hergibt, ist weiß Gott keine Puppenstube, o nein, somit ist akkurat davon auszugehen, daß täglich größere Quantitäten dieser Unbekömmlichkeien an noch größere Quantitäten Ahnungsloser verschenkt werden. Einen fast verschwörungstheoretischen Aspekt beansprucht der Sachverhalt zudem durch die Tatsache, daß es ein gleichnamiges, nicht minder schimpfbeladenes Headquarter in Ulm und eine weitere Niederlassung in Heilbronn geben soll. Höchstvermutlich ist das erst der Anfang, und eines Tages röchelt unser fragiles Gemeinwesen im »Stranglehold« (T. Nugent) dieser barfüßigen Gasthausbrausatanisten sein Leben aus.
Barre Bräu Pilsener (4,8% ) dürfte, handwarm und durchgeschüttelt, besonders für Autofahrer kaum zu empfehlen sein. Da käme die extravakante Hopfenstelle nämlich durch, und die Malzeinspeisung verdunstete bereits beim Öffnen. Für Altstadt Alt (4,8% ) hat der Hopfen durch die kleine Geheimluke, die jede Bierflasche hat, noch ein paar gute Freunde eingeschleust. Diese Luke konnte ja erst vor kurzem von einem Forscherteam nachgewiesen werden und dient der gängigen Lehrauffassung zufolge sonst als eine Art Notausgang für guten Hopfen, der versehentlich schlechtem oder schlechtestem Bier beigerührt wurde. Das funktioniere über ein Überdruckventil, bestätigt Dieter Appelt, Schriftleiter des Klassikers Getränkeflaschenabfüllung in Übersichten (Leipzig, 1988), während Ozzy Osbourne et al (Ozzmosis, 1995) das Wirkungsprinzip auf ein osmotisches Fundament gründen möchten. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
(Privatbrauerei Ernst Barre Lübecke)
Um Barth-Senger Vollbier Dunkel zu brauen, braucht es die Brauerei Barth-Senger in Scheßlitz. Und die schenkt aus in einer zwergenhaftwinzigen Wirtsstube, daß selbst die fröhliche Stammgastrunde wiederholt nach »Luftraum«, vulgo Frischluft, qua Türöffnen einkommt. Dann verzehren sie mit lärmender Andacht ein den leichten böhmischen Schwarzbieren anverwandtes Genußmittel. Besagte Nachbarn arbeiten ähnlich parkettsicher im Niederspundbereich.
Bauer Bier Pils (5,0% ) bäuert ziemlich ländlich mit tendenziös böhmischen Anwandlungen. Lassen Sie sich nicht von dem mißwüchsigen Zicklein auf dem Etikett von Bauer Bock (6,1% ) abschrecken: Er schmeckt wirklich nicht. Bauer’s Schwarzes Bier (4,8% ) riecht zu Beginn nach Schafkäse und findet bald klassische Balance in Haselnüssen (II. Wahl, unsortiert, ungesalzen). Die matte, verhaltene Rezens wird allerdings spielend vergessen gemacht, wenn Sie die Schaumfrage für alle drei noch einmal kollektiv erörtern.
(Brauerei Ernst Bauer Leipzig) → Goedecke's
Die Deklaration Bavaria Holland Beer (5,0% ) liest sich so irreführend nicht. Im Blindtest mit mehreren Münchner Hellen ist B. kaum auffällig geworden. »Einzigste« (J. Holetzeck) Bedingung: »kalt servieren«. Auch das Starkbier 8,6 (8,6% ) wird in diesen kleinen Castor-Behältern in Umlauf gebracht, und ich habe des öfteren beobachtet, wie dieser Säurecocktail sich durch die Wandungen fraß. Beware! (Brouwerij Bavaria Lieshout/Niederlande)
Bayerischer Hof Hausbräu Hell aus Grünbach umspielt lüstern den 4,8–4,9 Prozent-Pegel, sieht aus wie Hefeweizen, lächelt extrem hefedominiert, ist leider um Längen zu säuerlichfruchtig und demzufolge keine sonderliche Empfehlung wert. Freund Dunkel will genauso stark sein, wird dabei fast undurchsichtig, faustischstoutisch. Röstmalzorientiert, verlangt es eine stabile Grundierung mit meterdickem Hopfenfundament. Die ambitioniert niedrige Spundung läßt an dunkle fränkische Vollbiere denken. Dort wäre man besser aufgehoben.
Beck’s Gold (4,9% ) nennt sich ein exportähnliches Getränk, das beim Öffnen sieben Sekunden lang ungeheuerlich schick nach Hopfen duftet. Funktioniert über die für Beck’s patentierte Hopfendüse unter dem Kronkorken, die sich innerhalb der genannten sieben Sekunden selber auflöst. Denn: Im Geschmack ist von den Hopfenschmeicheleien nichts mehr zu erspüren. Wer’s weiß, trinkt die Nulldreidreierbuddel in einem Zug leer und hat die Illusion parallel. Für Beck’s Spitzen-Pilsener (4,7% ) zitiere ich, wie gehabt, den leider schon viel zu früh von uns gegangenen Bierethnologen Holger Sudau (1961–1995): »Eigenartig: schmeckt immer so, wie man sich gerade fühlt, also meistens schlecht. Nicht recht pilsig, ohne rechten Schwung.« Wo er recht hat. Und Beck Hansen behauptet, nach dem Lieblingsbier seiner Mutter benannt worden zu sein. Die Musik ist danach.
(Brauerei Beck & Co. Bremen)
Belhaven St. Andrews Ale (4,6% ) – ein starkes Ale aus Dunbar, trotz seiner Verdünnisierung (und des beigegebenen Zuckers), im Hopfenbereich kräftig, dröhnend und laufsicher wie der Trommelschlag des gleichnamigen Drummers, Aynsley mit Vornamen. Den kennen Sie doch? Aynsley Dunbar. Kleine Hilfestellung: John Mayall, Jeff Beck, Mothers Of Invention, Turtles, Jefferson Starship, Journey, Whitesnake, Mother’s Army, UFO et cetera. Eine Spur leichter, dafür umso samtiger und doch würzig in allen sensorischen Belangen, demnach absolut überzeugend ist Belhaven Robert Burns Scottish Ale (4,2% )
(Belhaven Brewery Co. Dunbar/Schottland)
Im Belle-Vue Gueuze Lambic (5,2% ) weicht ansprechender Hopfenduft einer interessanten, malzig durchsetzten Säure mit unvermutetem Pfirsich-Finish. Als Lambic ein Massenprodukt, klaro, aber nicht verwerflich. Verwendung von Weizenmalz, spontane Gärung und Reifung in Holzfässern halten dafür. Gemeinsam ist all diesen Lambics, daß sie keine Gemeinsamkeiten vertragen. Außer ihrer Unberechenbarkeit. Das Fruchtbier Kriek (5,2% ) beispielsweise läßt man dafür geschlagene drei Jahre reifen. Es wirkt nicht allzu likörigsüß, richtig ausgeprägt kirschig ist es daher kaum. Im Vergleich zu anderen Fruchtbieren und Biermischgetränken kann der stolze Alkoholgehalt gefallen, weil er ausnahmsweise berechenbar bleibt.
(Belle-Vue Brasserie Bruxelles/Belgien)
Woher wollen der Bellheimer Lord (4,9% ) und die bei Silbernagels denn wissen, daß das »natürliche« Wasser vor siebenhundert Jahren ohne »negative Umwelteinflüsse« abregnete und für