Название | Die Clique |
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Автор произведения | Mary McCarthy |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783869152363 |
Der Brautführer brachte einen Toast aus. Dottie sah auf und bemerkte, dass Dick Browns hellgraue Augen wieder auf ihr ruhten. Er hob sein Glas und prostete ihr feierlich zu. Dottie prostete zurück. »Ist es nicht herrlich?«, rief Libby MacAusland. Sie reckte den langen Hals, wiegte den Kopf und lachte auf ihre schmachtende Art. »So viel netter«, girrten die Stimmen, »keine Gratulationscour, keine Förmlichkeiten, keine älteren Leute.« – »Genau wie ich es mir auch wünschen würde«, verkündete Libby. »Eine Hochzeit nur unter jungen Leuten.«
Sie stieß einen Schrei des Entzückens aus, als eine Omelette Surprise hereingetragen wurde. Die gebackene Eischneekruste dampfte noch ein wenig. »Omelette Surprise!« Libby ließ sich wie ein Sack auf ihren Stuhl zurückfallen. »Kinder!«, sagte sie feierlich und deutete auf die große Eisbombe mit den leicht gebräunten Eischneebergen, die jetzt vor Kay hingestellt wurde. »Seht doch bloß! Kindheitsträume, die in Erfüllung gehen. Der Inbegriff jeder Kindergesellschaft im ganzen weiten Amerika. Lackschühchen und Organdykleidchen und ein schüchterner Junge im Etonkragen, der einen zum Tanz auffordert. So aufgeregt bin ich schon lange nicht mehr gewesen. Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich das nicht mehr gesehen. Für mich ist das der Mount Whitney, der Fudschijama.« Die Mädchen lächelten einander nachsichtig zu. Aber ehe Libby zu ihrer Eloge angesetzt hatte, waren auch sie entzückt gewesen. Ein Seufzer der Erwartung ertönte, als jetzt der heiße Eischaum unter Kays Messer zusammenfiel. Die beiden Kellner, die an der Wand lehnten, sahen mürrisch drein. So gut war das Dessert nun auch wieder nicht. Der Eischaum war ungleich gebacken, stellenweise noch weiß, stellenweise schon verkohlt, was ihm einen unangenehmen Geschmack verlieh. Unter der Schicht von Eiscreme war der Biskuit altbacken und feucht. Aber aus Liebe zu Kay ließen sich alle noch einmal auftun. Die Omelette Surprise war genau das, was jede einzelne aus der Clique sich an Kays Stelle gern hätte einfallen lassen – ungeheuer originell für eine Hochzeit, aber wenn man es bedachte, genau das Richtige. Sie interessierten sich alle außerordentlich fürs Kochen und waren ganz und gar nicht einverstanden mit den fantasielosen Braten, Koteletts und fertigen Süßspeisen, die ihre Mütter vom Caterer kommen ließen. Sie würden neue Zusammenstellungen und ausländische Rezepte ausprobieren: flaumige Omelettes und Soufflés, interessante Sachen in Aspik und nur ein einziges warmes Gericht in einer feuerfesten Form, frischen grünen Salat dazu und keine Suppe.
»Es ist ein Trick«, erklärte die Frau des Radiomenschen quer über den Tisch. Sie sprach zu Priss Hartshorn, die selbst im September heiraten würde. »Sie lassen das Eis erst steinhart frieren, dann schwupp in den Ofen. Auf diese Weise riskieren sie nichts, aber, unter uns gesagt, meine Mutter machte das besser.« Priss nickte bekümmert. Sie war ein ernstes Mädchen mit aschblondem Haar, sah aus wie ein Hamster und sammelte pflichtschuldig hausfrauliche Informationen, wo immer sie solche fand. Sie hatte Volkswirtschaft als Hauptfach gewählt und würde künftig bei der N. R. A. im Verbraucherressort beschäftigt sein. »Die Arbeitsverhältnisse in manchen unserer besten Hotels sind unter jedem Niveau«, erwiderte Priss mit ihrem leichten nervösen Stottern. Sie merkte allmählich, dass sie allerlei getrunken hatte. Der Punsch hatte es tatsächlich in sich, obwohl Apfelschnaps, ein Naturprodukt, als eines der saubersten Getränke galt, die es heutzutage gab. Wie durch einen Nebel sah sie den Radiomenschen sich erheben. »Auf den Jahrgang ’33«, prostete er. Die anderen tranken auf die Vassar-Mädchen. »Ex!«, schmetterte die Frau des Radiomenschen. Der schweigsame Brautführer ließ ein meckerndes Lachen vernehmen.
Trotz ihres Schwipses merkte Priss, dass sie und ihre Freundinnen ohne eigenes Verschulden wegen ihres sozialen Status Feindseligkeit erweckten. Vassar-Mädchen waren im Allgemeinen nicht beliebt, sie galten mittlerweile gewissermaßen als ein Symbol der Überlegenheit. Priss müsste, wenn sie erst verheiratet wäre, ihren Verkehr mit einigen von ihnen außerordentlich einschränken, wollte Sloan mit seinen Kollegen im Krankenhaus auskommen. Sie starrte traurig auf ihre beste Freundin, Pokey Prothero, die sich über den Tisch räkelte und Zigarettenasche auf ihren Teller mit dem zerfließenden Eis und dem aufgeweichten Keks streute. Miserable Tischmanieren, die sich nur die ganz Reichen leisten konnten. Und einen großen Fleck hatte sie sich auf ihr schönes Lanvin-Kostüm gemacht. Im Geiste nahm Priss ein Fleckenmittel zur Hand. Ihre adrette kleine Seele rubbelte eifrig. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Pokey jemals ohne Hausmädchen im Leben zurechtkam. Seit den Zeiten von Chapin hatte sie selbst hinter Pokey hergeräumt, sie dazu angehalten, im Raucherzimmer einen Aschenbecher zu benutzen, ihre Wäsche für sie zusammengesucht und nach Hause geschickt. Sie war in das gemeinsame Badezimmer geschlichen, um den Rand in der Wanne zu entfernen, damit die anderen sich nicht wieder beschwerten. Arme Pokey, wenn sie einmal heiratete, war sie zu einem konventionellen Haushalt mit einer Schar von Dienstboten und Kindermädchen verurteilt. Sie würde all den Spaß und die – wie ihre Mutter es nannte – »Schrecksekunden« entbehren müssen, die sich einstellen, wenn man den Haushalt mit nur einer Hilfe für das Geschirr und die grobe Arbeit führt.
Großer Reichtum war ein entsetzliches Handicap. Er trennte einen vom wahren Leben. Die Wirtschaftskrise war, wie immer man dazu stehen mochte, für die besitzenden Klassen ein wahrer Segen gewesen. Sie hatte vielen von ihnen zum ersten Mal den Sinn für die wahren Dinge des Lebens erschlossen. Es gab nicht eine Familie in Priss’ Bekanntenkreis, die durch die Notwendigkeit, sich einzuschränken, nicht gesünder und glücklicher geworden wäre. Durch gemeinsame Opfer war man einander näher gerückt. Man sehe sich nur Polly Andrews’ Familie an. Mr. Andrews hatte sich in der Riggs-Klinik befunden, als die Krise ausbrach und all seine Investitionen in Rauch aufgingen, aber statt noch tiefer in seiner Schwermut zu versinken und in eine staatliche Heilanstalt (entsetzlicher Gedanke!) eingewiesen zu werden, kehrte er heim und machte sich in der Familie nützlich. Er bewältigte die ganze Kocherei und den Einkauf und tischte die köstlichsten Gerichte auf, denn als er noch ein Schloss in Frankreich besaß, hatte er sich mit Haute Cuisine beschäftigt. Mrs. Andrews hatte die Hausarbeit übernommen, jeder machte sein Bett selbst, und wenn die Kinder daheim waren, wuschen sie das Geschirr ab. Sie lebten auf einer kleinen Farm bei Stockbridge, die sie aus dem Zusammenbruch gerettet hatten, und für ihre Gäste waren sie die lustigste Familie, die man sich nur denken konnte. Lakey war am vergangenen Erntedankfest bei ihnen gewesen und sie hatte sich noch niemals so gut unterhalten. Ihr einziger Wunsch wäre, sagte sie, dass ihr Vater ebenfalls sein Geld verlöre. Das war ihr voller Ernst. Gewiss, es spielte eine Rolle, dass die Andrews’ von jeher ungewöhnlich kultiviert waren. Sie konnten auf geistige Ressourcen zurückgreifen.
Priss war durch und durch liberal. Das lag in ihrer Familie. Ihre Mutter war im Kuratorium von Vassar und ihr Großvater hatte sich als Bürgermeister von New York für Reformen eingesetzt. Als sie im vergangenen Jahr bei einer prominenten Hochzeit in der St.-James-Kirche, mit rotem Teppich bis auf die Straße und einem Baldachin und so weiter, als Brautjungfer fungierte, hatte sie der Anblick der Arbeitslosen, die sich um das Kirchenportal scharten und von der Polizei zurückgedrängt wurden, tief erschüttert. Nicht etwa, dass Priss meinte, sie müsse die Welt im Alleingang verbessern – wie ihr Bruder, der in Yale war, hämisch meinte. Sie warf es auch der Klasse, in die sie hineingeboren war, nicht vor, dass diese an ihren Privilegien festhalten wollte. Aber sie konnte nun einmal nicht anders. Sie war alles andere als eine Sozialistin oder Revolutionärin, obwohl Sloan sie gern aus Spaß so nannte. Sozialismus, fand sie, war eine Art Luxus, wenn man bedachte, dass sich die Welt derart schnell veränderte und es allenthalben so viel zu tun gab. Man konnte sich ebenso wenig hinsetzen und auf das nächste Jahrtausend warten, wie man die Uhr zurückdrehen konnte. Die Clique spielte früher gern das Spiel, in dem gefragt wurde, in welchem Zeitalter man, hätte man die Wahl, am liebsten leben würde. Priss war die Einzige, die für die Gegenwart stimmte. Kay erkor das Jahr 2000 (natürlich vor Christus), und Lakey war für das Quattrocento – übrigens ein Zeichen dafür, wie unterschiedlich die Clique war. Aber im Ernst, Priss konnte sich für einen jungen Menschen