Название | Mist, die versteht mich ja! |
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Автор произведения | Florence Brokowski-Shekete |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944666785 |
Ich passte da schlichtweg nicht hin, weder in das Land noch in die Familie. Nichts, aber auch gar nichts, erinnerte mich an zuhause in Deutschland. Wobei, doch – da waren die Sachen, die mir meine Mama mitgegeben hatte. Meine Puppen, ein weißer Teddybär und sehr viel Kleidung, sodass meine Eltern erstmal nichts für mich anschaffen mussten. All diese Dinge waren für mich ein Stück Heimat und halfen mir dabei, mein Heimweh zu ertragen. Ob meine nigerianischen Verwandten verstanden, warum ich derart unter Heimweh litt? Wahrscheinlich eher nicht. Denn schließlich waren meine Eltern ja da. Heimweh nach einer anderen Frau zu haben, fanden sie sicherlich seltsam. Ich pflegte meine Sachen, so wie es mir Mama beigebracht hatte und achtete sehr auf alles.
Meine Mutter legte großen Wert darauf, bei allen gut anzukommen. Als diejenige, die gerade aus Europa, aus Deutschland, zurückgekommen war. Als diejenige, die das gelobte Land gerade verlassen hatte. Als diejenige, der man die Statussymbole anzusehen hatte. Sie machte Geschenke und bekam viel Anerkennung dafür. Anerkennung war ihr wichtig, das war stets zu spüren. Und sie tat sehr viel dafür, um Anerkennung zu bekommen. So nahm sie eines Morgens eines meiner schönsten Kleider, das mir Mama genäht hatte, und verschenkte es an die Tochter ihrer Freundin. Ich war entsetzt. Wie konnte sie das tun? Es war doch mein Kleid, es gehörte mir, es war von Mama. Sie hatte es einfach genommen, ohne mich zu fragen, ob das für mich in Ordnung wäre. Natürlich wäre es für mich keineswegs in Ordnung gewesen. Ich fühlte mich ignoriert. Nein, ich fühlte mich nicht wahrgenommen. Ignorieren kann man nur etwas, das man wahrnimmt und bewusst nicht sehen will.
Rebellion war nicht erlaubt, nicht in einer Gesellschaft, in der Kinderreichtum zwar großgeschrieben, aber Kinder nicht wie ein Gut behandelt wurden, so kam es mir zumindest vor. Ich erinnere mich nicht ganz genau, aber ich glaube, dass ich sie gefragt hatte, was sie mit dem Kleid vorhatte, obwohl ich bereits mitbekommen hatte, dass sie es verschenken wollte. An ihre Reaktion erinnere ich mich jedoch genau: »Es macht dir doch nichts aus, oder?« An meine Antwort erinnere ich mich ebenfalls nicht mehr, nur an das Gefühl von Hilflosigkeit, unglaublicher Wut und Traurigkeit. Mama hatte mir stets beigebracht zu teilen. Es war ihr wichtig, dass ich als Einzelkind nicht den Klischees eines verwöhnten, egoistischen Kindes entsprach, so sagte sie immer. Sie hat mir jedoch auch beigebracht, was mein und dein ist, sowie das Eigentum anderer stets zu achten. Übergriffiges Verhalten war mir deshalb von Kindesbeinen an fremd. Die Entscheidung meiner Mutter, mein Kleid zu verschenken, empfand ich als übergriffig. Ich sah sie an und empfand für das, was sie machte, eine große Wut. Zeigen durfte ich sie jedoch nicht.
Ähnlich erging es mir mit meinem weißen, kleinen Teddybären, auf den ich sehr achtete. Meine Mutter war einige Zeit später der Meinung, diesen Teddybären hätte sie von einer Freundin für einen meiner Brüder erhalten. Dass das nicht stimmte, wusste ich und sie hätte es auch wissen müssen. Also schrieb ich meinen Namen auf seine Fußsohlen, um sicherzustellen, dass es mein Teddybär war. Meine Mutter wurde daraufhin sehr zornig, gehörte der Teddybär ihrer Meinung nach doch einem ihrer Söhne, ihren Prinzen. Ich hatte das Gefühl, sie zog meine Brüder mir vor. Das berührte mich jedoch wenig. Eifersüchtig war ich nicht, denn ich hatte meine eigene Mama und meine eigene Familie, die mich liebte. Aber mein Teddy interessierte mich. Ich bin mir nicht sicher, wie die Geschichte mit dem Teddybären ausging. Eins kann ich aber mit Bestimmtheit sagen: Empathie gab es keine für mich, ich fühlte mich allein, hilflos und war unglaublich wütend.
Meine Einsamkeit in diesem Land wuchs. Meine Brüder schienen sich gut einzuleben. Der fünf Jahre Jüngere kam in den Kindergarten und lernte die Sprache. Für den Kleinen, der erst kurz vor der Ausreise geboren worden war, stellte die Eingewöhnung ohnehin kein Problem dar. Meine Schwester und ich versuchten uns zu verständigen, Gemeinsamkeiten zu entdecken, was uns aber nur ansatzweise gelang.
Da ich zunächst die Sprache nicht verstand, hielt ich die lauten und emotionsreichen Unterhaltungen für Streitereien. Später lernte ich, dass es sich einfach nur um andere Temperamente handelte. Doch nicht nur die Temperamente, sondern auch die Erziehungsmethoden waren anders als ich sie aus Deutschland kannte, drastischer. Meine Brüder bekamen davon nichts zu spüren, zumindest nicht in der Zeit, in der ich mit ihnen zusammenlebte. Meine Schwester und Cousinen mussten sie jedoch über sich ergehen lassen. Ich selbst blieb meistens verschont. Nun könnte man vermuten, dass das daran lag, weil ich ein so gut erzogenes deutsches Mädchen war, brav und folgsam. Zwar war ich tatsächlich nicht aufsässig – was aber, soweit ich das beurteilen konnte, auch meine Schwester und meinen Cousinen nicht waren. Bei mir lag der Fall einfach anders. Drastische Strafen waren nicht nötig. Meine Eltern kannten eine bessere Methode. Wann immer ihnen etwas an meinem Verhalten nicht passte, hieß es kurzerhand: »Dann darfst du jetzt deiner Mama nicht mehr schreiben.« Auch bekam ich jene Briefe nicht mehr ausgehändigt, die sie mir aus Deutschland schickte und die meine einzige Verbindung zu ihr waren. Ja, ich war gut erzogen und versuchte mich auch stets so zu verhalten, wie es von mir erwartet wurde. Dennoch fanden meine Eltern immer wieder Gelegenheiten, ihre Macht zu demonstrieren. Meistens spontan, unangekündigt, willkürlich. Das alte Muster eben.
Ich glitt immer weiter in ein Tal der Einsamkeit, einen Weg heraus sah ich nicht. Die Hoffnung, wieder nach Hause zu kommen, war verloren. Ich war und blieb das Einzelkind inmitten einer riesigen Familie, und ich hörte auf zu sprechen.
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