Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition). Ed Sanders

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Название Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)
Автор произведения Ed Sanders
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870998



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seiner leidenschaftlichen Vortragsweise bekam Mr. Samuelson einen Applaus, der mindestens so lausig war wie die Fingerschnipserei bei einer Kaffeehauslesung.

      Miss Malek rief gleich anschließend dem Publikum ins Gedächtnis zurück, dass es schon seit über fünfunddreißig Jahren Menschen gab, die sich aus den Fenstern des Bel Air Hotels stürzten und dabei »Genitalien und Manuskripte flattern ließen« — kurz und gut, sie verstünde einfach nicht, was der ganze Unsinn sollte, worauf das Publikum in stürmisches Gelächter ausbrach. »Ich bin der Meinung«, fuhr sie fort, »dass es das eben alles schon einmal gegeben hat. Diese Leute haben — beziehungsweise hatten — uns nichts Neues zu bieten, rein gar nichts!« Ohne mit der Wimper zu zucken, gestand sie, ihr persönlich sei es einfach unmöglich, aus reinem Vergnügen zu lesen. Sie klopfte stattdessen jeden Text, den sie zwischen die Finger kriegte — jedenfalls konnte man so was raushören — nur nach Möglichkeiten ab, neue Ideen, Techniken, Handlungen oder Charaktere zu klauen.

      »Ich lese aus beruflichen Gründen, und glauben Sie mir, in diesen Büchern ist einfach nichts zu holen, nicht mal in denen von Jack Kerouac!«

      In diesem Moment erhob sich im Publikum eine ungewöhnliche Erscheinung, ein Mann, dessen langes verfilztes Haar wie bei Hasidicus in verhedderten Strähnen in sämtlichen Himmelsrichtungen vom Kopf abstand und der in der Hand die letzte Ausgabe vom Trans-Quake Quarterly schwenkte. Sie enthielt, wie er erklärte, seine erst kürzlich vollendete Novellentrilogie, deren Titel uns leider entging, weil er ihn in einem Anflug von Schüchternheit oder so was ähnlichem nur im Flüsterton herausbrachte. Jedenfalls teilte er den Zuhörern mit, dass man ihn während der Pause in der Lobby antreffen könne, falls jemand Interesse hätte, eine Nummer zu erwerben.

      Dann fuhr er fort: »Nun möchte ich mich aber noch mit einer Frage an Miss Malek wenden. Sie ist zweiteilig und lautet: Erstens sind Sie nicht auch der Meinung, dass in der bedrohenden Eisenwolke, die uns während dieser Zeit der Computerzivilisation umgibt, extremer Narzissmus das Wachstum von Geist und Psyche fördern könnte? Und zweitens: Hatten Sie schon Gelegenheit, die Kurzgeschichten zu lesen, die ich Ihnen zugeschickt habe?«

      Augenblicklich klopfte der Vorsitzende mit seinem Hammer auf den Tisch. »Wir sind leider gezwungen«, Cleftine beugte sich viel zu nah über das völlig ungeschützte Mikrofon, »... Fragen bis zur zweiten Hälfte des Programms, also nach der Pause, zurückzustellen. Vielen Dank.«

      Wir dürfen an dieser Stelle vielleicht einmal betonen, dass die Diskussionsrunde sich einstimmig dafür ausgesprochen hatte, dass »Ungerechtigkeit ungerecht ist.«

      »Jawohl, ich hasse Ungerechtigkeit«, erklärte Miss Malek abschließend, »und ich liebe das Leben!« Ein paar Zuhörer reagierten darauf mit einem kurzen höhnischen Gejohle und sogar Pfiffen, ehe der aufbrausende Beifall die Zwischenrufe erstickte.

      Man sollte doch eigentlich meinen, dass Ausschreitungen bei einem solch traurigen Anlass schier unmöglich seien, und doch — als jetzt Emil Cione das Wort ergriff — versprühten selbst die Kronleuchter pure Aggressivität. Mit dem Kopf unter dem Tisch hatte er sich zuvor noch schnell zwei Benzedrinkapseln eingeworfen, um seiner Quasselei wenigstens ein Mindestmaß an Format zu geben. Einer seiner verlässlichen Studenten brachte ihm auf einen Wink ein Glas Wodka — als Wasser getarnt — mit dem er sie hinunterspülte. Die ganze Mixtur fing gerade an, sich in seinem Magen auszubreiten, als er vom Vorsitzenden aufgerufen wurde. So hatte er schon etwas Schlagseite, als er halb vom Tisch aufstand, so als wollte er sich zu seinem Katheder begeben. Zum Glück bemerkte er dann aber gerade noch rechtzeitig, dass hier eisern gesessen wurde. Noch leicht benebelt nickte er dem einführenden Applaus entgegen, obwohl er sich mit aller Macht zusammenriss.

      Cione hatte sein Statement gründlich vorbereitet. Das gehörte zu den Regeln, gegen die er niemals verstieß — denn schließlich konnte man vorher nie wissen, wann man vielleicht zu besoffen war oder eine Überdosis Speed erwischt hatte. Und er wollte hier beileibe nicht den Eindruck erwecken, als phantasiere er aus dem Orakel von Delphi. Er hatte die feste Absicht, weder aggressiv zu werden noch dummes Zeug zu faseln. Aber trotzdem, auf einmal machte es Klick in seinem Kopf, und er flippte aus.

      Nur ein kleiner Teil des Publikums schien seine schrille Stimme überhaupt zu bemerken, die übrigens sehr verdächtig an einen Prediger erinnerte. Dafür explodierten diese Heinis fast von den ganzen »Jawolls!«, die sie losließen und den kurzen Applaussalven dazu. Es war, als ob man einen Haufen blauhaariger, aufgetakelter Schnepfen — dieses ältere Kaliber, das immer bei Mordprozessen herumlungert — vor sich habe, wie sie aufgeregt und zittrig auf ihren Stühlen hin- und herrutschen, wenn die Jury reinmarschiert kommt und bekannt gibt, dass sie sich mal wieder für die Todesstrafe entschieden hat.

      »Unsere Zivilisation, freiheitlich und demokratisch, wie sie im Moment nun mal ist, gab den Beats Gelegenheit zu sagen, was sie zu sagen hatten, widmete ihnen weiß Gott wie viele Schlagzeilen und Stories — und zur Antwort stotterten sie nur dummes Zeug, grunzten dämlich und machten sich aus dem Staub. Ich habe versucht, diese sogenannten Bücher zu lesen«, blubberte Cione weiter, »keiner dieser Typen hat irgendetwas Interessantes zu sagen. Tip tip tip machen sie, eingeschlossen in ihren verlausten Hobolöchern — und was kommt am Ende dabei heraus? Tipata-tipata-tipata! Ein echter Byronscher Ersatzalbtraum: mieser Sex, miese Logik, mieser Atem, mieser Stil! Für diese kleinen ›personifizierten Wahnsinnspoeten‹, um Jack Kerouac zu zitieren, aus dem vielleicht sogar ein guter Schriftsteller geworden wäre, wenn er nur geschrieben hätte ...« — Ciones Fraktion gackerte pflichtschuldigst.

      »Aber es ist nun mal eine Tatsache, dass diese totgeschlagenen Beats mit der Bastonade der Disziplinlosigkeit auf ihre geschlagenen Füße geschlagen sind!« — Pause; dieser Satz musste erst einmal sacken, kein Mucks, kein Lacher war zu hören. »Und außerdem« — der Gipfel aller perversen Unverschämtheiten — »außerdem sind sie stupide!« Und dabei zog er das »i« in die Länge, als ob er einen molossischen Dimeter vor sich hätte.

      »Buuuuh!«, blökte ein großer Teil des Publikums. Es gab nämlich auch eine ganze Menge Big-Beat-Studenten hier, denen sich schier der Magen umdrehte und die sich am liebsten in den Arsch getreten hätten, dass sie zwei Kröten gezahlt hatten, nur um bei diesem Zirkus dabei zu sein.

      »Man kann ihr Chaos nicht bewundern«, tobte Cione ungerührt weiter. »Auch wenn es noch so verlockend ist, hab ich nicht recht?« Für einen Moment lang überschlug sich die Stimme. »Denn wenn sie uns erst einmal alle in ihre Spelunken und Absteigen gelockt haben, werden sie uns eiskalt fertigmachen und unsere Bewunderung mit Gewalt erzwingen!«

      »Bullshit!« brüllte einer. »Halluzinationen!« der nächste. »Bravo!« ein dritter.

      »Nie im Leben werde ich begreifen, warum Verleger — wohlgemerkt, wir beabsichtigen keineswegs, die verdienstvolle Bedeutung unserer Verleger zu schmälern —, aber ich kann nun mal nicht verstehen, wie sie so tief sinken und derart stupiden und viehischen Schund drucken konnten, nur um ihre jährliche Publikationsliste vollzukriegen!«

      Anschließend stürzte er sich in eine endlose Litanei von Verbrechen, die die Beat-Generation begangen hatte, einschließlich ihrer »zügellosen Assoziationen aus nur halb verstandenen fremden Sprachen, ihrer pleonastischen Dichtung, die versucht, die rasenden Finger ausgeflippter Jazzmusiker nachzuäffen ...«

      Während der letzten paar Sätze hatten sich Al und Ron bis ganz nach vorne durchgedrängelt. Ciones Augen schwammen irgendwo weit oben an der Decke, bei den Kronleuchtern; er fluchte und schimpfte und betete die unzähligen Beleidigungen herunter, die diese »heulenden Zen-Freaks«, »diese Parasiten im Fundament der kommunistischen Fassade« dem Rest der Menschheit angetan hatte — was übrigens bei Cheevy Samuelson eine gewisse Unbehaglichkeit auslöste.

      Als nächstes ließ Cione eine ellenlange Tirade vom Stapel, die bis auf das Ende, »... neben ihren verlausten Matratzen Kerzenwachs auf die Korbflaschen mit billigem Chianti tropft«, unmöglich zu verstehen war, denn an dieser Stelle starteten Ron und Al ihr Unternehmen Kartoffelsalat.

      »Eins, zwei, drei,« zählte Ron, und die zwei legten einstimmig los: »Am I Goethe?«, gefolgt von »hummmm«