Название | Im Schatten des Löwen |
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Автор произведения | Linda Dielemans |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783772546655 |
Besonders Dahs. Er wird mich heute Abend nicht sehen, dafür muss ich sorgen.
Als Uma ins Licht trat, hielt Junhi den Atem an. Die Stammesmutter schien zu funkeln. Ihre Kleidung war mit unzähligen Perlen besetzt, manche weiß, andere rot gefärbt, in einem komplizierten Muster, das Junhi noch nie gesehen hatte. Wer hatte das angefertigt? Es musste in den Schatten geschehen sein, denn diese Arbeit wäre allen aufgefallen. Das Gewand schien Uma noch größer zu machen als sie schon war.
Dahs stand rechts von ihr, seinen Speer in der Hand, ein Bärenfell um die Schultern und neue Eulenfedern im Haar, weiß wie frisch gefallener Schnee. Er trug seine sämtlichen Halsketten, angefertigt aus den Zähnen der gefährlichsten Tiere, die er eigenhändig erlegt hatte. Den Bären, die Hyäne, den Wolf. Junhi kannte die Geschichten gut.
Sie fühlte, wie ihr die Anspannung bis zum Hals stieg. Alle fühlten es. Die gesamte Wohnhöhle schwirrte davon. Aber wo war Tukh?
«Es ist so weit», sprach Uma mit ihrer leisen, heiseren Stimme. «Die Mammuts sind gekommen. Tukh hat sie geträumt. Sie laufen durch das Tal, nicht weit von hier entfernt. Die Mutter hat beschlossen, unsere Zeit hier zu verlängern. Wir sind ihr dankbar.»
Das ist mein Traum, dachte Junhi, er gehört mir, mir allein.
Sie fühlte sich leicht im Kopf.
«Aber es wird nicht leicht werden», fuhr Uma fort. «Ich kann Dahs und seine tapferen Jäger nicht beschützen, solange sie die Mammuts jagen. Und wir werden für uns selbst sorgen müssen, bis sie uns brauchen, um das Fleisch zu tragen. Dahs?»
Dahs trat vor, während Uma in den Schatten verschwand, als ob sie nie daraus zum Vorschein gekommen wäre. Alle Augen waren jetzt auf Dahs gerichtet.
Der beste Jäger des Stammes, der stärkste, mit dem schärfsten Blick und den schnellsten Entscheidungen. Alle Jungen wollten sein wie er. Es war fast unvorstellbar, dass Tira seine Tochter war.
«Das wird eine schwierige Jagd», begann er. «Wir wissen nicht genau, wo die Mammuts sind. Wir wissen nicht, wie schnell sie sich bewegen. Darum nehme ich alle Männer mit, die zur Jagd imstande sind. Und einige Jungen, die uns helfen und anschließend schnell mit unseren Nachrichten zurücklaufen können.»
Er wies die Jungen einen nach dem anderen an. Sie sprangen auf, jeder mit einem Freudenschrei. Dahs lachte, während sie sich gegenseitig auf den Rücken schlugen, rot vor Erregung. Das hier war ihre große Chance, und Junhi freute sich für sie. Aber wo nur blieb Tukh?
Leise erhob sich Junhi. Alle hatten nur noch Augen für die jungen Jäger, und Tira saß zu sehr in der Nähe ihres Vaters, um Junhi sehen zu können. Sie schlich zu den Vorhängen am Eingang und huschte hindurch.
Die Nachtluft verwandelte ihren Atem in weißen Nebel. Der blauschwarze Himmel war mit Lichtpunkten übersät, die das Dunkel endlos erscheinen ließen. Junhi schaute gern zu den Sternen auf. Das war fast wie Träumen.
Sie ging am Ufer des vereisten Flusses entlang. Sie hatte so eine Ahnung, wo sie Tukh finden konnte.
«Tukh», sagte Junhi leise, als sie ihn dasitzen sah, eine schwarze Silhouette vor der hellen Wand der Lufthöhle. «Warum bist du nicht in der Wohnhöhle?»
«Ich mache mir Sorgen», sagte er.
Der Träumer klopfte mit der Hand neben sich auf den Boden. Zögernd nahm Junhi Platz. Sie hob den Kopf. Ihr Riesenhirsch, vom Boden aus fast lebensgroß, begrüßte sie. Seine Linien waren verschwommener in der Dunkelheit, aber er war ebenso kraftvoll wie damals, als sie ihn auf dem Hang gesehen hatte. Eine Herde von Pferden leistete ihm jetzt Gesellschaft. Sie galoppierten nebeneinander, wie sich eine echte Herde über die Ebene fortbewegte, alle zusammen und doch auch allein. Überall auf der Felswand waren Tiere. Nicht nur gezeichnet, sondern auch ins Gestein geritzt, scharfe Linien im Schein der Sterne. Junhi vermisste die Pferde. Sie hatte schon eine ganze Weile nicht mehr von ihnen geträumt.
«Siehst du deinen Hirsch?», fragte Tukh. «Siehst du seine muskulösen Beine, seinen massiven Rücken, wie stolz er ist? Siehst du ihn atmen? Ich sehe es.»
Tukh ließ ganz langsam die Luft aus den Lungen entweichen, sodass der Dampf vor seinem Gesicht hängen blieb.
«Und jetzt sieh dir den Wisent links davon an. Schau gut hin. Was siehst du?»
Es war ein kraftvolles Tier, dieser Wisent. Viel Körper, wenig Kopf. Seine Beine waren kurz und standen etwas merkwürdig ab. Eigentlich hatte es nicht viel Ähnlichkeit mit einem Wisent.
«Ich … ich weiß nicht …», sagte Junhi zögernd. Was meinte Tukh?
«Genau», antwortete Tukh. «Ich weiß es auch nicht. Das hier ist … Wandschmuck. Das ist kein Traum der Mutter, der lebt und atmet und erzählt. Es ist Tiras Werk.»
Er seufzte. «Dein Hirsch und seine Echtheit, die Linien, haben mich überrascht. Dieses Tier steckt in dir, und du hast es hervorgebracht. Etwas, das Tira immer noch nicht kann, nach all den Jahren. Ich weiß, dass Uma dir verboten hat zu träumen. Aber die Träume der Mutter lassen sich nicht aufhalten. Und ich habe Angst.»
Tukh drehte sein Gesicht zu Junhi und starrte sie so nachdenklich an, als wollte er ihr in den Kopf sehen.
«Ich war vielleicht zu schnell, zu schnell mit deinem Traum. Ich habe ihn genommen und weitergegeben, obwohl er nicht von mir war. Aber ich war so froh! Dieser Ort ist gut, besser als alle anderen, die wir kennen, und ich möchte so gern, dass der Stamm hierbleiben kann. Du hast die Mammuts gesehen, da bin ich mir sicher. Ich sah es in deinen Augen, ich sah es an deiner Zeichnung. Aber was bedeutet das, Junhi? Das kannst allein du wissen. Nur hat niemand dir je etwas über das Träumen beigebracht. Du kennst nicht die Bedeutung dessen, was du siehst, du weißt nicht, wie die Träume einen manchmal in die Irre führen können. Das heißt, vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Sag mir, Junhi: War der Hirsch das einzige Tier, das dir den Weg gezeigt hat?»
Der Löwenmann, dachte Junhi, der Löwenmann hat mir den Weg gezeigt.
Aber sie konnte es nicht sagen. Wenn sie ihn mit Tukh teilte, ginge er vielleicht weg. Sie brauchte den Löwenmann. Er war ihr Freund.
«Ja», sagte sie also. «Nur der Hirsch. Ich bin ihm gefolgt, und als ich auf der Hangspitze war, habe ich hinuntergeschaut und die Mammuts gesehen.»
Tukh presste die Lippen zusammen und seufzte.
«Also gut. Ich vertraue dir. Aber ich denke, dass Umas Entschluss nicht weise ist. Es ist nur schwierig, ihr das beizubringen.»
«Würdest du es versuchen, Tukh? Bitte! Ich will lernen. Von dir.»
«Nicht jetzt, wo Dahs und die Jäger fortgehen. Tira ist dann allein, und es ist meine Aufgabe, sie zu beschützen, wenn ihr Vater fort ist. Das musst du verstehen. Tira sieht mehr als du glaubst. Sie fühlt sich bedroht.»
«Aber warum? Du kannst uns doch beide unterrichten. Das ginge doch?»
«Gewiss. Aber sie weiß, dass du besser träumst, besser zeichnest. Und für jemanden wie sie, die nicht jagen oder auch nur lange genug dasitzen kann, um einen Mantel anzufertigen, ist das schwer zu akzeptieren. Das hier ist ihr Platz, Junhi. Es ist ihr Leben.»
Junhi schluckte. Tukh hatte recht.
«Es tut mir leid.»
«Nicht nötig. Aber halte dich die nächste Zeit von uns fern. Versuche, nichts mit deinen Träumen zu tun, aber behalte sie, zeichne sie, und dann werden wir sie später besprechen, wenn Dahs wieder zurück ist. Es gibt eine kleine Lufthöhle an der anderen Uferseite. Ich nehme Tira nie mit dorthin, das heißt, sie kennt sie nicht. Du wirst sie finden, wenn du die Augen offenhältst. Aber sei vorsichtig. Uma darf nichts merken, bis ich mit ihr gesprochen