Steve Marriott, und wie ich finde, hört man das auch heute noch ganz gut heraus.
Erst mit den Spirits of Sound, meiner letzten Amateurband, begann Ende der 60er Jahre eine Ära, in der wir eigene Songs entwickelten. Mit dabei waren der begnadete Gitarrist Michael Rother und der Sänger Wolfgang Riechmann, ein charismatischer und humorvoller Musiker, der später Opfer eines Mordanschlags wurde, tragischerweise kurz bevor sein wunderbares Debütalbum Riechmann Wunderbar auf Sky Records