Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen. Christoph Regulski

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Название Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen
Автор произведения Christoph Regulski
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843804769



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Begeisterung für die USP.«545 Aus den Prozessakten geht hervor, dass die Untersuchungsrichter die Begegnungen Max Reichpietschs mit den Abgeordneten der Unabhängigen Sozialdemokratie als »Konferenz« oder gar als »Parteikonferenz« darstellten und sich bemühten, die Flottenbewegung eng mit der politischen Arbeit der Partei zu verknüpfen546. Die USPD war hingegen nicht an einer Mitgliedschaft der Matrosen interessiert und wollte auch mit der Mannschaftsbewegung nichts zu tun haben547, unterließ es aber, Reichpietsch das klar mitzuteilen548.

      Aus der Sicht Max Reichpietschs gestaltete sich das Ergebnis der Unterredung anders. Er konnte keinen Grund gegen eine USPD-Mitgliedschaft erkennen und glaubte sich der Partei in seinem Streben nach einem baldigen Frieden eng verbunden549. Reichpietsch wähnte sich durch Dittmann in den Bestrebungen der Marinesoldaten bestärkt550 und bedankte sich nach seiner Rückkehr zu seinem Geschwader brieflich für die erhaltenen Broschüren bei ihm und Luise Zietz551. Aus dem Gespräch mit der USPD nahm Reichpietsch aber die Warnung mit, dass er sich auf gefährlichem Gebiet bewege und äußerst vorsichtig handeln solle552.

      Horn verwies ebenfalls auf die fundamentale Fehlinterpretation der Stellungnahmen von Wilhelm Dittmann durch Max Reichpietsch553. Diese Unerfahrenheit sollte ihm und den politisch aktiven Matrosen dann auch zum Verhängnis werden.

      Wenige Tage nach den ersten Treffen kam Max Reichpietsch mit Ewald Vogtherr, Hugo Haase554 und Wilhelm Dittmann im Fraktionszimmer der USPD zusammen. Vogtherr riet den Matrosen, bei allen Schritten und Zusammenkünften behutsam vorzugehen555. In der Reichstagssitzung vom 9. Oktober bestätigten die Abgeordneten übereinstimmend, intensiv zur Vorsicht geraten zu haben556. Dittmann habe Reichpietsch ausdrücklich gewarnt557, dass Versammlungen für die Matrosen eine gefährliche Angelegenheit seien558. Inhaltlich erörterten Dittmann und Reichpietsch den Bachmann-Befehl, den der Abgeordnete als unrechtmäßig bezeichnete559. Vogtherr sagte die Sendung von Exemplaren der Broschüre Raub des Braunschweiger Volksfreundes an die Matrosen zu560. Reichpietsch erhielt erneut eine Liste mit Kontaktadressen. In ihr waren Sens in Kiel, Henke in Bremen und Büdeler in Rüstringen genannt, wobei Dittmann darauf hinwies, dass Büdeler zwar für die USPD tätig, jedoch nicht formal organisiert sei561. Sie seien aber die lokalen Ansprechpartner bei allen weiteren Fragen562. Auf einem weiteren Zettel notierte Dittmann die Adresse seines Bruders Paul Dittmann in Hamburg. Reichpietsch erhielt einige Einzelaufnahmescheine für die USPD, jedoch keine vorbereiteten Listen für einen umfassenden Beitritt von Matrosen563.

      Abschließend zeigten die drei Abgeordneten die großen Gefahren auf, wenn es auf den Schiffen zu einer organisierten Matrosenbewegung kommen sollte564, und verwiesen auf die internationale Stockholmer Konferenz565. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um die Lage der Flotte566. Vermeintliche Umstürze oder Vorbereitungen zu revolutionären Ereignissen wurden keineswegs erörtert567. Die Abgeordneten erklärten sich bereit, die Matrosen durch Informationsmaterial zu unterstützen568. Reichpietsch wurde deshalb ausdrücklich an Vogtherr verwiesen569, der die Unterstützung für seine Partei in der Marine begrüßte, eine Mitgliedschaft der Matrosen aber ablehnte570.

      Ob daraus eine moralische Mitschuld an den Ereignissen des Sommers 1917 in der deutschen Hochseeflotte erwuchs, ist umstritten, da es sich bei den von der USPD versendeten Broschüren ausschließlich um legales Material handelte571. In einem letzten Gespräch während seines Berliner Urlaubs mit Ewald Vogtherr erörterten beide die Verhältnisse auf dem Flaggschiff Friedrich der Große. Reichpietsch sollte die USPD auch weiterhin über Vorkommnisse an Bord informieren572.

      Otto Liedloff erwähnt in seinen Erinnerungen eine Matrosenversammlung Mitte Juli 1917, in der Max Reichpietsch über ein Treffen mit den USPD-Abgeordneten Däumig, Ledebour und Haase berichtete. Diese Zusammenkunft ist sonst nirgends erwähnt, es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass ein intelligenter junger Mann wie Reichpietsch die Namen verwechselt hatte und über das Treffen mit Dittmann, Vogtherr und Haase berichtete. Es ist aber möglich, dass Liedloff eventuell die Namen vertauschte. Dieser Sachverhalt kann hier nicht geklärt werden, es bleibt somit die Möglichkeit eines weiteren Treffens von Max Reichpietsch mit USPD-Abgeordneten bestehen. Inhaltlich glich das Ergebnis des möglichen Gespräches dem mit Dittmann, Vogtherr und Haase. Die USPD sagte keine konkrete Unterstützung zu und verwies auf die am 15. September beginnende sozialistische Konferenz in Stockholm. Um dort stark auftreten zu können, wäre eine große Unterstützung der Matrosen durch ihre Mitgliedschaft in der Partei sehr hilfreich573.

      Dittmann erwähnt ferner ein Treffen Max Reichpietschs mit dem sozialdemokratischen Marinebeauftragten Stücklen, dem Reichpietsch die Beschwerden der Matrosen vortrug574. Das Treffen blieb geheim, wurde in keiner Akte erwähnt575 und führte auch nicht zu einer Unterstützung der Matrosen durch die Sozialdemokratie, die im Rahmen der Burgfriedenspolitik eifrig bemüht war, bei der politischen und militärischen Leitung des Reiches nicht anzustoßen. Für dieses Treffen spricht die Angabe Sachses, Franz Müller und er selbst hätten Reichpietsch gebeten, auch mit der SPD zu sprechen, die das Vertrauen von Teilen der Matrosen besäße576. Ein Treffen mit dem Marinesachverständigen der SPD Gustav Noske lehnten die Matrosen bereits im Vorfeld des Berliner Besuches ab, da sie keinerlei Vertrauen zu ihm besaßen577. Er verkörperte ihrer Meinung nach eine SPD, der die Verteidigung des Vaterlandes über alles ging578. Der Parteivorsitzende Ebert missbilligte noch am 25. August 1917 die Störung der Landesverteidigung durch die Matrosen579, anstatt alles zu unternehmen, um sie vor einem zu erwartenden Todesurteil zu bewahren.

      Während der Zeit in Berlin erlebte Max Reichpietsch auch das gesamte Elend der Zivilbevölkerung hautnah mit. Der persönlich letzte Anstoß für eine große Marinebewegung gegen den Krieg war das Angebot einer jungen, verzweifelten Kriegerwitwe mit Kindern aus Neukölln, sich zu prostituieren. Hans Beckers schilderte den Vorgang im Münchener Dolchstoß-Prozess und die Konsequenzen, die sein ehemaliger Kamerad daraus zog: »Das aus tiefster Not geborene Angebot dieser Frau hätte auf ihn einen furchtbar schmerzlichen Eindruck gemacht und er hätte sich in diesem Augenblick das Gelöbnis abgelegt, mit allen Kräften für den Frieden zu wirken.«580

      Im Gegensatz zu den Besuchen Max Reichpietschs bei der USPD ist über die Tätigkeit Albin Köbis’ während seines Berliner Urlaubs nur wenig bekannt581. Er traf mit mehreren Zivilisten zusammen, die der USPD nahestanden. Auch sie warnten vor Gewaltanwendung, befürworteten eine kontinuierliche Entwicklung der sich bildenden Matrosenbewegung582. Demnach war die Rolle Köbis’ eine eher untergeordnete. Angesichts seines Engagements in der politischen Bewegung der Matrosen erscheint es aber fraglich, ob Köbis während seines Urlaubs keine Gespräche mit Abgeordneten geführt haben soll. Nach Aussagen seines Bruders, Paul Köbis, war Albin hingegen sehr aktiv: »Ich sah ihn das letztemal ungefähr Ende Mai/Anfang Juni 1917. Er war damals zwei bis drei Wochen in Berlin auf Urlaub. Wir waren in dieser Zeit oft zusammen. Obwohl ich einige Jahre älter bin als mein Bruder und seit 1913 in der SPD und 1917 in der USPD war, so muß ich doch heute sagen, daß er politisch weiter war als ich. Er war 1917 25 Jahre alt, wußte aber sehr gut, was er wollte. Wiederholt sagte er: ›Den Frieden machen wir von der Marine!‹ Über Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg war er besser informiert als ich. Gemeinsam war ich mit ihm beim Parteivorstand der USPD. Dort sprach er mit Dittmann, Haase und Vogtherr. Diese Abgeordneten sollten auf einer Friedenskonferenz in Stockholm die Forderungen der Marinesoldaten nach einem Frieden ohne Annexionen vertreten. Er hatte von seinen Kameraden den Auftrag, wir würden heute sagen, eine Grußbotschaft für diese Konferenz zu überreichen.«583

      Demnach war Albin Köbis etwas früher in Berlin eingetroffen als Max Reichpietsch, dessen Urlaubsbeginn frühestens auf den 6. Juni datiert wird. Köbis traf mit den gleichen USPD-Abgeordneten zusammen wie Reichpietsch, übermittelte nach Aussagen seines Bruders aber nur die Verbundenheit der Matrosen mit der USPD. Diese Begegnung wird so von Paul Köbis berichtet, der mit seinem Bruder gemeinsam die Abgeordneten aufsuchte. Beckers bestätigt in einer späteren Aussage das Zusammentreffen Köbis’ mit USPD-Abgeordneten und Dr. Haase584, die ihn aufforderten, Material über die Missstände in der